Und morgen sind wir achtsam
Zürich (ots)
Alle, die unter Zeitnot, Digitalisierungspanik, Big-Data-Phobie und Technologisierungs-Ermüdung leiden, kann ich beruhigen: Morgen sind wir wieder achtsam; morgen hüpfen wir aus dem Hamsterrad und besinnen uns wieder aufs Menschsein. Das prognostiziert die neue Trendstudie des Frankfurter Zukunftsinstituts. Gut, denn so kann es nicht weitergehen.
Aber keine Illusionen: Technologie wird weiterhin unaufhörlich unsere Gesellschaft transformieren, die Komplexität unseres Lebens nimmt weiter zu. Wir werden aber in Zukunft anders damit umgehen müssen, wenn wir überleben wollen. Acht Trends zeichnen sich laut Zukunftsinstitut bereits als Gegentrend zur Digitalisierung ab, sie bilden den Rahmen der «neuen Achtsamkeit»: lebensfrohes Altern, Verzicht als Reaktion auf Verschwendung, Abwehr von Pauschal-Digitalisierung und Kommerz-Krach, ein für Umwelt und Mitmenschen geöffneter Blick, Befreiung vom Selbstoptimierungswahn, aktive Pflege von mentaler Stärke und innerer Ruhe, Umweltbewusstsein ohne Selbsthass sowie Sehnsucht nach Gemütlichkeit und Vertrauen.
Im Mittelpunkt aller Handlungen und Entscheidungen steht die Frage nach dem Warum. Klingt nach einer perfekten Welt, aber auch ziemlich retro. Doch nicht von Rückwendung ist hier die Rede, sondern von einem Wieder-zu-sich-finden in der modernen Welt, mit Big Data, mit Digitalisierung; von klarer Luft nach dem Nebel.
Jede neue Generation entwickelt neue Ansichten, neue Mediennutzungsgewohnheiten, neue Techniken, neue Werte, neue Warums. Im Kern aber heisst Menschsein immer noch und immer wieder das Gleiche: Sehnsucht nach Schönem, nach Gemeinschaft, Geborgenheit und ganz persönlicher Erfüllung, egal ob beim Extrembergsteigen oder beim Stricken. Menschen suchen nach einem Sich-Wiederfinden in der Welt. Und die Digitalisierung gibt uns neue Möglichkeiten, ihre Warums zu beantworten, die individuellen Wege zum eigenen Ausgangspunkt zu begleiten. Das ist nicht unheimlich und disruptiv, sondern wundervoll.
Roboter-Robbe Paro bringt Demente zum Lächeln. Pervers ist das nur, wenn Paro menschliche Zuwendung ersetzt. Ein Lächeln mehr pro Tag dagegen ist eine ausreichende Antwort auf die Frage nach dem Warum. Auf der einen Seite spukt die Digitalisierung als grosses Schreckgespenst, die Digital Disruption reisst uns und die Welt in der Mitte entzwei. Auf der anderen Seite nehmen wir ohne Vorbehalte alles an, was uns in unserem persönlichen Streben weiterbringt, ob es die komplette Bibliothek auf einem Device ist oder die Möglichkeit, sich in einer fremden Stadt vom Mobiltelefon ein Restaurant empfehlen und dorthin führen zu lassen. Was einen Zweck erfüllt, gefällt.
Langsam dämmert auch die Erkenntnis, dass eine Pauschal-Digitalisierung aller Arbeits- und Lebenswelten weder erstrebenswert noch das Ziel ist. Unternehmen, die in ihrer Zielgruppe Resonanz erzeugen wollen, müssen stattdessen künftig deren Warums beantworten - mit ihrem Angebotsspektrum und ihren Kommunikationsmassnahmen. Und je stichhaltiger die Antworten ausfallen, desto eher kommt es zum Kauf.
Und wann beginnt das «achtsame Morgen» endlich? Am besten fangen wir heute schon mit morgen an. Auch für technologische Neuerungen wird künftig das Warum entscheidend sein: Es geht längst alles - aber warum sollten wir es gehend machen?
Die Digitalisierung hat ihren Zenit überschritten, die Zeit der bedenken- und vorbehaltlosen Netzaffinität ist vorbei. Die Studie des Zukunftsinstituts bestätigt das.
Für uns bedeutet «die neue Achtsamkeit» Zeit für klare Luft, Sog statt Druck. Und bei der Beantwortung Ihrer Warums beides: always «Om» und always on.
Editorial der heute erschienenen Werbewoche 9/2017 von Chefredaktorin Anne-Friederike Heinrich
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