Atempause für den Dollar, Marktkommentar von Stefan Schaaf
Frankfurt (ots)
Bergleute und Anleger verbindet die Unklarheit darüber, was vor ihnen liegt. Bei allen Modellen und Prognosen: niemand weiß wirklich, was beim nächsten Schritt passieren wird. Vor der Hacke ist es dunkel, sagt der Bergmann. Der Investor spricht von Unsicherheit - und meint so ziemlich das Gleiche. Doch zuletzt gab es ein Investment, das als sichere Wette erschien: die unaufhaltsame Aufwertung des Dollar. Der Rally ist allerdings die Luft ausgegangen, die US-Währung hat sich zu Euro und Yen, den beiden anderen wichtigen Weltwährungen, jüngst weitgehend stabil gehalten - und das nicht nur im Vergleich zur Rally der vergangenen Monate. Der Euro verharrte deutlich über seinen Tiefs, die er nach Bekanntgabe der Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) erreicht hatte. Und das trotz der drohenden Eskalation im griechischen Schuldenpoker.
Dabei waren die Argumente für eine Dollar-Aufwertung überwältigend, die Marktreaktion eindeutig: Seit Anfang 2014 hat der Greenback zu einem Korb von sechs anderen wichtigen Industrieländer-Währungen - gemessen im Dollar-Index - rund 18% aufgewertet.
Divergenz der Zinsen
Zum Euro, der den Währungskorb dominiert, beträgt das Minus in diesem Zeitraum ebenfalls rund 18%. Zur Erinnerung: Im Mai 2014 wurden noch fast 1,40 Dollar pro Euro gezahlt, aktuell sind es noch gut 1,13 Dollar. Nicht viel anders sieht es für den Yen aus. Das Hauptargument für die Dollar-Rally war die wachsende Zinsdivergenz zwischen den Vereinigten Staaten auf der einen Seite sowie der Eurozone und Japan auf der anderen Seite. Dahinter steht die Erholung der US-Wirtschaft, während die alternden Gesellschaften in Japan und Europa mehr oder weniger nur noch wirtschaftliche Stagnation zustande bringen. Ausdruck der divergierenden ökonomischen Fundamentalsituation war die Erwartung steigender US-Leitzinsen irgendwann zwischen Juni und Jahresende. Zugleich standen - jedenfalls in der Wahrnehmung vieler Marktteilnehmer - die Zeichen auf eine weitere Lockerung der Geldpolitik in Japan und der Eurozone und der mit ihr eng verbundenen Volkswirtschaften wie Schweden oder Polen.
Kommen die 1,20 wieder?
Dennoch ist die Dollar-Rally zuletzt weitgehend zum Stillstand gekommen. Während manche Analysten sich angesichts eines konjunkturellen Silberstreifs für die Eurozone bereits Gedanken über eine Trendwende machen und überlegen, wann der Euro wieder bei 1,20 Dollar stehen könnte, spricht die Mehrheit der Experten eher von einer Atempause, die der Dollar in seiner Aufwärtsbewegung einlegt. Für beides gibt es Argumente. Die Unentschlossenheit erhöht die Unsicherheit. Ausdruck dafür ist die Volatilität, die nach der Bekanntgabe der EZB-Käufe im Januar hochgeschossen ist und auf dem Niveau verharrte. Der von der Deutschen Bank berechnete Devisen-Volatilitätsindex CVIX notiert aktuell bei rund 11,4 Punkten. Vor der EZB-Ankündigung einer quantitativen Lockerung lag er nur bei rund 9,5 Punkten, im Sommer vergangenen Jahres nur bei rund 5 Zählern. Kein Zweifel: Die Nervosität am Devisenmarkt ist aktuell hoch.
Yellen muss sich äußern
Das ist auch kein Wunder. Schließlich gibt es eine ganze Menge Akteure am Markt, die bereits für Juni die erste Zinserhöhung der US-Notenbank erwarten. In diesem Fall müsste die Federal Reserve schon bald mit der entsprechenden Kommunikation beginnen. In der neuen Woche steht die Anhörung von Fed-Chefin Janet Yellen im US-Parlament bevor. An den Märkten ist noch gut in Erinnerung, dass ihr Vorgänger Ben Bernanke das Auslaufen der quantitativen Lockerung im Parlament in einem Nebensatz ankündigte.
Zweifel am Juni-Termin
Zur Unruhe am Markt trägt jedoch auch Skepsis über einen frühen Termin für die US-Zinserhöhung bei. Insbesondere das jüngste Sitzungsprotokoll der Federal Reserve, das am vergangenen Mittwoch veröffentlicht worden war, ließ Zweifel am Juni-Termin wachsen. Viele Sitzungsteilnehmer sprachen sich für eine Verlängerung der Nullzinspolitik aus, da ein verfrühter Zinsschritt die sich erholende US-Konjunktur belasten könnte, zumal der gesunkene Ölpreis die Inflationsrate drückt. Die Fed-Sitzung fand jedoch vor der Veröffentlichung von starken US-Arbeitsmarktdaten für Januar statt, so dass die moderaten Töne schon bald wieder abklingen könnten. Die Volatilität bleibt hoch, auch für Dollar-Bullen ist es dunkel vor der Hacke.
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