Berufsmesse Zürich / MCH Group
"Eine Berufswahl führt nie in eine Sackgasse"
Zürich (ots)
An der Eröffnung der 18. Berufsmesse Zürich waren sich die Gastredner einig: Die Berufsmesse sei die beste Chance, die grossen Vorteile der Berufslehre aufzuzeigen. Es sei wichtig, einen relevanten Beitrag für die Jugendlichen zu leisten. Dass sich auch Erfolge an den EuroSkills und den WorldSkills direkt in erhöhter Nachfrage bei der Berufswahl niederschlagen, zeigte Ökonom Dr. Stefan C. Wolter auf.
KGV-Geschäftsführer Thomas Hess begrüsste rund 100 Gäste aus Berufsbildung, Branchenverbänden und Politik am heutigen Dienstag, 21. November zur 18. Berufsmesse. Jährlich würden über 12 000 neue Lehrverträge abgeschlossen. Was unter anderem zeige: "Unsere KMU sind Integrationsmaschinen." Sie böten Platz für leistungsstarke Schüler, aber auch für Jugendliche, die nicht die besten Schulnoten hätten. Gerade mit Soft Skills wie Verlässlichkeit, Pünktlichkeit und Freundlichkeit hätten auch sie eine Chance, im Arbeitsmarkt Fuss zu fassen.
Wichtige Plattform für Nachwuchsmarketing
Die Zürcher Bildungsdirektorin Silvia Steiner besuchte immer wieder gern den Anlass mit über 250 Lehrberufen, wie sie bei ihrer Begrüssung versicherte. Noch immer - und das widerspreche der These von der Akademisierung - absolvierten drei Viertel der Jugendlichen im Kanton Zürich eine Berufslehre. Mit einer Lehre stünden den Jugendlichen riesige Karrieremöglichkeiten offen. "Eine Berufswahl führt nie in eine Sackgasse." Aber es brauche auch Vorbilder. Erfahrene Berufsleute erzählten an der Messe über ihren Alltag, über die Freuden und Leiden im Beruf. Im direkten Gespräch liessen sich Vorstellungen über Berufe, Anschluss- und Weiterbildungsmöglichkeiten erörtern.
Baustellen der Bildungslandschaft
Bildungsforscher und Ökonom Stefan Wolter, unter anderem Direktor der schweizerischen Koordinationsstelle für Bildungsforschung in Aarau, bot einige handfeste Zahlen und Statistiken zur Schweizer Bildungslandschaft. Unter dem Referatstitel "Berufsbildung Schweiz - Leuchttürme und Baustellen" distanzierte er sich zunächst vom Schlagwort Akademisierung. "Die Schweiz hat in den letzten 30 Jahren nicht eine Akademisierung, sondern Tertiarisierung geprägt", so Wolter. Letztere bezeichnet die Abschlüsse auf Tertiärstufe - gemeinsam also einerseits die Höhere Berufsbildung (höhere Fachschulen, Berufsprüfungen und Höhere Fachprüfungen) und anderseits die Hochschulen. So zeigte Wolter auf, wie sich die Tertiarisierung nicht etwa durch eine stark ansteigende Gymnasialquote (Faktor 1.6 seit 1991), sondern insbesondere durch den Anstieg der Quote höherer Bildungsabschlüsse (bei den Frauen um den Faktor 5 seit 1991, bei den Männern um 2.5) auszeichnete. Heute kommt auf eine Frau mit Berufslehre oder Gymnasium eine Frau mit höherem Bildungsabschluss.
Mit der Lehre verkaufe man somit auch "eine Option für die Zukunft". Die Ausbildung ende nicht mit der Lehre, "sondern für die meisten geht sie dann weiter". Nur leider bewege sich die Schweiz nicht in die richtige Richtung. Wolter zeigte sich über einen Trend besorgt: In nur 5 Jahren nahm vor der Pandemie zwischen 2014 und 2019 der Marktanteil der Berufsbildung um 3.5 Prozent ab - in einigen Kantonen sanken die Lehrabschlüsse sogar um bis zu 9 Prozent, insbesondere in der Westschweiz und in urbanen Kantonen.
Das spürten auch die Betriebe: Die Konkurrenz zu Gymnasien und Fachmittelschulen werde von der Mehrheit der befragten Firmen als Konkurrenz empfunden. So versuchten Betriebe, die ihre Lernenden an die Gymnasien verlören, dort Schüler zu holen, wo sie vor einigen Jahren noch nicht suchten. So werde der Druck "nach unten" weitergegeben. "Den Letzten beissen die Hunde." Gerade bei den Berufen, in denen die schulischen Anforderungen nicht tief seien, sei der Druck am höchsten.
