WWF: Gewinner und Verlierer 2010
Zürich (ots)
Die Zahl der bedrohten Arten stieg auch 2010 ungebremst, ein Drittel aller untersuchten Tiere, Pflanzen und anderen Lebewesen sind gemäss der Roten Liste der Weltnaturschutz-Union IUCN bedroht. Zu den grössten Verlierern dieses Jahres gehört der Blauflossenthunfisch: Er wurde nicht unter Schutz gestellt, obwohl sein Bestand kurz vor dem Kollaps steht. Hoffnung gibt es hingegen für den Tiger; Staatschefs haben sich in letzter Minute auf einen Rettungsplan geeinigt.
Die Zahl der bedrohten Arten wächst Jahr für Jahr und immer schneller: 18'351 oder 33 Prozent aller Arten gelten laut der IUCN heute als gefährdet. 2009 waren es noch 17'291 Arten, im Jahr davor 16'928. Verschlechtert hat sich die Situation besonders bei den Fischen, dort zeigt die Kurve der bedrohten Arten steil nach oben.
Doch es gibt auch erfreuliche Nachrichten: Einige Arten wurden weltweit unter Schutz gestellt, andere profitieren von bereits umgesetzten Schutzmassnahmen. Der WWF Schweiz stellt Verlierer und Gewinner des Jahres 2010 gegenüber:
Verlierer 2010
Thunfisch Der Blauflossenthun steht vor dem Aus - die Population ist um bis zu 85 Prozent eingebrochen und steht vor dem Kollaps. Trotzdem haben internationale Behörden gleich zwei Chancen verspielt, die bedrohte Art zu retten. Im März dieses Jahres stimmte eine Mehrheit der Vertragsstaaten des Washingtoner Artenschutzabkommens (Cites) gegen ein Verbot für den internationalen Handel mit Blauflossenthun. Eine zweite Chance hat im November die Internationale Kommission zur Erhaltung des atlantischen Tunfischs (ICCAT) vertan: Sie reduzierte die Fangquoten um lediglich 600 Tonnen - zur Rettung wäre eine Reduktion um 6000 Tonnen nötig gewesen.
Wolf Obwohl er international streng geschützt ist und es in der Schweiz nach 15 Jahren Besiedlung erst geschätzte 15 Tiere gibt, soll der Wolf bei uns bald noch schneller abgeschossen werden können. So will es die Mehrheit der Politiker im Nationalrat. In der Herbstsession haben sie beschlossen, die Jagdverordnung zu ändern: Wölfe sollen abgeschossen werden dürfen, wenn sie den Jägern das Wild streitig machen. Um dies zu ermöglichen, soll die Schweiz im Extremfall aus der Berner Konvention ausscheren, die den Wolf und hunderte andere Tier- und Pflanzenarten europaweit schützt.
Feldhase Die Feldhasen werden immer rarer. Schweizweit ist der Bestand auf durchschnittlich 2,7 Hasen pro Quadratkilometer abgesackt. In gewissen Gebieten gibt es sogar ein Rekord-Tief von 1,5 Hasen. Das ist dramatisch, denn bereits eine Dichte von 2 bis 6 Hasen gilt unter Experten als "kritisch". Siedlungen, Strassen, Industrieanlagen und die intensive Landwirtschaft beschneiden den Lebensraum der Feldhasen, und jährlich fallen Hunderte dem Strassenverkehr zum Opfer.
Java-Nashorn Das Java-Nashorn, das Wilderer im vietnamesischen Cat Tien Nationalpark erlegt haben, war eines der letzten auf der Welt. Nur noch auf der Insel Java lebt ein kleiner Bestand von rund 50 Tieren. Gejagt werden die seltenen Säuger vor allem wegen ihrer Hörner. In Asien werden sie als Allheilmittel verkauft, die Nachfrage ist riesig und die Preise auf dem Schwarzmarkt entsprechend hoch: Für ein Kilo Horn werden zwischen 14'000 und 15'000 Dollar bezahlt.
