Der faule Kompromiss um die Autobahn A 100 - Leitartikel
Berlin (ots)
Wenn das der Start zu einer stabilen rot-grünen Landesregierung sein soll, dann ist er gründlich misslungen: Der Kompromiss zum geplanten Ausbau der Stadtautobahn A 100 ist nämlich kein Kompromiss, sondern eine Mogelpackung. Sowohl die Wähler der Berliner SPD als auch die der Grünen müssen sich getäuscht fühlen. Es hat im zurückliegenden Wahlkampf wenige Themen gegeben, die die Gemüter bewegt haben und an denen die Unterschiede zwischen den Parteien deutlich erkennbar waren. Die A 100, die mit rund 420 Millionen Euro Bundesmitteln von Neukölln nach Treptow verlängert werden soll, war eines davon. SPD, CDU und FDP waren klar für den Ausbau, Grüne und Linke genauso eindeutig dagegen. Und die Grünen machten ihr Nein zum Ausbau kurz vor der Wahl sogar zum Essential für ein mögliches Bündnis mit der SPD. Es werde eine Koalition nur ohne A 100 geben, so der Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann. Klaus Wowereit, der Regierende Bürgermeister, beharrte genauso hart auf der A 100. Doch nun soll das alles nicht mehr gelten, nun wird darüber schwadroniert, dass man ja "grundsätzlich" für das Bauprojekt sei, gleichzeitig aber will man versuchen, die Bundesmittel umzuwidmen und für den Erhalt von Straßen ausgeben zu dürfen. Und es wird auf Zeit gespielt, das Projekt ist erst einmal verschoben - kein Baubeginn ist terminiert, 2012 und 2013, so die Argumentation, werde aus bundespolitischen Gründen ja auf keinen Fall gebaut. Und dann? Was machen die Grünen, wenn jetzt das Bundesverkehrsministerium die Umwidmung des Geldes ablehnt? Wird dann gebaut, wie Wowereit gesagt hat? Oder platzt dann die rot-grüne Koalition und Wowereit regiert mit der CDU weiter? Und was sagt Wowereit, der sich auch in seiner eigenen Partei so sehr für die A 100 engagiert hat, eigentlich den Menschen im Ostteil der Stadt? Ihnen hat er im Wahlkampf doch immer wieder die Verkehrsentlastung versprochen, von ihnen ist er wohl auch deswegen gewählt worden. Die Fragen machen deutlich: Wowereit - auch die Grünen - versuchen den Menschen einen Kompromiss zu verkaufen in einer Sache, in der ein Kompromiss eigentlich nicht möglich ist. Entweder es wird gebaut oder es wird nicht gebaut, das hätten SPD und Grüne entscheiden müssen. Für eine rot-grüne Regierung lässt dies nichts Gutes ahnen. Es kommen doch schwierige Aufgaben auf den Berliner Senat zu - es muss wieder gespart und die Schuldenbremse eingehalten werden, in der Bildungspolitik sind dringend Verbesserungen erforderlich, es müssen Antworten für die Charité gefunden und endlich eine nachhaltige Integrationspolitik begonnen werden. Da sind klare Antworten und keine Spielereien auf Zeit gefragt. Doch man hat den Eindruck, die Grünen sind so begierig, endlich mitzuregieren, dass man lieber interpretationsbedürftige Kompromisse eingeht, als sich treu zu bleiben. Und in der SPD hat die Parteilinke die Mehrheit, die mit ihrem Wunschpartner regieren will und deshalb solche Spielchen mitmacht. Das aber schadet Berlin, denn es braucht eine handlungsstarke Regierung, die von einer breiten Mehrheit getragen wird.
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