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Media Service: Hindu-Mönche im Schächental

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Urn (ots)

In Spiringen im Kanton Uri, oberhalb von
Witterschwanden, leben hinduistische Mönche. Diese haben dort vor 
einem Jahr ein überinstitutionelles Kloster, einen Ashram, 
aufgemacht. «Einfach leben, hoch denken» lautet das Motto.
Der Weg ist schmal und führt am Fluss Ganga entlang steil hinauf, 
die Sonne brennt erbarmungslos. Ab und zu sehe ich am Wegrand eine 
kleine Hindu-Statue, und nach gut 10-minütigem Fussmarsch erreiche 
ich den Ashram, eine Art Kloster, wo zurückgezogene Menschen ein 
spirituelles Leben führen. Der 36-jährige Mönch Krishna Candra 
empfängt mich freundlich, während Madhava, ein weiterer Mönch, in 
seinem weissen Gewand im hohen Gras sitzt und meditiert.
Berühmter Götti Diese Szene spielt sich nicht irgendwo im indischen 
Subkontinent ab, sondern im Schächental, oberhalb von 
Witterschwanden in der Gemeinde Spiringen. Der Ganga heisst 
eigentlich Gangbach, und das Kloster ist ein typisches, karg 
eingerichtetes Urner Bergheimetli. Der Mönch Krishna Candra stammt 
aus Zollikon und ist das Göttikind von Bundesrat Christoph Blocher. 
Seit ziemlich genau einem Jahr gibt es diesen Ashram auf der 
Sonnenseite des Tales. Vier Personen leben dort während des ganzen 
Jahres, und häufig werden auch Gäste beherbergt. Am ersten 
Juliwochenende zum Beispiel waren der indische Professor Satya 
Narayan von der Universität Benares und viele weitere Gäste zu 
Besuch. Rund 40 Personen habe man gezählt, sagt Krishna Candra.
Hindus, Buddhisten, Christen ... Überhaupt hatten viele 
Persönlichkeiten während dieses ersten Jahres dem Spirgner Kloster 
einen Besuch abgestattet: So sei Sadhu Maharaja schon dreimal hier 
gewesen – Sadhu Maharaja ist der frühere König von Bihar, der sich 
im Alter von 50 Jahren entschlossen hatte, alles aufzugeben und 
Mönch zu werden: Die Umkehrung des amerikanischen Traums vom 
Tellerwäscher zum Millionär sozusagen. Aber auch Pater Benno, 
Vorsteher des Franziskanerklosters Insel Werd, buddhistische 
Zen-Lehrer oder einfache Menschen wie der Theologiestudent aus 
Flüelen seien schon im Ashram ob Witterschwanden empfangen worden. 
Das Kloster betrachtet sich als eine institutionsfreie, spirituelle 
Gemeinschaft. Die Mönche sind zwar Hindus und glauben beispielsweise 
an die Reinkarnation, die Seelenwanderung. «Wir würden nie eine 
Fliege töten, geschweige denn Fleisch essen», betont Krishna Candra. 
Auch Milchprodukte und Eier werden nicht angerührt. Das Kloster 
bietet aber auch Menschen Platz, die sich für ein paar Tage eine 
Auszeit nehmen wollen. Sie können auf diese Weise Stille und 
Spiritualität erleben. Die Konfession spielt dabei keine Rolle.
Hausführung Krishna Candra lädt mich zu einer Führung durch das Haus 
ein. Im Erdgeschoss befinden sich die Küche und ein grösserer Raum, 
wo gearbeitet und auch gegessen wird. Dort gibt es weder Tisch noch 
Stühle. Das angrenzende «Stubli» bietet Gästen Schlafmöglichkeiten. 
Hier befinden sich die einzigen «richtigen» Betten im ganzen Haus. 
