Spätfolgen, Kommentar zum Arbeitsmarkt von Stephan Lorz
Frankfurt (ots)
Für eine "Spätfolge des milden Winters" hält der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, die ausgefallene Frühjahrsbelebung auf dem deutschen Arbeitsmarkt im Mai. Da es witterungsbedingt zu Jahresanfang weniger Entlassungen als üblich gegeben habe, würden nun eben auch die Einstellungen ausbleiben. Es gebe ja nichts zu "beleben". Die Erklärung ist durchaus plausibel in ihrer arithmetischen Logik, verstellt aber den Blick auf die Gesamtlage am Arbeitsmarkt.
Gewiss haben die jüngsten Beschäftigungserfolge die Zahl der Arbeitslosen Monat für Monat schrumpfen lassen. An eine rekordniedrige Arbeitslosenquote wie jetzt von 6,6% war noch vor Jahren nicht zu denken. Greift man auf international vergleichbare statistische Abgrenzungen zurück, so liegt der Wert für Deutschland mit 5,1% nur halb so hoch wie etwa in Frankreich und deutlich unter dem in den USA. Ein Erfolg, der maßgeblich dafür gesorgt hat, dass sich hierzulande ein selbsttragender Konjunkturaufschwung etablieren konnte: Die Sozialkassen werden entlastet, mehr Erwerbstätige steigern den Konsum, und zugleich erhöhen sich die Löhne in stärkerem Maße als je zuvor.
Dieser Erfolg darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Abbau der Arbeitslosigkeit inzwischen immer zäher vonstatten geht - den immer lauteren Klagen der Wirtschaft über Fachkräftemangel zum Trotz. Das liegt etwa an der Qualifikationsstruktur der verbliebenen Stellensucher, an ihrer fehlenden Mobilität und unzureichenden Ausbildung. Nach Ansicht von BA-Chef Weise sind denn auch "keine großen Sprünge" mehr am Arbeitsmarkt zu erwarten.
Immer mehr Jobs werden entweder von Zuwanderern besetzt - oder von Personen, die sich bislang nicht auf dem Arbeitsmarkt blicken ließen. Das zeigt auch die Arbeitsmarktstatistik: Während die Zahl der Arbeitslosen im Mai nur um 55.000 niedriger war als im Mai des Vorjahres, betrug der Abstand bei der Zahl der Erwerbstätigen zuletzt + 398.000 Personen.
Der zähe weitere Abbau der Arbeitslosigkeit sollte ein Warnsignal sein für die Politik, es mit der Rückabwicklung der Sozialreformen der früheren rot-grünen Regierungskoalition nicht zu übertreiben. Ähnlich wie positive Reformeffekte sich erst nach Jahren eingestellt hatten, werden auch negative erst später sichtbar. Dennoch lässt das die Politik unbeeindruckt. Nach Mindestlohn und Einführung der Rente mit 63 sind weitere Volksbeglückungsaktionen zu erwarten. Kommt es dann zu "Spätfolgen", will es natürlich keiner gewesen sein.
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