5. Medi24 Forum für Gesundheitsmanagement in Bern: "Integrierte Versorgung" ist mehr als ein Schlagwort
Bern (ots)
Was haben öffentlicher Verkehr, Euro 2008 und modernes Gesundheitsmanagement gemeinsam? Die Antwort gab am diesjährigen Medi24 Forum der frühere SBB-Chef Benedikt Weibel bereits mit dem Titel seines Referats: "Über die Herausforderung, mit unabhängigen Akteuren ein gemeinsames Ziel zu erreichen." Auch im Gesundheitsmanagement geht es darum, verschiedene Interessen unter einen Hut zu bringen und neue Technologien in bestehende Strukturen zu integrieren.
Was er unter "integrierter Versorgung" versteht, illustrierte Kenneth Ruesch, Vorsitzender der Geschäftsleitung von Medi24, gleich zu Beginn des 5. Medi24 Forums für Gesundheitsmanagement: "Wenn ich von meinem Wohnort Muttenz nach Zermatt und zurück fahre, benutze ich zwar verschiedene Verkehrsmittel unterschiedlicher Anbieter, doch es genügt, dass ich in einem einzigen Fahrplan nachschaue, eine einzige Tageskarte kaufe und nur einmal für die ganze Fahrt bezahle."
Behandlungsprozesse optimieren
Parallelen dazu sieht Ruesch im Gesundheitswesen: Hier gehe es darum, den Behandlungsprozess in Zusammenarbeit mit allen beteiligten Akteuren - Patienten, Grundversorgern, Call Centers, Krankenkassen, Spitälern, öffentlicher Verwaltung, Pharmaindustrie usw. - zu optimieren. Ein solches Unterfangen sei allerdings nicht leicht zu realisieren, da die Akteure aus verschiedenen Bereichen stammten und unterschiedliche Interessen verfolgten. Zahlreich seien die Fragen, die sich stellten: Wie sehen die optimalen Behandlungsprozesse aus? Wer macht mit? Wer bezahlt was und wer bekommt wie viel? Rückblickend auf das bereits Erreichte könne gesagt werden, dass die Zusammenarbeit dort gut vorankomme, wo ein klares Konzept vorhanden sei und sich die Entwicklung Schritt für Schritt von unten nach oben gestalte. Abhängig sei der Erfolg immer auch vom Vorhandensein von motivierten und motivierenden Exponenten und davon, dass am Ende alle von der Zusammenarbeit profitierten.
Rund 120 Fachleute aus allen Bereichen des Gesundheitswesens hatten sich am Donnerstag im Berner Hotel "Bellevue" eingefunden, um am Medi24 Forum teilzunehmen, das nun bereits zum fünften Mal durchgeführt wurde und den Titel trug: "Integrierte Versorgung - vom Schlagwort zur Realität." Dass der Nichtmediziner Benedikt Weibel den Reigen der Referenten eröffnete, war dabei keineswegs abwegig: Als langjähriger Chef der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) und nun als Beauftragter des Bundesrats für die Euro 2008 verfügt er über grundlegende Erfahrungen mit komplexen Projekten, die er selber als "Motor für den Fortschritt" bezeichnet. Für Weibel gibt es eine Reihe von Faktoren, die über Erfolg oder Misserfolg eines Projekts entscheiden: So sei es wichtig, dass jemand die Führung übernehme, der anderseits fähig sei, alle Mitbeteiligten mit einzubeziehen; die Hoffnung, in einer grossen, heterogenen Gruppe reguliere sich die Zusammenarbeit mit der Zeit von selber, erfülle sich nämlich meistens nicht. Wichtig seien schliesslich ein regelmässiger Informationsaustausch, eine klare Zuteilung von Verantwortung sowie die ständige Kommunikation, gepaart mit Sachverstand.
Hausärzte werden durch Telemedizin nicht verdrängt
In Bezug auf den öffentlichen Verkehr genügt es nicht, dass verschiedene Transportunternehmen mehr oder weniger konfliktfrei nebeneinander existieren. Konkret geht es darum, die Akteure so weit zu bringen, dass - ausgehend von bestehenden Strukturen - neue Wege im Hinblick auf ein gemeinsames Projekt gefunden werden: Als Beispiele können genannt werden die Einführung eines für alle Unternehmen geltenden General- und Halbpreis-Abonnements, der Taktfahrplan oder die Bahn 2000. Es entsteht also etwas Neues, ausgehend von vorhandenen Elementen. Im Gesundheitsmanagement stellt sich die Situation ähnlich dar: "From bricks (= Bausteine) to clicks (Computerklicks)" lautete deshalb der Titel des Vortrags von Andreas Meer, Arzt, Informatiker, Geschäftsleitungsmitglied und Medizinischer Leiter des Call Centers Medi24.