Die Mönche schlafen in Schlafsäcken auf dem Boden. Eine Holztreppe 
führt hinauf zur Bibliothek. Michael Kabok, ein Mitglied der 
Gemeinschaft, ist gerade in ein Buch vertieft. Durch eine Tür tritt 
man in den Tempelraum, wo die Meditationen stattfinden und musiziert 
wird. Die «Zimmer» der Bewohner, welche mit Decken voneinander 
abgetrennt sind, befinden sich oben in der Kammer.
Versteifen auf eine Religion Krishna Candra erinnert sich, wie er 
als 19-jähriger Student in einem indischen Kloster ein Gelübde 
ablegen sollte: «Ich dachte sofort an das Zölibat. Doch es ging um 
die Treue zur Wahrheit: Wenn du irgendwo etwas findest, das 
umfassender ist als das, was du bisher kennst, sollst du die 
Bereitschaft haben, all das abzulegen, was du bisher gemacht hast.» 
Dies gelte auch für den eigenen Glauben. Wenn die Religion zu einem 
Festhalten werde, beginne man, andere zu verurteilen und sich als 
etwas Besseres anzuschauen. «Das Versteifen auf eine Konfession ist 
eines der grossen Probleme dieser Welt», ist Krishna Candra 
überzeugt.
Keine Missionsabsichten Die Gemeinschaft ist keine Sekte, das kann 
aus dem Gespräch mit den Mönchen geschlossen werden. Sie distanziert 
sich auch von der Hare- Krishna-Sekte. Man beansprucht weder die 
alleinige Wahrheit für sich, noch sind die Strukturen so, dass 
jemand finanziell ausgebeutet wird. Auch die Mönche sind frei. Das 
heisst, sie dürfen die Gemeinschaft verlassen und auch heiraten. 
Ausserdem hege man überhaupt keine Missions- oder 
Expansionsabsichten. Sektiererisch könnten aber nicht bloss kleine, 
«komische Gruppen» sein, sagt Krishna Candra. Auch in grossen 
Institutionen seien oft sektiererische Tendenzen feststellbar. Es 
sei gefährlich, wenn man sich im Namen der Selbstfindung und 
Selbstverwirklichung gerade von sich selber entferne. «Solche 
Tendenzen untergraben wir. Wenn jemand ausschlafen will, kann er 
das. Doch in einem so kleinen Haus wie hier gibt es quasi einen 
automatischen Weckdienst.»
Viel unterwegs Und dieser Weckdienst erfolgt sehr früh. Morgens um 
4.00 Uhr wird aufgestanden. Zuerst musiziert man gemeinsam und singt 
Lieder in Sanskrit. Sanskrit ist die ursprüngliche, ausgestorbene 
Sprache Indiens. Es folgen Meditationen, weitere Gesänge und eine 
erste Vorlesung. Anschliessend bereitet die Gemeinschaft zusammen 
das Morgenessen zu, welches etwa gegen Mittag eingenommen wird. 
Weiter geht es mit dem Studium. In der Bibliothek werden Bücher 
gelesen, aber auch geschrieben. Krishna Candra zum Beispiel 
übersetzt gerade Werke aus den Veden – die indische 
Sanskritliteratur, welche die Glaubensgrundlagen von 1 Milliarde 
Hindus bildet – und kommentiert diese auch. Anschliessend an meinen 
Besuch im Ashram wird Krishna Candra beispielsweise nach Wien 
reisen, um ein Seminar zu leiten. Dadurch, dass er viel unterwegs 
ist, bekommt er auch ab und zu ein wenig mit, was in der Welt läuft. 
Im Ashram gibt es weder Radio noch Fernsehen und auch keine Zeitung. 
«Ich habe gehört, dass derzeit irgendwo ein Fussballturnier 
stattfinden soll», weiss er. Gemeint ist die Fussball-WM in 
Deutschland. Um 17.00 Uhr wird zum zweiten Mal gegessen, bevor es 
mit einer Meditation, einer Lesung, Gesängen und Diskussionen 
weitergeht. Zu Bett – respektive «zu Boden» – geht man gewöhnlich 
zwischen 22.00 und 23.00 Uhr.
