Asylstatistik 2023: Jedes dritte Gesuch stammt von einem Kind
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Zürich, 15. Februar 2024 – Anlässlich der heute veröffentlichten Asylstatistik 2023 des Staatssekretariats für Migration ruft Save the Children Schweiz in Erinnerung: Wenn wir über Asylsuchende und Flüchtende sprechen, reden wir auch von Kindern. Im Jahr 2023 sind 12'466 neue Asylgesuche von Kindern gestellt worden – das ist mehr als jedes dritte Gesuch in der Schweiz. Viele dieser Kinder gelangen über gefährliche Fluchtrouten nach Europa und leben unter prekären Bedingungen in Schweizer Asylunterkünften.
Von den insgesamt 30'223 neuen Asylgesuchen in der Schweiz im Jahr 2023 stammen 12'466 von Kindern. Bereits in den Jahren 2020-2022 sind zwischen einem Drittel und der Hälfte der neuen Asylgesuche in der Schweiz von Kindern gestellt worden, wie Auswertungen von Save the Children Schweiz basierend auf der Asylstatistik des Staatssekretariats für Migration zeigen. Viele Kinder machen traumatische Erfahrungen oder erleben Gewalt auf der Flucht nach Europa. Der neue Bericht « Hope and Harm» von Save the Children zeigt, dass sich mehr als die Hälfte der schutzsuchenden Kinder auf den Fluchtrouten in Europa gefährdet fühlen. Kinder berichten, dass sie von Grenz- und Polizeipersonal geschlagen oder bedroht wurden. Diese psychisch belasteten Kinder und Jugendlichen benötigen deshalb besonderen Schutz. Doch trotz Bemühungen der Behörden, Betreuungsorganisationen und zivilgesellschaftlichen Organisationen in der Schweiz wird die Unterbringung und Betreuung in Asylunterkünften den Schutzbedürfnissen dieser Kinder oftmals nicht gerecht.
Fehlende Privatsphäre, Angst und Ekel prägen den Alltag der geflüchteten Kinder
Durch die langjährige Programmarbeit hat die Kinderrechtsorganisation Save the Children Einblick in über 80 Asylunterkünfte in der ganzen Schweiz. «Wir sehen, dass vielen Asylunterkünften trotz unterschiedlicher Infrastruktur, Standortbedingungen und Betreuungskonzepten eines gemeinsam ist: Die Kinder sind sehr belastet», sagt Nina Hössli, Leiterin der Schweizer Programme von Save the Children. Die Kinder haben keine Privatsphäre. Sie teilen sich ein einziges Zimmer mit der ganzen Familie oder sogar mit weiteren Familien. Es fehlt an Spielräumlichkeiten und ruhigen Orten, um Hausaufgaben zu erledigen. Zudem berichten Kinder, dass sie Angst gegenüber fremden Menschen in der Unterkunft verspüren und sich vor den mit vielen Personen geteilten sanitären Einrichtungen ekeln. Viele Asylzentren sind ausserdem so abgelegen, dass ein Kontakt mit anderen Kindern oder der Zugang zu Bildungs- und Freizeitangeboten ausserhalb der Unterkunft fast unmöglich ist. «Niemand in der Schweiz möchte, dass Kinder so prekär aufwachsen. Doch genau das ist leider die Lebensrealität von vielen geflüchteten Kindern in der Schweiz. Dabei wünschen sie einfach ein ganz normales Leben, die Schule zu besuchen und Teil der Gesellschaft zu sein», sagt Hössli weiter. Die Erfahrungen von Save the Children werden auch von Berichten der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter, dem UN-Kinderrechtsausschuss und Schweizer Forschenden bestätigt1.
Das Asylsystem in der Schweiz ist seit vielen Monaten am Anschlag: Zu knappe finanzielle Ressourcen, Überlastung und hohe Fluktuation beim Personal, keine verfügbaren geeigneten Unterkünfte und Fachkräftemangel im Sozial- und Gesundheitswesen. Die Ausnahmesituation führt dazu, dass selbst unbegleitete Minderjährige oder Familien mit Kindern mittlerweile in unterirdischen Anlagen oder umfunktionierten Messe- oder Turnhallen untergebracht werden.
Entspannung der Situation ist nicht in Sicht
Durch ihre weltweite Projektarbeit in Konflikt- und Krisengebieten beobachtet Save the Children die Entwicklungen auf den Migrationsrouten nach Europa. Die aktuelle europäische Migrationspolitik hat zur Folge, dass die Fluchtrouten für Kinder immer gefährlicher werden. Eine Entspannung der Situation im Asylwesen ist auch in den kommenden Monaten nicht in Sicht. «Die Schweiz muss sich auf diese Realität einstellen und dringend Lösungen zur Verbesserung der Situation der Kinder anbieten. Eine langandauernde Unterbringung in Kollektivunterkünften, in gewissen Fällen sogar unterirdischen Anlagen, ist nicht die Antwort, die wir schutzsuchenden Kindern geben sollten», so Hössli.
Save the Children fordert deshalb, dass keine weiteren Sparmassnahmen im Asylbereich vorgenommen und Massnahmen zum Schutz der Kinder und der Einhaltung ihrer Kinderrechte verstärkt werden, wie auch der UN-Kinderrechtsausschuss und die NKVF dringlich fordern. Das bedeutet auch, dass Behörden bei Leistungsaufträgen in der Unterbringung und Betreuung von geflüchteten Familien konkrete Massnahmen dazu definieren, finanzieren und deren Umsetzung überprüfen. Zudem müssen genügend Ressourcen zur Einstellung von Fachpersonal zur Verfügung gestellt werden.
Die Kinderrechtsorganisation Save the Children arbeitet seit 2015 im Asylbereich in der Schweiz und unterstützt Asylunterkünfte auf Bundes- und Kantonsebene in der ganzen Schweiz bei einer kindgerechten und sicheren Unterbringung und Betreuung von geflüchteten Kindern, Jugendlichen und Familien. Dies mit dem Ziel, dass geflüchtete Minderjährige vor Gewalt geschützt sind, das Erlebte gut verarbeiten und einfach nur Kind sein können.
Hinweise an die Redaktion:
- Neuer Bericht « Hope and Harm» von Save the Children auf Englisch
1Berichte zur Situation der Kinder in Schweizer Asylzentren:
- Empfehlungen UN-Kinderrechtsausschuss zuhanden der Schweiz
- Berichte der NKVF
- Dissertation Dr. Clara Bombach und Artikel dazu im Tagesanzeiger
Bei Interviewanfragen wenden Sie sich bitte an den untenstehenden Kontakt.
Kontakt Melina Stavrinos Kommunikationsverantwortliche +41 44 267 74 68 melina.stavrinos@savethechildren.ch
Save the Children Schweiz Jedes Kind verdient eine Zukunft – ob in der Schweiz oder auf der ganzen Welt. Mit dieser Überzeugung unterstützt der Verein Save the Children Schweiz seit 2006 kompromisslos und unermüdlich die am stärksten benachteiligten Kinder. In der Schweiz verwurzelt, ist Save the Children seit 1919 die weltweit führende Kinderrechtsorganisation. Dank unserer lokalen Verankerung in 120 Ländern kennen wir die Situation vor Ort, passen unsere Projekte entsprechend an und können im Notfall unverzüglich helfen. Wir verändern nachhaltig und positiv das Leben von Kindern, besonders in Krisen, auf der Flucht oder in Slums.