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Schweizer Presserat - Conseil suisse de la presse - Consiglio svizzero della stampa

Media Service: Schweizer Presserat: Anonyme Briefe dürfen nur im Falle sorgfältiger Überprüfung der Quelle publiziert werden (Stellungnahme 3/2017)

Ein Dokument

Bern (ots)

Parteien: Associazione Ticinese dei Giornalisti c. «ticinonews.ch»

Themen: Veröffentlichen eines anonymen Briefs / Sorgfaltspflicht / Quellenbearbeitung

Beschwerde gutgeheissen

Zusammenfassung

Ein anonymer Brief darf nur publiziert werden, wenn die Quelle sorgfältig überprüft worden ist. Damit die Leserschaft Echtheit und Bedeutung eines solchen anonymen Briefs beurteilen kann, muss die Urheberschaft so detailreich dargestellt werden, wie es die Anonymität gerade noch zulässt, befindet der Schweizer Presserat.

Inmitten der Querelen um Entlassungen bei Radiotelevisione Svizzera (RSI) publizierte das Onlineportal «ticinonews.ch» im Februar 2016 einen Artikel mit dem vollständigen Wortlaut eines anonymen Briefs. Diesen hatte offenbar eine Gruppierung von RSI-Angestellten an die Redaktion geschickt. Im Brief forderten die anonym bleibenden Mitarbeiter den Rücktritt des RSI-Managements um Direktor Maurizio Canetta, weil das Unternehmen nur so seinen guten Ruf wiederherstellen könne.

Die Associazione Ticinese dei Giornalisti (ATG), die Tessiner Sektion des Journalistenverbandes Impressum, reichte wegen der Publikation des anonymen Briefs Beschwerde beim Schweizer Presserat ein. Dabei machte sie eine Verletzung von Ziffer 3 der «Erklärung der Pflichten der Journalistinnen und Journalisten» geltend. Diese verlangt, dass letztere nur Informationen und Dokumente veröffentlichen, deren Quellen ihnen bekannt sind.

Die Frage, ob die Redaktion von «ticinonews.ch» die Autoren des anonymen Briefes kennt, lässt sich für den Presserat zwar nicht abschliessend beantworten. Er hält jedoch fest, dass die lapidare Stellungnahme, man habe die Quelle wie üblich auch in diesem Fall überprüft, nicht genügt. Entschliesst sich eine Redaktion nach sorgfältiger Prüfung der Quelle zur Publikation eines anonymen Briefes, soll sie im Artikel angeben, dass ihr die Namen der Verfasser bekannt sind. Zudem sind deren relevante Merkmale bis zur Grenze der Identifizierbarkeit darzulegen. Denn wenn die Leserschaft nicht erfährt, wer und wie viele Verfasser hinter einem anonymen Brief stehen, kann sie weder seine Echtheit noch seine Bedeutung beurteilen. Der Presserat heisst deshalb die Beschwerde gut.

Kontakt:

Schweizer Presserat
Conseil suisse de la presse
Consiglio svizzero della stampa
Ursina Wey
Geschäftsführerin/Directrice
Rechtsanwältin
Effingerstrasse 4a
3011 Bern
+41 (0)33 823 12 62
info@presserat.ch
www.presserat.ch

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