Meer nahm die Zuhörerinnen und Zuhörer mit auf eine Reise durch die Geschichte der Medizin und die Anfänge des Gesundheitswesens, wie wir es heute kennen. Zu diesen "Bausteinen" der etablierten Strukturen sind in den letzten Jahren neue Elemente hinzugekommen - Stichworte: Telemedizin, Health Care, Disease Management usw. "Clicks" bedeuteten nun aber eben nicht, dass das Bisherige einfach weggezappt werde, vielmehr gelte es, das Neue in die bestehenden Strukturen zu integrieren. Vom Moderator der Veranstaltung, Geri Staudenmann, um eine Präzisierung gebeten, erklärte Meer, dass auch im Gesundheitsmanagement der Zukunft immer die Beziehung zwischen medizinischem Personal und Patient im Zentrum stehe. Auch die Telemedizin werde deshalb die Hausärzte und Hausärztinnen nicht verdrängen.
Beispiele aus der Praxis
Über das Beispiel einer funktionierenden Zusammenarbeit zwischen Allgemein- und Spezialärzten sowie einem Call Center berichtete Christian Röthlisberger, Leitender Arzt für Kardiologie am Spitalzentrum Biel. Im Jahr 2003 rief Röthlisberger in Zusammenarbeit mit dem Hausärzteverein Biel-Seeland und unterstützt von Medi24 ein "Herzprogramm" ins Leben, bei dem es um die Schulung und Beratung von Menschen mit Herzinsuffizienz geht. Für die Zusammenarbeit unter den beteiligten Akteuren fand der Bieler Kardiologe nur lobende Worte, allerdings sei ein Teil der Grundversorger diesem Projekt gegenüber immer noch skeptisch eingestellt. Trotz offensichtlicher Vorteile liessen sich auch nicht alle Patientinnen und Patienten zur Teilnahme an diesem Herzprogramm motivieren.
Das Thema "Motivation" stand auch beim Referat von Bernhard Kulzer im Vordergrund und erklärte gleichzeitig, weshalb Psychologinnen und Psychologen in der Diabetesbehandlung eine wichtige Rolle spielen: "Der Erfolg einer Behandlung", so der Leitende Psychologie der Diabetes-Klinik Bad Mergentheim (D), "hängt zu 80 Prozent vom Verhalten der Patientinnen und Patienten ab". Gerade bei von Diabetes betroffenen Personen handle es sich oft um "Menschen in schwierigen Lebenssituationen". In der Behandlung gehe es deshalb weniger darum, diese mit Wissen vollzustopfen, sondern sie durch Schulung in die Lage zu versetzen, durch ihr eigenes Verhalten bessere Therapieergebnisse zu erzielen. Nach einer Initialschulung, die in der Klink stattfinde, sei es nötig, die neu erworbenen Verhaltensweisen zu stabilisieren. Dies erfordere eine langfristige Begleitung, und hier komme schliesslich die Telemedizin zum Zug, mit Patientenkontakten über Telefon, Fax oder Internet.
Täglich 2000 Anrufe bei Medi24
Das Unternehmen Medi24 (die Firma Medvantis AG), ein Tochterunternehmen der ELVIA und Mitglied der Mondial Assistance Group, ist das erste Medizinische Call Center der Schweiz. Seit Anfang 2000 bietet es seine Dienstleistungen rund um die Uhr in den drei Landessprachen sowie in Englisch an. Im Jahr 2007 gingen rund 270 000 Anrufe ein. In den ersten Wochen des laufenden Jahres haben täglich bis zu 2000 Personen bei Medi24 angerufen. Über Ärztenetzwerke und Krankenversicherer sind mehr als 1,8 Millionen Personen berechtigt, die Dienstleistungen des Call Centers in Anspruch zu nehmen. Gegenwärtig beschäftigt Medi24 rund 90 Mitarbeitende, davon 64 medizinische Fachpersonen sowie sieben Ärztinnen und Ärzte.
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