Zwischen Hoffen und Bangen, Kommentar zu den Auswirkungen der Rating-Herabstufung Frankreichs auf den Wahlkampf, von Gerhard Bläske.
Frankfurt (ots)
Der Verlust des französischen Triple-A-Ratings konnte niemanden in Paris überraschen. Premierminister François Fillon beeilte sich, den Eindruck zu vermitteln, es habe sich nicht allzu viel verändert. Man solle die Herabstufung "nicht unterbewerten", dürfe sie aber auch "nicht dramatisieren". Ein neues Sparprogramm ist nach Ansicht von Wirtschaftsminister François Baroin nicht notwendig.
Ganz so einfach ist es nicht. Die Ankündigung von Standard & Poor's ist ein Schock für die Regierung, die vor einem Scherbenhaufen steht. Alle wichtigen Kennzahlen haben sich in Sarkozys Amtszeit verschlechtert, und nun ist auch der Nimbus von Präsident Nicolas Sarkozy als erfolgreicher Krisenmanager weg. Noch schlimmer aber ist für Paris, dass Musterschüler Deutschland seinen Status behält. Bundeskanzlerin Angela Merkel kann künftig noch selbstbewusster auftreten und die von Paris und anderen gewünschten Kompromisse bei der Umsetzung der Politik der Entschuldung und Konsolidierung verweigern.
Drei Monate vor den Präsidentschaftswahlen steckt Sarkozy damit in einer Sackgasse. Er muss auf die Allianz mit Deutschland setzen, um ökonomisch glaubwürdig zu bleiben, denn im schlimmsten Fall könnte mitten im Wahlkampf auch Moody's das Rating des Landes herabsetzen. Panisch versucht er seinen Umfrage-Rückstand in letzter Minute aufzuholen, will die Finanzierung des teuren Sozialversicherungssystems auf eine breitere Grundlage stellen und eine Finanztransaktionssteuer einführen.
Die Situation ist gefährlich für ihn selbst - wie auch für Europa, denn die Spaltung des Landes wächst. Der Sozialist François Hollande bekennt sich zwar zu einem Sparkurs, akzeptiert aber keine Schuldenbremse, plant neue Beschäftigungsprogramme und will die Konjunktur stimulieren. Die Rechtsradikale Marine Le Pen setzt auf die Globalisierungsängste vieler Franzosen und auf Protektionismus sowie die Rückkehr zum Franc. Und in der Mitte macht Sarkozy der Zentrumsmann François Bayrou zu schaffen, der zwar für eine Schuldenreduzierung eintritt, aber keine konkreten Vorschläge vorlegt.
Ein zerrissenes Frankreich ist gefährlich für Europa und für Deutschland. Wenn die beiden Kernländer Europas weiter auseinanderdriften, dann droht die Explosion der Eurozone. Bleibt zu hoffen, dass die Herabstufung nicht den radikalen Kräften in die Hände arbeitet, sondern einen heilsamen Schock auslöst. Es wäre eine Chance, die lange versäumten, schmerzhaften Reformen umzusetzen.
(Börsen-Zeitung, 17.1.2012)
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