Doch es gibt Hoffnung. Die heisst: Imagepflege. Gerade bei Berufen, die "keine Begeisterungsstürme" auslösten, bei denen aber Schweizer Lernende bei EuroSkills und WorldSkills Medaillen holten, zeigte sich Erstaunliches auf dem Lehrstellenmarkt. Durch die mediale Berichterstattung steige die Anfrage nach offenen Lehrstellen innert wenigen Wochen um 7.5 Prozent. Die unterzeichneten Lehrverträge stiegen im gesamten Jahr nach einer Goldmedaille jeweils um 2.5 Prozent. "Wenn Sie also das Renommee der Berufe fördern wollten, unterstützen Sie Jugendliche, welche an diesen Meisterschaften teilnehmen."
Die Suchanfragen Jugendlicher auf Lehrstellenplattformen zeigten nach Einführung von Chat GPT einen überraschenden "Knick": plötzlich wurde nicht mehr nach Berufen mit hohen kognitiven Anforderungen gesucht - allen voran sprachlichen kognitiven Fähigkeiten, ganz im Gegensatz zu manuellen Berufen, wo die Nachfrage nicht sank.
Wolters Schlussfolgerung: Technologische Veränderungen wie die neuen Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz (KI) könnten sich zum Vor-, aber auch zum Nachteil der Berufsbildung auswirken. Die Berufsbildung habe in der Schweiz noch eine sehr starke Stellung. Aber die dagegenwirkenden Tendenzen müssen wir man im Auge behalten. "Denn wenn alle 4 bis 5 Jahre 3 oder 4 Prozent der Berufslehren verschwinden, kann man sich ausrechnen, wie lange es geht, bis die Berufsbildung nicht mehr existiert."
EuroSkills-Medaillengewinner auf dem Podium
KGV-Präsident Werner Scherrers interviewte dann die fünf Zürcher Medaillengewinner an den EuroSkills in Danzig vom September 2023. Authentisch und inspirierend machten die fünf Ambassadors beste Werbung für die Berufsbildung - ganz im Sinne der von Wolter geforderten "positiven Berichterstattung". Marlena Senne holte Gold als Steinmetzin und erzählte, wie sie von ihrer Faszination für Eisskulpturen zu ihrem Beruf kam. "Eisskulpturen halten nicht sehr lange, Steine dafür ewig." Sie zeichnete gern in der Schule und hatte ein Flair fürs Kreative. So schnupperte sie im Beruf Steinmetzin, "weil Eisskulptorin gibt es ja nicht." Die ganze Schönheit ihrer Arbeit zeige sich etwa bei der Sanierung alter Gebäudefassaden. Und wer schon einmal von einem Turmspitz die Welt gesehen habe, der verstehe: "Das ist eine ganz einmalige Sache."
Die zwei EuroSkills-Sieger im Skill "Entrepreneurship und Business Development" Ralf Boltshauser und Raymond Tea erklärten KGV-Präsident Scherrer zunächst, was man unter dem branchenübergreifenden Skill (der allen Berufsleuten zugänglich ist) versteht: Sie hatten drei Tage Zeit, zu einem der "Sustainability Development Goals", also Nachhaltigkeitszielen, ein Problem zu lösen und daraus einen Business Case zu machen - "vom Businesskonzept, über ein Businessmarketing, dem Definieren von Target Groups bis hin zur Präsentation." Die beiden Informatiker kamen zum erstmals durch SwissSkills angebotenen Skill, weil sie unternehmerischen Denken und Handeln anwenden wollten.
Elektroinstallateur Michael Schmucki erklärte, was ihn an seinem Beruf fasziniert: "Es ist jeden Tag etwas anderes - man ist draussen und drinnen, kann auf dem Bau sein oder auch bei Kunden zuhause." Draussen verlege man oft Rohre - wie früher, "nur dass man heute etwas flexiblere Rohre hat". Auch Kenntnisse der Gebäudeautomation gehörten mittlerweile zu seinem Berufsprofil.
Ganz traditionell ist das Handwerk von Malerin und Silber-Gewinnerin Sabrina Bosshard - jenes mit der höchsten Frauenquote. "Vermutlich, weil auch eher Frauen das Feingefühl bei dekorativen Techniken hätten. Und weil es viel mit Farben und Einrichtungen zu tun hat, kommen wohl auch viele Frauen auf den Beruf."
Zu den Sponsoren der Berufsmesse Zürich zählen die Zürcher Kantonalbank, der Berufsbildungsfonds des Kantons Zürich sowie das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation. Medienpartner der Berufsmesse Zürich sind SRF, Energy Zürich und der Tages-Anzeiger.
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Patrizia Ciriello, Marketing & Communications Manager
MCH Messe Schweiz (Zürich) AG | 8050 Zürich
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