Sohn eines SVP-Politikers Sein früherer Name sei unwichtig, sagt 
Krishna Candra. Sein Vater ist SVP-Politiker in Zollikon, und wie 
bereits erwähnt: Sein Götti heisst Christoph Blocher. Im Alter von 
zehn Jahren trat er aus der Kirche aus, noch vor der Konfirmation. 
«Ich werde weitersuchen. Das wird mein Leben sein», habe er dem 
Pfarrer damals gesagt. Während seiner Zeit in der Mittelschule war 
er politisch links sehr aktiv, er war Mitglied der 
Schülergewerkschaft, gründete gar eine eigene Partei. «Ich habe aber 
gemerkt, dass es mir nicht reicht, mich in diesem 
Links-rechts-Rahmen zu definieren. Ich suchte nach fundamentalen 
Werten.» An der Universität studierte Krishna Candra Indiologie. Um 
die Spiritualität nicht nur theoretisch abzuhandeln, sondern auch zu 
erleben, reiste er nach Indien. Insgesamt verbrachte er zwölf Jahre 
in traditionellen indischen Klöstern und sechs Monate auch in einem 
griechisch-orthodoxen Kloster. Er lebte zudem zwei Jahre alleine in 
einem kleinen Waldhaus in der Nähe von Zürich. Irgendwann kam der 
Wunsch nach einem eigenen Ashram. Etwa 30 Personen gründeten darauf 
den Verein Sanatana-Dharma und machten sich auf die Suche nach einem 
geeigneten Ort. In der Zeitung war das Haus in Spiringen zur Miete 
ausgeschrieben, und schon bald sei man sich einig gewesen, dass 
diese Abgeschiedenheit in den Bergen, fern vom Autolärm, ideal wäre. 
Die Miete von 600 Franken pro Monat bezahlt der Verein. Die Mönche 
leben von dem, was die Gäste mitbringen und was die Natur so 
hergibt. Ab und zu geht man auch in den Dorfladen etwas einkaufen.
Tolerante Spirgner Die Mönche kümmern sich nicht um das 
Vergängliche. In einer Welt, wo so viel Schmerz und Leid vorhanden 
sei, wollten sie sich nicht damit begnügen, für das eigene Vergnügen 
zu sorgen. Krishna Candra bietet seit mehreren Jahren auch 
spirituelle Sterbebegleitung an, die er in Indien gelernt hat: zum 
Beispiel im Bethanienheim Zürich. «Ich verlange hierfür kein Geld. 
Wer will, kann eine Spende geben.» Auch an öffentlichen Schulen hat 
er schon als Gast im Religionsunterricht über den Hinduismus und das 
Thema Wiedergeburt gesprochen. Wie reagieren die Menschen in 
Spiringen, wenn sie nun plötzlich fremde Mönche in ungewöhnlichen 
Gewändern als Nachbarn haben? Die zudem eine andere 
Lebenseinstellung und Religion haben? «Äusserst tolerant», findet 
Krishna Candra. Es habe sicherlich schon über 100 Kontakte mit der 
einheimischen Bevölkerung gegeben, und kein einziger davon sei 
negativ gewesen. «Die Menschen hier erleben wir als offener und 
toleranter als in der Stadt Zürich, wo wir auch mal so ein Kloster 
eröffnet hatten.» Mein Besuch im Ashram neigt sich dem Ende zu. Der 
Tisch ist gedeckt. Ich wäre zum Essen eingeladen, doch ich bedanke 
und verabschiede mich und mache mich auf den Rückweg. Die Arbeit 
ruft.
Markus Arnold
Fotolegende:
Madhava meditiert auf der Bergwiese oberhalb von Witterschwanden; 
im Hintergrund steht Krishna Candra: Seit einem Jahr leben die 
Hindu-Mönche im Schächental. 
Foto: Markus Arnold