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Tod in der Obhut des Staates - Leitartikel

Berlin (ots)

Nein, man möchte sich an diese Schlagzeilen nicht gewöhnen. Ein Kind ist tot, verhungert unter den vermeintlich wachsamen Augen der Behörden. Ein Kind ist tot, vom Staat in die Obhut von Junkies gegeben. Ein Kind ist tot, obwohl vom Jugendamt beauftragte Sozialarbeiter regelmäßig nach dem Rechten geschaut haben. 150 Kinder, so die Deutsche Kinderhilfe, sterben in Deutschland jedes Jahr an den Folgen von Gewalt und Misshandlung. Umso grauenhafter, wenn dies unter der Aufsicht von Behörden geschieht, die eigentlich eingeschaltet wurden, um gefährdete Kinder zu schützen. Sind sie tatsächlich irgendwann "betriebsblind", wie der für den Fall Chantal zuständige Hamburger Bezirksamtsleiter Markus Schreiber meint? Und wie es der Fall Zoe in Berlin vermuten lässt? Der Fall Zoe - das kleine, misshandelte Mädchen aus Weißensee, das allein zu Hause starb - er wirft Fragen auf. Haben wieder einmal viele hingeguckt, aber niemand hat etwas gesehen? Fest steht, dass das deutsche Jugendhilfesystem ein schwer zu durchschauendes Dickicht ist. Jugendhilfemaßnahmen werden in aller Regel von den Ämtern an freie Träger delegiert, die untereinander in knallharter Konkurrenz stehen. Vom Staat erhalten sie eine Fallpauschale - wie effizient die Hilfe tatsächlich ist, wird jedoch nur unzureichend geprüft. Die Deutsche Kinderhilfe mahnt deshalb schon lange ein Bundesgesetz an, das gemeinsame Fachstandards und regelmäßige Qualitätskontrollen vorsieht, um die Arbeit der 600 deutschen Jugendämter zu vereinheitlichen. Dazu muss auch gehören, im Zweifelsfall eine zweite Meinung einzuholen. Denn oft genug tendieren Sozialarbeiter, die längere Zeit mit einer Problemfamilie arbeiten, dazu, ihre professionelle Distanz zu verlieren und unhaltbare Zustände zu übersehen - von verwahrlosten Wohnungen bis hin zu offensichtlichen Zeichen von Misshandlung, wie im Fall des 2009 in Hamburg verhungerten Babys Lara Mia. Oder wie nun im Fall der knapp dreijährigen Zoe aus Berlin, die offenbar am ganzen Körper Zeichen von Misshandlung aufwies. Letztlich starb sie wohl an den Folgen eines Darmrisses. Wie kommt ein kleines Mädchen zu so einer Verletzung, und was muss es ertragen haben? Dass wohl auch ihr Bruder geschlagen wurde, wie Untersuchungen ergaben, macht den tragischen Fall noch ungeheuerlicher. Ihr Zwillingsbruder erlitt sogar einen Armbruch, Unfall oder nicht - es sind einfach zu viele Verletzungen in einer Familie. Die Mitarbeiter des Jugendamts hätten das Elend sehen - hätten handeln müssen. Und die Kinder rechtzeitig der Familie entziehen. Das zuständige Jugendamt in Pankow hat inzwischen Versäumnisse eingeräumt, Senatorin Scheeres kündigt an, die Berliner Jugendhilfe auf den Prüfstand zu stellen Am 1.Januar dieses Jahres ist das neue Bundeskinderschutzgesetz in Kraft getreten. Es enthält viele segensreiche Ansätze, wie Kindern in Not geholfen werden kann. Einheitliche Fachstandards wie ein verordnetes Vier-Augen-Prinzip für die Jugendhilfe gehören nicht dazu. Wieder eine verpasste Chance.

Kontakt:

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Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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