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Der Risikopatient, Kommentar zu den Bereinigungsmaßnahmen bei ThyssenKrupp, von Andreas Heitker.

Frankfurt (ots)

Bei ThyssenKrupp scheint der Schrecken sich doch noch einem Ende zu nähern. Die jetzt verbuchte Abschreibung von fast 700 Mill. Euro auf die unglückseligen Stahlwerke in Brasilien und den USA sollte die endgültig letzte vor dem Verkauf der Sparte sein. Mit einer Veräußerung, die wohl kurz bevorsteht, würde ThyssenKrupp den größten Hemmschuh für die weitere Entwicklung abstreifen. Das Abenteuer in Übersee hat viel Geld verbrannt, Milliarden an Wertberichtigungen gekostet und den Konzern an den Rand des Ruins gebracht. Das Aufatmen, sollte die Trennung endlich gelingen, wäre auch auf Investorenseite unüberhörbar.

Damit wäre viel, aber noch längst nicht alles gewonnen. Denn am Markt gilt ThyssenKrupp als Risikopatient, dem bei seiner Gesundung auch noch weitere Gefahren drohen. Allen voran sind die Kartellprobleme, in die sich der Konzern verstrickt hat, noch längst nicht ausgestanden. Ungeachtet dessen, was das Amnestieprogramm für Mitarbeiter, das zurzeit läuft und bei der Aufdeckung von Compliance-Verstößen helfen soll, noch zutage fördert - bereits die ohnehin bekannten Fälle werden teuer. Für die Beteiligung am Schienenkartell hat ThyssenKrupp gut 200 Mill. Euro zurückgestellt. Aber das Kartellamt ermittelt seit Februar auch noch wegen möglicherweise wettbewerbswidriger Preisabsprachen bei Stahllieferungen für die deutsche Autoindustrie. Was hier noch droht, ist zurzeit kaum abzuschätzen.

Das Führungsteam um Vorstandschef Heinrich Hiesinger versucht seit Monaten, ThyssenKrupp offenere und transparentere Strukturen zu verpassen und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit wieder zu verbessern. Unterstützung bei den Umwälzungen, die auch mit einem Stellenabbau verbunden sind, kommt sowohl vom Großaktionär, der Krupp-Stiftung, als auch von der Arbeitnehmerseite, was beides nicht zu gering zu schätzen ist. Der Vorstand sollte jetzt versuchen, auch die zögernden Investoren wieder mit ins Boot zu holen.

Dazu müsste er ihnen aber erst einmal klar sagen, dass ThyssenKrupp zur weiteren Gesundung auch eine Kapitalerhöhung benötigt. Die Fehler der Vergangenheit haben die Eigenkapitalquote mittlerweile unter 10% gedrückt, was kaum eine zukunftsfähige Basis ist. Natürlich, Anleger reagieren äußerst sensibel auf das Thema Kapitalerhöhung. Als kürzlich diesbezügliche Gerüchte aufkamen, verlor ThyssenKrupp gleich ein Fünftel des Börsenwertes. Aber offene Worte des Vorstands wären auch in diesem Fall viel wert.

(Börsen-Zeitung, 16.5.2013)

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