Das Team steht - jetzt muss es liefern - Leitartikel
Berlin (ots)
Nach den Inhalten nun die Personen: Die große Koalition in Berlin macht sich auf den Weg. Die Aufgaben, die warten, sind riesig: die Wirtschaftskraft stärken, Arbeitsplätze schaffen und den sozialen Zusammenhalt nicht aus den Augen verlieren. Nun steht das Personal fest, das all das schaffen soll in den nächsten fünf Jahren. Stellt sich die Frage: Können die das? Das erste Fragezeichen dazu muss man bei der SPD machen. Klaus Wowereit hat es offenbar nicht geschafft, für einen der Kernbereiche einen großen Namen von außen zu holen: die Bildung. Sandra Scheeres, 41-jährige Kita-Expertin der Fraktion, wird nun gleich Senatorin. Damit hat der Regierende zwar wie versprochen eine Frau für die Schul- und Kitapolitik gefunden, aber Scheeres wurde lange Zeit nur als Staatssekretärin gehandelt. Sie wird es schwer haben nach einem Senator Jürgen Zöllner, der in der Bildungsszene als Schwergewicht auftreten konnte - und trotzdem eine Menge Probleme hinterlassen hat. Mit Michael Müller übernimmt der SPD-Parteivorsitzende und ein enger Wowereit-Vertrauter nun das Stadtentwicklungsressort. Müller wird viel Geld zur Verfügung haben und damit mächtig sein. Mit Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos), der weitermachen darf, könnte sich eine Rivalität aufbauen. Beide mögen sich nicht sonderlich. Dilek Kolat, die bisher auch eher im Finanzbereich politisch zu Hause war, muss sich auf dem Gebiet der Arbeitsmarkt- und Integrationspolitik erst einmal beweisen. Und die Union? Sie setzt nicht nur auf bewährte Kräfte, sondern vor allem auch auf neue Gesichter. Mit dem neuen Innensenator Frank Henkel wird der Spitzenmann der Berliner CDU den Kernbereich der Union abdecken: die innere Sicherheit. Henkels Bewährungsprobe wird der nächste 1. Mai werden. Er kann auf eine erfahrene Polizei zurückgreifen. Wenn es ihm wirklich gelingt, das Sicherheitsgefühl der Berliner durch mehr Polizisten auf der Straße und in der U-Bahn zu stärken, wäre das schon eine Leistung. Henkel wird sein Amt sicher ausfüllen, wenn auch mit anderen Akzenten als sein Vorgänger Ehrhart Körting (SPD). Dasselbe gilt auch für Michael Braun als Justizsenator. Henkels Stellvertreter im Parteivorsitz ist Jurist und kennt die Gerichtsszene in Berlin. Braun hat für die CDU zudem die Chance, mit dem Bereich Verbraucherschutz die Union auch als diejenige Partei darzustellen, die sich um die Menschen kümmert. Mit der Entscheidung, den Kreisvorsitzenden aus Marzahn-Hellersdorf, Mario Czaja, zum Gesundheits- und Sozialsenator zu machen, setzt Henkel auch ein Zeichen in Richtung Ost-CDU. Denn im Ostteil der Stadt hat die Union immer noch Potenzial. Der 36-jährige Czaja steht auch für die Verjüngung der Partei, obwohl er schon seit Jahren politisch aktiv ist. Der designierte Fraktionsvorsitzende Florian Graf ist auch erst 38 Jahre alt. Die wichtigste Aufgabe wird aber Sybille von Obernitz übernehmen. Sie führt den von Henkel als "Zukunftsressort" bezeichneten Bereich Wirtschaft, Technologie, Forschung an. Mit von Obernitz konnte Henkel eine versierte Expertin in Sachen beruflicher Bildung für den Senat gewinnen. Von außen, vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag, hat sie vielleicht auch einen frischen, neuen Blick auf die Stadt. Das kann der Politik nur guttun. Das Team steht also - und bietet durchaus Hoffnung für einen Aufbruch. Dazu passt auch eine Personalie jenseits des Senatorenkarussells: Björn Böhning wird Chef der Staatskanzlei. Wowereit hat sich damit für den Maschinenraum der Macht einen Kopf geholt, der deutlich weiter denken kann als bis zum Tellerrand der Tagespolitik. Der Bewältigung des Arbeitsberges kann das helfen.
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