Westerwelles Rat wird selten erhört Jochim Stoltenberg über Anspruch und Wirklichkeit nicht nur der deutschen Diplomatie
Berlin (ots)
Einsicht ist bekanntlich der beste Wege zur Besserung. Dazu hat sich Deutschlands Außenminister Guido Westerwelle endlich einmal durchgerungen. Das furchtbare Blutvergießen in Ägypten sei "eine Niederlage für die Diplomatie", räumte er am Mittwochmorgen im Frühstücksfernsehen im Rahmen seiner selbst gesuchten steten Fernsehpräsenz ein. Westerwelle hätte, wäre er politisch noch ehrlicher gewesen, auch sagen können: "In Ägypten erleben ich und die EU ihre ganze Machtlosigkeit."
Als bislang einzige Ausländerin hatte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton den gestürzten Präsidenten Mursi in der Haft besuchen dürfen. Ihr Bemühen, ihn für eine Beruhigung der explosiven Lage am Nil zu gewinnen, ist ebenso fehlgeschlagen wie Westerwelles Treffen mit Machthaber al-Sisi in Kairo. Statt mäßigend geht der Armeechef scharf eskalierend gegen die Muslimbrüder vor. Wenn nun auch noch Ex-Diktator Mubarak aus der Haft entlassen wird, bestätigt das nur, wie wenig ernst Westerwelle und seine EU-Kollegin genommen werden. Auch ihre Überlegung, auf Ägypten Druck durch die Kürzung von Finanz- und Wirtschaftshilfen auszuüben, wird den Militärs nur ein müdes Lächeln entlocken. Saudi-Arabien ist bereit, mit Milliarden Dollar in die Bresche zu springen. Auch das empfohlene Waffenembargo ist eher ein Placebo für die heimische Öffentlichkeit.
Nicht minder peinlich für Westerwelle ist das Treffen mit Israels Ministerpräsident Netanjahu vor den erneuten Friedensverhandlungen mit den Palästinensern. Nach dem Gespräch lobte Westerwelle Netanjahus Verhandlungsbereitschaft und wertete den Kontakt als große Chance, doch noch zu einer friedlichen Nahost-Lösung zu kommen. Doch kaum war er abgereist, fiel ihm Netanjahu in den Rücken. Mit der Ankündigung eines weiteren Wohnungsbauprojekts im besetzten Gebiet provozierte der israelische Ministerpräsident die Gegenseite, bevor die Gespräche überhaupt begonnen hatten. Dabei hatte Westerwelle einmal mehr eindringlich vor weiterem Siedlungsbau gewarnt. Seine Worte zählen auch in Israel nicht viel.
Wenn es um die Existenz eines Landes wie im Fall Israels oder den Kampf zwischen religiöser und weltlicher Macht geht wie derzeit in den Staaten Nordafrikas, sind Rat und Tat von außen mit dem Ziel, einen Kompromiss zu finden, kaum noch erwünscht. Dann hat die Diplomatie verspielt. Dann dokumentieren Brüsseler Konferenzen oder Westerwelles immer neue Erklärungen nur noch die Ohnmacht gegenüber den Krisen dieser Welt.
Selbst Amerika zeigt sich bei allem Wortgetöse als ohnmächtige weltpolitische Ordnungsmacht. Sie schaut dem Schlachten in Syrien weiter zu, obwohl dort offenbar Giftgas versprüht wird. Das galt für Präsident Obama einmal als rote Linie, deren Überschreiten zum Eingreifen zwinge. Hehre Ankündigungen ohne Folgen sind Phrasendrescherei. Ein schwacher Trost für Westerwelle: Er ist Teil einer wortreichen, aber wirkungslosen Kaste.
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