Den illegalen Handel mit Tabakerzeugnissen unterbinden
International verpflichtende Tabakgesetzgebung
Schweizer Verantwortung
Bern (ots)
Korruptionsexperte Prof. Dr. Mark Pieth und die Expertin für internationalen Handel, Prof. Dr. Krista Nadakavukaren Schefer (Juristische Fakultät der Universität Basel), legen in einem Gutachten dar, wie Tabakschmuggel und -fälschungen international und in der Schweiz beizukommen ist. Fazit: Die Schweiz kann die Kontrolle, ob Produkte echt und versteuert sind, nicht der Tabakindustrie überlassen. Sie verstösst sonst gegen internationalrechtliche Regelungen. Die Autoren und Prof. Dr. Felix Gutzwiller kritisieren, der bundesrätliche Entwurf einer Tabakgesetzgebung ignoriere die von WHO und EU zwingend geforderte tabakindustrieunabhängige Kontrolle mittels «Track und Trace»-System und schaffe ein Reputations-Risiko für die Schweiz.
Reconnaissance International, die internationale Wirtschaftsorganisation für Authentifizierungs-Technologien, beauftragte Prof. Dr. Mark Pieth und Prof. Dr. Krista Nadakavukaren Schefer, Juristische Fakultät der Universität Basel, mit der Erstellung eines Gutachtens zur Frage, wie der steuerlichen und gesundheitlichen Problematik des illegalen Tabakhandels beizukommen sei. Die Autoren analysieren internationales und Schweizer Recht und zeigen politische Strategien und Massnahmen gegen den illegalen Handel auf. Korruptionsexperte Mark Pieth sagt in Bezug auf die Schweiz: «Es ist erstaunlich, wie laut der Bundesrat in seinem Vorschlag zu einer Tabakgesetzgebung über die Pflicht und die Notwendigkeit schweigt, Tabakprodukte lückenlos zu kontrollieren und zu verfolgen. Der Bundesrat verstösst damit gegen internationalrechtliche Verpflichtungen.» Das sei unverständlich, so Pieth. «Gerade in Anbetracht der Schlüsselposition, welche die Schweiz als Sitzstaat der drei grössten Tabakkonzerne beim Zigarettenschmuggel einnimmt.» Denn: Ein substanzieller Anteil der legal produzierten Produkte werden von der regulären Lieferkette für den Grau- oder Schwarzmarkt abgezweigt. «Die Unternehmen und der Sitzstaat tragen eine besondere Verantwortung, diesen illegalen Handel mit Tabakprodukten zu verhindern», sagt Pieth.
«Track und Trace»-Systeme machen Rückverfolgbarkeit möglich
Die lückenlose Kontrolle und Verfolgbarkeit mittels «Track und Trace»-Systemen ermöglicht Regierungen, die Tabakwaren von der Produktion bis zum Endverbrauch jederzeit zu orten und gleichzeitig zu prüfen, ob die Tabaksteuer entrichtet wurde. Die auf den Zigarettenpackungen anzubringenden technologisch hochstehenden Kontroll- und Sicherheitsmarken sind fälschungssicher. Sie tragen sichtbare und unsichtbare Sicherheitsmerkmale, integriert ist ein kodiertes Identifikationszeichen, welches nur mit einem Spezialgerät lesbar ist und den Behörden den Warenfluss aufzeigt. Die EU hat Massnahmen ergriffen, um ihre Bürger vor den schädlichen Auswirkungen des Tabakkonsums zu schützen. Die revidierte Tabak-Direktive ist seit Mai 2014 in Kraft. Die EU verpflichtet ihre Mitglieder, «Track und Trace»-Systeme einzurichten. Sämtliche Massnahmen sollen unabhängig von der Tabakindustrie sein. Die Staaten haben zwei Jahre Zeit, die Massnahmen umzusetzen.
