Draghis Paukenschlag, Börsenkommentar "Marktplatz", von Christopher Kalbhenn.
Frankfurt (ots)
Auch wenn die meisten Einzelheiten des geplanten neuen Anleihekaufprogramms bereits offiziell bekannt gegeben bzw. über vermeintliche Lecks gestreut worden waren, kann die Ankündigung des Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, vom Donnerstag als Paukenschlag bezeichnet werden. Denn die Finanzmärkte haben sehr deutlich auf die avisierten limitlosen Bondkäufe reagiert. Sogenannte Safe Havens wie Bundesanleihen und sogar der Schweizer Franken sind stark unter Druck geraten, Anleihen und Aktien der Peripheriestaaten sind fast durch die Decke gegangen.
Draghi ist es zweifellos gelungen, die Märkte zu beeindrucken und die von der Schuldenkrise ausgehenden Risiken - zunächst einmal - einzudämmen. Ablesen lässt sich dies u.a. an der Hausse der kurzlaufenden spanischen Staatsanleihen. Seit der EZB-Präsident im Juli erklärt hat, die Währungshüter würden alles Notwendige zur Erhaltung des Euro tun, ist ihre Rendite, die bis Mitte Juli noch auf ca. 7% geklettert war, von ca. 5,5% auf jetzt nur noch knapp 3% gefallen. Mit anderen Worten: Ohne auch nur einen einzigen Cent in den Markt zu werfen, hat Draghi sein Ziel, die Refinanzierungskosten der Peripheriestaaten deutlich bzw. auf ein nachhaltig tragbares Niveau zu senken, bereits zu einem Großteil erreicht. Doch wie nachhaltig kann der positive Markteffekt sein, fragen sich nun die Strategen. Besteht vielleicht das Risiko, dass sich der Paukenschlag letztlich als Schlag ins Wasser erweisen wird?
Julius Bär äußerte am Freitag diesbezüglich Zweifel. "Die Erleichterungsrally hat kurze Beine", so das Schweizer Institut. Zwar erkennt es an, dass die angekündigten Anleihekäufe das Extremrisiko, d.h. die Gefahr des Auseinanderbrechens der Währungsunion, glaubwürdig reduzieren. Die Maßnahmen stellten jedoch nur eine liquiditätsorientierte Lösung der Krise dar. Die Rezession in der Eurozone und vielen ihrer Mitgliedsländer sei bereits ausgeprägt und weite sich noch immer aus, was von der EZB in ihrer Sitzung nicht adressiert worden sei. Da die abnehmende Wirtschaftsleistung jedoch einen deutlichen Beitrag zum Teufelskreis aus immer schlechteren Staatshaushalten und den jeweiligen nationalen Bankenbilanzen leiste, gebe es hier ein Risiko, dem mit zusätzlichen geldpolitischen Stimuli begegnet werden müsse. Das Bankhaus Sarasin sieht gerade in der Tatsache, dass die kurzen spanischen Renditen bereits stark gesunken sind, ein Problem. Das Potenzial für spanische Anleihen am kurzen Ende sei zu einem guten Teil ausgeschöpft. Das biete Spanien keinen Anreiz, sich auch tatsächlich an den EFSF/ESM zu wenden und damit ein Bondkaufprogramm auszulösen. Erst eine neuerliche Panikattacke in Euroland und damit verbunden ein Wiederanstieg der Zinsen würde Spanien zwingen, den EFSF/ ESM anzurufen, so die Bank. Die Anleihen in der Peripherie hätten kurzfristig noch begrenztes Potenzial. Ein zwischenzeitlicher Zinsanstieg sei aber nicht auszuschließen.
Darüber hinaus hält es die Bank für möglich, dass das Programm langfristig scheitern wird. Damit das Bondkaufprogramm nicht wie sein Vorgänger scheitere, müsse die Weltwirtschaft den Peripherieländern in den nächsten Quartalen einen Wachstumsimpuls verschaffen. Ferner müsse das Programm zu geringeren Finanzierungskosten für Unternehmen führen. Laut der Bank muss die mit dem Programm gewonnene Zeit dafür genutzt werden, die drängenden Probleme zu lösen. Dazu gehörten eine Lösung für Griechenland, die Implementierung des ESM und das Vorantreiben der Banken- und Fiskalunion. Ansonsten werde die desaströse Lage in vielen Peripheriestaaten bei jeder Parlamentswahl das Thema Euro-Austritt wieder aufleben lassen.
Sehr skeptisch äußerte sich die Landesbank Baden-Württemberg. "Wir können allerdings die Euphorie des Marktes nicht ganz teilen." Zwar werde zunächst ein machtvolles Instrument für Eingriffe am Sekundärmarkt geschaffen. Aber der Erfolg auf mittel- bis langfristige Sicht sei nicht garantiert. Zum einen werde durch die Fokussierung auf kurze Laufzeiten für die Staaten ein Anreiz geschaffen, künftig vorrangig kurze bis mittlere Laufzeiten zu emittieren. Zum anderen beinhalte die Absicht der EZB, den Anleihekauf einzustellen, sobald ein Land sich nicht mehr an sein Anpassungsprogramm halte, eine leere Drohung. "Die Ausführung der Drohung würde ihrerseits die Solvenzrisiken des jeweiligen Landes erhöhen." Sobald die EZB in den Anleihekauf einsteige und erhebliche Summen angekauft habe, sei ein Ende weiterer Käufe mit dem Risiko erheblicher Verluste für die EZB verbunden, zumal sie ihren bevorrechtigten Status aufgegeben habe.
(Börsen-Zeitung, 8.9.2012)
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