Dax vor Jahreshoch, Börsenkommentar "Marktplatz", von Thorsten Kramer.
Frankfurt (ots)
Alle Jahre wieder stellt sich spätestens Anfang Dezember die Frage, ob der deutsche Aktienmarkt vor einer Jahresendrally steht. Als leicht zu beantworten gilt sie in aller Regel nicht, und in diesem Jahr zählt dies in besonderem Maße: Allein die mit der Staatsschuldenkrise in der Eurozone und der geopolitisch brisanten Entwicklung in Nahost verbundenen Risiken könnten grundsätzlich jederzeit eine Kurskorrektur auslösen. Und dennoch spricht einiges dafür, dass der Dax in den nächsten Wochen vor einem weiteren Anstieg steht.
Seit dem zyklischen Tief bei 5914 Punkten in der ersten Juni-Hälfte hat der Index bis Mitte September eine rasante Rally absolviert. Die daran anschließende Konsolidierung ist überwunden, und so notiert der Dax wieder deutlich oberhalb von 7400 Zählern, nur knapp unter seinem Jahreshoch. Gemessen am Stand vom Jahresende 2011 weist das deutsche Blue-Chip-Barometer eine für die meisten Marktteilnehmer und Analysten sehr überraschende Performance von mehr als 20% auf.
Eine Studie der Landesbank Baden-Württemberg, in der Analysten des Instituts untersucht haben, was eine starke Kursentwicklung in den ersten fünf Monaten des zweiten Halbjahres für den Dezember signalisiert, kommt zum Fazit, dass es jetzt immer noch lohnt, sich offensiv am deutschen Aktienmarkt zu positionieren. In den zurückliegenden 30 Jahren gewannen deutsche Blue-Chips im Dezember demnach durchschnittlich 2,8% pro Jahr und somit etwas mehr als ein Drittel der durchschnittlichen Gesamtperformance von 8% pro Jahr. Dabei ist es laut der LBBW-Analyse auffällig, dass der Dax in 18 von 19 Fällen Gewinne verbuchte, nachdem er schon von Juli bis November gestiegen war. Ohne diese Voraussetzung, so heißt es bei der Landesbank, brachte der Dezember in sieben von zwölf Jahren Kursverluste.
Einen gewichtigen Grund für das Ergebnis der Untersuchung sieht Berndt Fernow, der bei der Landesbank die Gruppe Investment Strategy leitet, im Verhalten der institutionellen Investoren. Sie agieren zum Jahresschluss grundsätzlich vorsichtig. Sind die Kurse im zweiten Halbjahr gestiegen, so sitzen die bereits investierten Anleger auf einem Polster und sind nicht dazu gezwungen, bei fallenden Notierungen schnell zu verkaufen. Unter Druck stehen dann dagegen diejenigen, die noch unterinvestiert sind. Jeder kleinere Kursrückgang, so Fernow, werde in diesem Umfeld dann dazu genutzt, Positionen auf- oder auszubauen - ganz gemäß der insgesamt positiven Marktstimmung; und genauso ist es in den zurückliegenden Wochen schon zu beobachten gewesen. In schwachen zweiten Halbjahren seien die Risikolimite dagegen oftmals erschöpft und Anleger müssten bei weiteren Einbußen sehr schnell die Reißleine ziehen. "Die differenzierte Betrachtung zeigt das außergewöhnlich gute Chance-Risiko-Verhältnis", heißt es bei der LBBW mit Blick auf das auslaufende Börsenjahr. Im Durchschnitt rückte der Dax in den "starken Jahren" im Dezember um weitere 5,4% vor.
Einen Strich durch die Rechnung könnte es Anlegern jedoch machen, wenn der Haushaltsstreit in den USA eskaliert und das Fiscal Cliff bedrohlich näher rückt. Investoren gehen inzwischen mehrheitlich davon aus, dass Präsident Barack Obama und die Demokraten mit den Republikanern noch vor Weihnachten einen Kompromiss finden, der die automatischen Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen im Gesamtvolumen von mehr als 600 Mrd. Dollar doch noch abmildert. Gelingt dies nicht, droht der weltgrößten Volkswirtschaft sogar der Rückfall in die Rezession - mit dementsprechenden Reaktionen des Aktienmarktes, denn ein solches Negativszenario ist keinesfalls in die Notierungen eingepreist.
Erfüllen die US-Politiker indes die Hoffnungen der Anleger, könnte dies den Börsen einen zusätzlichen Impuls verleihen. Schließlich wird, sobald das Fiscal Cliff umfahren ist, der Blick auf die Perspektiven der globalen Konjunktur frei, die sich nach Einschätzung vieler Volkswirte zurzeit spürbar aufhellen.
Zusätzliche Unterstützung dürften dem Markt außerdem weitere positive Nachrichten von der Konjunkturseite bieten. Mit den Einkaufsmanagerindizes aus Europa und Amerika stehen gleich zu Wochenbeginn wichtige Frühindikatoren zur Veröffentlichung an. Im Fokus des Interesses stehen außerdem weiterhin die großen Notenbanken. So rechnet mancher Anlagestratege bereits damit, dass die Federal Reserve in der übernächsten Woche, also Mitte Dezember, weitere Ankäufe festverzinslicher Papiere bekannt geben wird. Auch dies dürften Investoren positiv aufnehmen.
(Börsen-Zeitung, 1.12.2012)
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