Schweizer Presserat - Conseil suisse de la presse - Consiglio svizzero della stampa
Media Service: Presserat rügt «Corriere del Ticino» wegen mangelnder Recherche (Stellungnahme 54/2019)
2 Dokumente
Bern (ots)
Parteien: X. c. «Corriere del Ticino»
Themen: Wahrheit / Trennung von Fakten und Kommentar / Quellenbearbeitung / Medienmitteilungen / Berichtigungspflicht
Beschwerde in den wesentlichen Punkten gutgeheissen
Zusammenfassung
Falsch über Urteil berichtet
Der Schweizer Presserat hat eine Beschwerde gegen den «Corriere del Ticino» in den wesentlichen Punkten gutgeheissen. Der «Corriere» hatte im Dezember 2018 über einen Freispruch für den Lokalpolitiker Donatello Poggi vor Bundesgericht berichtet: Das Gericht habe festgestellt, dass Poggi den Genozid in Srebrenica nicht verleugnet habe. Laut Presserat war das teilweise falsch.
Gegen den Bericht wurde Beschwerde eingereicht. Der Journalist habe sich nicht minimal bemüht, die Wahrheit zu prüfen, habe lediglich eine Partei zu Wort kommen lassen und nicht alle zur Verfügung stehenden Informationen berücksichtigt. Das Bundesgericht habe im Gegenteil festgestellt, ein Durchschnittsleser müsse Poggis Texte als Verleugnung verstehen. Poggis Recht auf freie Meinungsäusserung wiege aber schwerer und sei zu respektieren, was den Freispruch zur Folge hatte.
Der «Corriere del Ticino» räumte ein, ungenau berichtet zu haben. Er führte jedoch an, die Informationen des Gerichts seien erst später publiziert worden, und die Redaktion habe sie verifiziert.
Der Presserat beurteilt die Nachfrage der Zeitung lediglich beim Beschuldigten Poggi und dessen Anwalt nicht als Verifikation. Dass das Bundesgericht seine Medienmitteilung und das Urteil erst später publiziert hätten, sei irrelevant. Denn eine Nachfrage bei der juristischen Gegenseite oder beim Gericht wäre möglich gewesen. Somit habe die Zeitung einseitig und mit unüberprüften Informationen berichtet. Das verstösst gegen die Pflicht zur Wahrheitssuche.
Der «Corriere del Ticino» hat seinen ungenauen Bericht zudem nicht pflichtgemäss berichtigt. In anderen Beschwerdepunkten sah der Presserat keine Verletzung des Journalistenkodex.
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