Brillenpinguin Die IUCN führt den Brillenpinguin seit 2010 als gefährdet. Der Bestand der in Südafrika heimischen Tiere hat sich in den vergangenen Jahren stark verkleinert - und der Trend hält an. In ihren angestammten Lebensräumen finden die Tiere wegen der starken Fischerei immer weniger Nahrung. Gefährdet sind die Pinguine aber auch durch Unfälle von Öltankern auf der vielbefahrenen Route vor der südafrikanischen Küste.
Gewinner 2010
Tiger 100000 Tiger lebten noch vor hundert Jahren in den asiatischen Wäldern, heute sind es laut aktuellen Zählungen nur noch 3200. Es war höchste Zeit für einen Rettungsplan. Nun machten Staats- und Regierungschefs den ersten Schritt: Bis in zwölf Jahren soll die Zahl der frei lebenden Tiere auf 6400 verdoppelt werden. Darauf haben sich im November am Tiger-Gipfel im russischen St. Petersburg die 13 Tigerstaaten (Bangladesch, Bhutan, China, Kambodscha, Indien, Indonesien, Laos, Malaysia, Myanmar, Nepal, Russland, Thailand und Vietnam) geeinigt. Die Tigerstaaten verpflichteten sich, die Wilderei konsequent zu verfolgen, den Handel mit Tigerprodukten zu unterbinden und den Lebensraum der Tiger besser zu schützen.
Biber In der Schweiz waren sie ausgerottet, nun sind sie definitiv zurückgekehrt. Laut der jüngsten Zählung leben in den Schweizer Gewässern rund 1600 Biber. Sie besiedeln die Fliessgewässer zwischen dem Bodensee und dem Lac Léman und hinauf bis ins Wallis. Nun wird ihr Lebensraum noch besser geschützt: Das revidierte Gewässerschutzgesetz verpflichtet die Kantone, ihre Gewässer systematisch zu renaturisieren und die grossen Pegelschwankungen unterhalb von Wasserkraftwerken zu verhindern.
Amazonas-Flussdelfin Sie werden von Fischern gejagt und als Köder verwendet, verfangen sich in ihren Netzen oder leiden unter giftigen Stoffen aus der Erdöl- und Goldgewinnung. Zudem zerstören Staudammprojekte ihren Lebensraum. Die Rede ist von den Flussdelfinen in Südamerika. Während Jahren wurden sie von der IUCN deshalb als gefährdete Tierart eingestuft. Genaue Daten über den Bestand der Flussdelfine fehlten aber. Jetzt zeigen Hochrechnungen des WWF, dass noch rund 40'000 Flussdelfine leben - eine erfreuliche Zahl.
Eichelhäher Noch nie wurden bei den Schweizer Vogelwarten so viele Eichelhäher gezählt wie heute. Die Vögel mit den blau-schwarz gestreiften Flügelfedern wandern aus Skandinavien ein, wo im vergangenen Jahr offenbar besonders viele Jungvögel geschlüpft sind. Im Winter, wenn das Futter knapp wird, ernähren sich die Eichelhäher am liebsten von Eicheln, die sie zuvor als Vorräte im Boden vergraben haben. So tragen sie auch zur Fortpflanzung der Eichenbäume bei, denn viele dieser Vorräte bleiben im Boden - und keimen im Frühling.
Zagros-Molch Der Zagros-Molch (Neurergus Kaiseri) ist bunt gemustert - und laut der IUCN-Redlist unmittelbar vom Aussterben bedroht. Seit 2001 ist die Population laut Schätzungen um 80 Prozent auf weniger als 1000 Tiere geschrumpft. Die Molche sind bei Sammlern begehrt und werden über das Internet rege gehandelt. Nun hat die Cites-Artenschutzkonferenz die Notbremse gezogen: Ab sofort dürfen die Tiere aus dem iranischen Zagros-Gebirge nicht mehr in das Ausland verkauft werden. Das gibt der Art die Chance, sich wieder zu erholen.
Kontakt:
Michael Walther, Kommunikationsbeauftragter WWF Schweiz; Tel: 044 297
23 25, E-Mail: michael.walther@wwf.ch