Cool Silicon entwickelt "Konfliktlösungs-Technologien" aus Sachsen: Mehr als 60 Unternehmen und Forschungseinrichtungen arbeiten an energieschonenden Chips und Sensoren
Dresden (ots)
In Sachsen werden in den nächsten Jahren auf breiter Front Technologien entwickelt, die den Energieverbrauch von Mikrochips und Informationstechnik deutlich senken. Der im September 2008 von einer Jury des Bundesforschungsministeriums für die Spitzen-Forschung ausgewählte "Cool Silicon-Cluster" von Unternehmen und Forschungseinrichtungen der Mikro- und Nanoelektronik sowie der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) am Standort Dresden startete heute offiziell das vom Bund und dem Freistaat Sachsen unterstützte Groß-Projekt. Der Aufbau der Cluster-Organisation und die Formulierung der einzelnen Projektanträge nahmen seit der Vergabe nur wenige Monate in Anspruch.
"Es gibt einen globalen Konflikt zwischen dem Ziel einer freien Teilhabe von jedermann an weltweiter Kommunikation und dem Ziel des Klimaschutzes. Wir müssen es schaffen, den Energieverbrauch in der Informationstechnik so zu verringern, dass diese beiden Ziele nicht kollidieren", sagte heute Prof. Dr. Gerhard Fettweis, der Koordinator des Forschungsprojektes und Inhaber eines Stiftungslehrstuhls für mobile Nachrichtensysteme an der TU Dresden. Was man in Dresden in den nächsten Jahren entwickeln werde, seien deshalb auch "Konfliktlösungs-Technologien".
Nach Ansicht von Sachsens Wissenschaftsministerin Dr. Eva-Maria Stange ist "kaum ein anderer Standort in Europa" für dieses Forschungsvorhaben so geeignet wie Sachsen: "Die Zusammenarbeit zwischen den hier ansässigen Unternehmen, den Hochschulen und Forschungsinstituten, die in diesen Bereichen bereits zur Spitzenforschung gehören, wird nun regional noch stärker gebündelt, Potenziale werden noch besser ausgeschöpft. Damit steigen die Chancen enorm, auf dem Gebiet der Mikro- und Nanotechnologie sowie der Energietechnologie weiter an die internationale Spitze der Entwicklung vorzurücken."
Auch Dr. Wolf-Dieter Lukas, im Bundesforschungsministerium als Abteilungsleiter für Schlüsseltech-nologien zuständig, verspricht sich viel von Cool Silicon: "Wir erwarten vom Spitzencluster einen weiteren Innovationsschub zur Stärkung des Halbleiterstandortes Dresden. Mit dem Schwerpunkt energieeffiziente Elektronik wird von den Beteiligten ein zentrales Zukunftsthema in Angriff genommen." Dr. Lukas übergab heute außerdem Zuwendungszusagen seines Ministeriums für eine Vielzahl von Projekten des Cool Silicon-Clusters. Im Juni dürften die meisten der bisher eingereichten Projekte bewilligt sein. Der Bund als Initiator dieser Spitzencluster-Forschung wird insgesamt 40 Millionen Euro bereitstellen.
Zahl der sächsischen Cluster-Partner wird weiter wachsen
Flankiert wird diese Unterstützung durch den Freistaat Sachsen. Die bisher rund 64 Partner des Clusters können Projektanträge stellen. "Das sächsische Wirtschaftsministerium", so dessen Abteilungsleiterin für Wirtschaftsförderung, Barbara Meyer, "begleitet Cool Silicon mit Technologieförderung. Unser Ziel ist, sächsische Unternehmen damit im globalen Wettbewerb zu stärken." Zusammen mit weiteren Mitteln aus dem sächsischen Wissenschaftsministerium kann so der Cluster in den nächsten Jahren über Anträge auf mehr als 100 Millionen Euro zurückgreifen. Zusammen mit den Beiträgen der Cool Silicon-Partner lässt sich damit ein Gesamtvolumen von deutlich über 150 Millionen Euro erreichen.
Angelegt ist das Forschungsvorhaben auf fünf Jahre. Die Beteiligten rechnen aber damit, dass es auch danach weitergeht. "Die Forschung wird Anwendungen und Produkte nach sich ziehen, also mit Sicherheit auch Arbeitsplätze", meint Heinz Martin Esser, Geschäftsführer der Silicon Saxony Management GmbH, die den Cluster verantwortet und administriert, "und die Zahl der Cluster-Partner wird ebenfalls kontinuierlich anwachsen."
Die drei technischen Leitprojekte von Cool Silicon, hinter denen Dutzende weitere Projekte stehen, wurden heute in Dresden an Beispielen vorgestellt: "CoolComputing", "CoolReader" und "CoolSensornet".
