Gefährliches Experiment, Kommentar zur EZB von Mark Schrörs
Frankfurt (ots)
Jetzt geht es also los: Ab Montag kauft die Europäische Zentralbank (EZB) in großem Stil Wertpapiere, vor allem Staatsanleihen. Monat für Monat will sie so 60 Mrd. Euro ins Finanzsystem pumpen. Da das Programm bis mindestens September 2016 laufen soll, ergibt sich die astronomische Summe von 1,14 Bill. Euro. Die EZB wagt damit ein gigantisches geldpolitisches Experiment. Man kann nur inständig hoffen, dass sich die schlimmsten Befürchtungen nicht bewahrheiten, und beten, dass das Ganze schnellstmöglich endet - auch schon vor September 2016.
Die Not, zu diesem letzten Mittel des Quantitative Easing (QE) zu greifen, ist aktuell nicht gegeben: Die Wirtschaft nimmt dank des billigeren Öls und des schwächeren Euro an Fahrt auf, eine Deflation droht nicht. Nun argumentiert so mancher, dass nach Jahren des Stop-and-go-Wachstums eine Überdosis Stimulus nicht schlecht sein muss. Aber auch ein Zuviel kann mächtig schaden. Nicht zuletzt steigt durch eine zu aktivistische, prozyklische Geldpolitik die Gefahr finanzieller Boom-Bust-Zyklen. Welcher Schaden da droht, hat die Finanzkrise bewiesen.
Vor allem aber sind Staatsanleihekäufe kein geldpolitisches Instrument wie jedes andere, zumal in einer Währungsunion. Sie verändern vor allem auch die Spielregeln: Die EZB droht immer mehr zum Kreditgeber der letzten Instanz für die Euro-Staaten zu mutieren - eine Rolle, die sie nicht einnehmen darf. Der laxe Umgang der EU-Kommission mit dem notorischen Defizitsünder Frankreich muss für die EZB ein Alarmsignal sein.
Auch deshalb ist es nicht nur irrsinnig, sondern auch fahrlässig, wenn jetzt gar schon über eine Ausweitung der Käufe - Stichwort: QE2 - spekuliert wird. Die EZB muss sich auch hüten, zum Spielball der Märkte zu werden. Und schon jetzt gibt es Zweifel, ob sie überhaupt halten kann, was sie verspricht: Viele Investoren werden nicht verkaufen können oder wollen. Vielleicht nicht anfangs, aber mit der Dauer kann das zum großen Problem werden. Sicher, letztlich ist alles eine Frage des Preises. Aber die EZB kann und darf kein Interesse haben, Mondpreise zu zahlen.
Jetzt, da die EZB die rote QE-Linie überschreitet, ist die einzige Hoffnung, dass sich der positive Trend der Wirtschaft festigt. Ist das der Fall, sollte EZB-Chef Mario Draghi nachdenken, wie lange er dieses Spiel spielen will. Im Oktober hat er selbst gesagt, die Ausweitung der Notenbankbilanz sei kein Selbstzweck. Sie sei nur ein Instrument - und entscheidend sei stets der Ausblick für die Inflation. Wenn sich dieser früher aufhellt, sollte die EZB nicht apodiktisch am QE-Ziel festhalten. Dann muss sich Draghi seiner eigenen Worte erinnern.
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