Leiden auf hohem Niveau, Kommentar zum Halbjahresergebnis der britischen Grpßbank HSBC, von Carsten Steevens.
Frankfurt (ots)
Wenn ein Börsen-Elefant wie die britische Großbank HSBC an einem Tag einen Kursverlust von mehr als 4% erlebt und sich eine Marktkapitalisierung von mehr als 7 Mrd. Euro in Luft auflöst, sollte man in Finanzkrisenzeiten von Hiobsbotschaften wie einem unerwartet hohen Verlust oder Gewinnrückgang, einem neuen Skandal oder einer überraschenden Kapitallücke ausgehen. Doch hat dieses Institut all dies nicht zu bieten. Der Gewinn im ersten Halbjahr: gestiegen. Skandale: Fehlanzeige - zumindest im bisherigen Jahresverlauf. Kapitalerhöhung: anders als beim heimischen Rivalen Barclays kein Thema. Selbst auf Basis der verschärften EU-Eigenkapitalrichtlinie kommt HSBC mit mehr als 10% auf ein Niveau, das sich andere systemisch relevante Großbanken erst noch mühsam erarbeiten müssen.
Auf ihrem 2011 eingeschlagenen Kurs, sich aus unrentablen Geschäften zurückzuziehen und frei werdendes Kapital in profitables Wachstum zu verlagern, kommt die Bank geschmeidig voran. Wo solche Wachstumsgelegenheiten nicht gefunden werden, soll Geld ausgekehrt werden. Auch dies kein Grund für Anleger, nervös zu werden. Selbst das Ziel, effizienter zu werden, rückt allmählich näher.
Doch damit ist der wunde Punkt angesprochen: HSBC muss - auch wegen verschärfter Bankenregeln im britischen Heimatmarkt - stärker an der Sparschraube drehen als noch vor zwei Jahren gedacht. Denn obwohl sich die Euro-Staatsschuldenkrise entspannt zu haben scheint und sich die damit einhergehenden konjunkturellen Risiken verringert haben, sind die kurz- bis mittelfristigen Ertragsaussichten ungewiss.
Wann die westlichen Notenbanken ihre äußerst lockere Geldpolitik straffen werden, ist nicht absehbar. Von einem spürbaren Anstieg der Zinsmargen in Europa und in Nordamerika kann die Bank bis auf Weiteres nicht ausgehen. Das gilt jedoch auch für die Wettbewerber der HSBC. Grund für den kräftigen Kursrutsch vom Montag ist daher etwas anderes: die Wachstumsabkühlung in Schwellenmärkten, insbesondere in China. In den beiden Geschäftsregionen Hongkong und Asien/Pazifik holt die Bank zwei Drittel ihres Halbjahresgewinns. Wenn das Wachstum in der ehemaligen britischen Kronkolonie abflaut, hat dies unmittelbar empfindliche Folgen für die Erlöse.
Dennoch: Die gegenwärtige Bewertung spricht für weitere Kursreserven. Anleger müssen weder Verwässerungen ihrer Beteiligung noch Dividendenkürzungen befürchten. Die Probleme der HSBC hätten andere gern.
(Börsen-Zeitung, 6.8.2013)
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