Die Anforderungen der WHO-Tabakkonvention (FCTC)
Das Gutachten erwähnt den «ernsthaften Interessenkonflikt zwischen den Anstrengungen, die Abzweigung von Produkten auf den Schwarzmarkt zu verhindern und dem Bestreben, Geld zu verdienen». Handelsexpertin Krista Nadakavukaren Schefer sagt: «Angesichts des Gewinnpotenzials des unerlaubten Handels für die Industrie besteht freilich kein Interesse, die Kontrolle an die öffentliche Hand abzugeben. Eine zielgerichtete Interpretation der WHO-Tabakkonvention zeigt aber: Ein «Track und Trace»-System muss unter staatlicher Aufsicht stehen. Dies kann nicht der Tabakindustrie überlassen werden.» Seit 2005 verpflichtet das Rahmenübereinkommen zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (Framework Convention on Tobacco Control, FCTC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Nachfrage nach Tabakerzeugnissen zu reduzieren und das Angebot zu kontrollieren. Artikel 5 Absatz 3 des WHO-Rahmenübereinkommens fordert, jegliche Massnahmen im Kampf gegen den Tabakmissbrauch müssten unabhängig von Eigeninteressen der Tabakindustrie getroffen werden. Die Schweiz hat das FCTC 2004 unterzeichnet, die Ratifizierung steht aus.
Schmuggel- und Fälschungsbekämpfung heisst auch wirksame Tabakprävention
Die Kontrolle der Tabakprodukte spielt zudem eine wichtige Rolle in der Tabakprävention. Prof. Dr. Felix Gutzwiller, Präventivmediziner und Zürcher FDP-Ständerat, erklärt: «Wir müssen uns bewusst sein, dass die Schweiz in der Tabakprävention internationalen Standards weiterhin hinterherhinkt. Nun werden wir im Parlament ein Tabakproduktegesetz diskutieren, welches knapp das Pflichtprogramm einlöst. Es darf nicht sein, dass die Schweiz ausgerechnet jene Kontroll- und Sicherheits-Massnahme aussen vor lässt, welche den Tabakpräventionsmassnahmen überhaupt erst zum Durchbruch verhelfen.»
Schweiz: Untauglicher Entwurf des Bundesrates
Der Schweizer Vorentwurf des Tabakproduktegesetzes (TabPG) lässt jeglichen Verweis auf ein Kontroll- und Rückverfolgungssystem vermissen. Dasselbe gilt für die laufende Revision der Tabaksteuergesetzgebung (TStG). Damit verletzt der Bundesrat die Anforderung des von der Schweiz unterzeichneten WHO-Rahmenübereinkommens und des Zusatzprotokolls zu Schmuggel und Fälschungen. Die Schweizer Tabakgesetzgebung ist deshalb in ihrer aktuellen Fassung unvereinbar mit den internationalrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz als Unterzeichnerin des WHO-Rahmenübereinkommens. Die Gutachter folgern: «Diese Unterregulierung könnte auch anderen Staaten schaden. Das kann sich die Schweiz nicht leisten.» Untauglich sei auch, was der Bundesrat in seiner Antwort auf die Interpellation 14.3062 von Ständerätin Verena Diener (GLP, ZH) ausführte und anlässlich der Eröffnung der Vernehmlassung zum Tabakproduktegesetz angekündigt hatte, nämlich Zigaretten für den Schweizer Markt mit einem «12-stelligen alphanumerischen Code» auszustatten. Dazu Reconnaissance International: «Ein alphanumerischer Code ist nicht mehr als eine sehr leicht fälschbare Zahlen- und Buchstabenreihe.» Er biete nicht die erforderliche Gewissheit, dass das Produkt echt und rechtmässig versteuert sei.
Felix Gutzwiller betont: «Als Sitz der WHO und der grössten Tabakhersteller der Welt müsste die Schweiz das höchste Mass an Integrität anstreben.» Es ist deshalb sicherzustellen, dass die Schweiz ein Kontroll- und Rückverfolgungssystem rechtlich verankert, welches die staatliche Kontrolle der gesamten Lieferkette von Tabakprodukten gewährleistet.
Kontakt:
Prof. Dr. Mark Pieth: Tel. +41 61 267 25 39
Prof. Dr. Krista Nadakavukaren Schefer: Tel. +41 61 267 24 87
Prof. Dr. Felix Gutzwiller: Tel. +41 79 419 32 55