Eindeutiges Signal
Jochim Stoltenberg über die schwarz-gelbe Regierungskoalition
Berlin (ots)
Sie hatten eine Chance. Sie haben sie kläglich vergeben. Drei Jahre nach ihrem Triumph und ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl ist es - soweit im Politikgeschäft verlässliche Prognosen möglich sind - ziemlich aussichtslos, dass sich Schwarz-Gelb noch einmal berappelt. Am vergangenen Freitag war im Bundesrat einmal mehr die Wende hin zu einer neuen Koalitionsfärbung zu beobachten. Da stimmten gleich zwei CDU-geführte Länder - Sachsen-Anhalt und das Saarland - zusammen mit der SPD für die gesetzliche Frauenquote in Aufsichtsräten. Und als sei das nicht schon neuer Sprengstoff genug, legte Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) noch nach, indem sie ankündigte, mit der SPD für die Einführung eines Mindestlohns zu stimmen. Dem will - wie schon bei der Frauenquote - die CDU-Ministerpräsidentin von der Saar, Annegret Kramp- Karrenbauer, folgen. Gleich drei führende Christdemokraten sind damit demonstrativ von der Berliner Koalition abgerückt und haben sich auf die Seite des politischen Gegners geschlagen. Ein in diesem Ausmaß einmaliger Vorgang. Und damit ein Signal.
Dass Landesregierungen aus Landesinteressen im Bundesrat gegen die Parteilinie stimmen, kommt häufiger vor. So rettete das SPD-regierte Bremen einst Helmut Kohl im Bundesrat und durfte als "Dankeschön" Fregatten bauen. Eberhard Diepgen (CDU) machte Gerhard Schröder zum Sieger im Steuerstreit mit der Union und bekam dafür D-Mark-Subventionen in Milliardenhöhe für Berlin - auch für die Sanierung des Olympiastadions. Die aktuellen Fälle liegen jedoch anders: Da sind keine Landesinteressen ausschlaggebend, sondern politische Überzeugungen.
Und diese künden davon, dass allem offiziellen Getöse zum Trotz der Graben zwischen CDU und SPD immer flacher wird. Dafür sorgt besonders die Union, weil sie eine nach der anderen ihrer bislang hartnäckig verteidigten Positionen räumt. Mal plötzlich wie bei der Energiewende oder der Wehrpflicht, mal in Trippelschritten wie beim Mindestlohn und der Frauenquote. Man kann das als opportunistisch oder orientierungslos kritisieren, wie es die kleine Schar der Konservativen in der Union tut. Aber mit der reinen Lehre sind allenfalls noch Minderheiten in unserer sich so rasant verändernden Gesellschaft zu überzeugen. Das zwingt vor allem die potenziellen Kanzlerparteien CDU und SPD zum Über- und Neudenken alter Positionen. Beide Parteien nähern sich dabei inhaltlich überzeugt oder taktierend einander an. Ganz im Sinne der Wähler, denn jeder zweite wünscht sich eine große Koalition. Am schlimmsten unter die Räder gerät im Wandel der gesellschaftspolitischen Vorstellungen die FDP. Ihre Themen erreichen nicht einmal mehr fünf Prozent der Wähler.
Die CDU setzt deshalb auf eine große Koalition. Nicht aus purem Machtkalkül. Auch weil sie und die SPD sich inhaltlich zumindest nicht ferner sind als Union und Liberale in den letzten drei Jahren. Das kostet beide Profil, kommt aber dem Wählerwillen entgegen. Und der ist bekanntlich alle vier Jahre einmal König.
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