"CoolComputing" - Geringerer Energieverbrauch durch Optimierungen bei Entwurf, Herstellung und Systemintegration
Im Leitprojekt "CoolComputing" wird die gesamte Wertschöpfungskette von Computing-Plattformen unter dem Gesichtspunkt der Energie-Effizienz in den Blick genommen. "Um unser Ziel zu erreichen, werden wir die Bauteile eines Prozessors energetisch optimieren. Das gilt auch für den Schaltungsentwurf und - durch den Einsatz neu entwickelter intelligenter Software - für die Systemintegration unterschiedlicher elektronischer Bauelemente vom Prozessor bis zum Netzteil", sagt Stephan Krüger (GLOBALFOUNDRIES, Dresden), der Leiter des Projektes "CoolComputing". "Früher haben wir nur gefragt: Wie machen wir unsere Chips schneller? Heute fragen wir: Wie machen wir sie energieeffizienter UND schneller? Zu erwarten ist zum Beispiel, dass sich ein gezielt verringerter Energieverbrauch auch positiv auf die Rechengeschwindigkeit auswirken wird." Ein praktisches Beispiel stellt die Entwicklung "hochenergieeffizienter Transistoren auf Basis hoch permittiver Gate-Dielektrika und Metall-Gateelektroden" dar, eines der Ziele des Projektes "CoolComputing".
"CoolReader" - Neue Chancen für Buch und Tageszeitung in der digitalen Welt
Das E-Paper als leichtes und trotzdem robustes Endgerät zur Darstellung digitaler Inhalte ist ein aktuelles Cool Silicon-Thema. In Kombination mit Solarzellen, die an das Produkt angepasst werden, kann das mobile Endgerät über das zellulare Mobilfunknetz digital und drahtlos Zeitungen oder Dokumente empfangen und dennoch nahezu energieautark sein. Das heißt: Für viele Anwendungen ist dadurch ein Aufladen per Steckdose nicht erforderlich.
Online-Zeitungen können so durch die elektronische Zeitung ersetzt werden. Prof. Dr. Frank Ellinger (TU Dresden), Leiter des Cool Silicon-Bereichs Kommunikationstechnik, repräsentiert das Leitprojekt "CoolReader": "Es wird ein neues elektronisches mobiles Endgerät entwickelt, das die Funktion der guten alten Zeitung oder des Buches übernimmt. Es versorgt sich weitgehend selbst mit Sonnenenergie. Dadurch kann der Energieverbrauch im Bereich der visuellen Nachrichtenübermittlung auf etwa ein Drittel gesenkt werden, zum Beispiel weil weniger Papier hergestellt werden muss."
Prof. Ellinger weiter: "Der von uns entwickelte CoolReader soll ein Musterknabe in Sachen Klimaschutz werden." Außerdem sei eines der Ziele dieses Projekts, die Ergebnisse auf andere mobile Endgeräte zu übertragen, um auch dort Energieeffizienz und Nutzerkomfort zu erhöhen, die Kosten für das Gerät jedoch durch Innovationen zu senken: "Daraus ergibt sich ein äußerst viel versprechendes Marktpotential".
"CoolSensornet" - Mitfliegende Schutzengel im Luftverkehr
Sensornetzwerke können zur Überwachung und Lebensdauerbewertung von tragenden Konstruktionselementen eingesetzt werden. Aber sie brauchen Energiezuführung per Kabel. Das macht sie für viele Einsatzmöglichkeiten zu anfällig. Etwa bei Flugzeugen, deren Flügel regelmäßig auf Materialermüdung überprüft werden müssen.
Das dritte Leitprojekt von Cool Silicon widmet sich deshalb der Entwicklung von Sensorknoten mit integrierter akustischer Piezosensorik, die etwa schon bei der Herstellung eines Flugzeugs in die Leichtbau-Flügel aus Kohlefaser-Verbundstoff oder in andere Tragstrukturen fest eingebracht werden. Ihre Energieversorgung ist vollständig autark, weil die notwendige Energie aus den mechanischen Schwingungen der zu überwachenden Tragstruktur selbst erzeugt wird. Der Strom reicht auch dafür aus, um die Messergebnisse fortlaufend per Funk zu übermitteln.
Dr. Dieter Hentschel vom "Fraunhofer-Institut Zerstörungsfreie Prüfverfahren" in Dresden, der dieses Leitprojekt anführt: "Eine solche Überwachung eines Flugzeugs in Permanenz erhöht natürlich die Sicherheit der Flugpassagiere. Sie werden gewissermaßen von mitfliegenden technischen Schutzengeln bewacht."
Dr. Hentschel kann sich auch andere Anwendungen dieser Art vorstellen: "Rotorblätter von Windrädern und Helikoptern, Rohrleitungen, wichtige Teile in Autos, Eisenbahn-Radsätze und Bauwerke können auf diese Weise ständig und mit hoher Zuverlässigkeit zustandsüberwacht werden."
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