Keine wirksame Kontrolle/ Ein Leitartikel von Jens Anker
Berlin (ots)
Es gehört zu den jährlichen Ritualen wie der Berlin-Marathon oder das DFB-Pokalfinale im Olympiastadion: die Vorstellung des Jahresberichtes des Rechnungshofes. In akribischer Kleinarbeit tragen die Mitarbeiter die Missstände in den öffentlichen Verwaltungen zusammen. Dabei kommen Jahr für Jahr Verschwendungen von Steuergeld in mehrstelliger Millionenhöhe zusammen.
Doch die Reaktion der Betroffenen ist ebenfalls von Jahr zu Jahr gleich. Sie zucken mit den Schultern und machen weiter wie bisher. Die Freie Universität verteilt 40 Millionen Euro auf geheimen Konten, die sie für notwendige Investitionen nutzen sollte? Na und. Die Rentenkasse verzichtet auf die Rückforderung von zu viel gezahlten Beträgen, wenn sie unter 200 Euro liegen? Was soll's. Die Senatskanzlei bestellt Software, die sie nur in Ansätzen benötigt? Egal. Es handelt sich ja nicht um das eigene Geld, das da verpulvert wird, sondern um das Steuergeld der Berliner.
Der Fortgang der Dinge steht ebenfalls bereits fest. Das Abgeordnetenhaus wird auch diesen Bericht des Rechnungshofes zur Kenntnis nehmen, die einzelnen Verwaltungen werden die Vorwürfe ein bisschen bestreiten - aber eine entscheidende Veränderung wird nicht eintreten. Im kommenden Jahr geht das ganze Theater dann von Neuem los.
Das Grundproblem dafür liegt in der Berliner Verfassung. Der Rechnungshof ist zwar kein Teil der Verwaltung oder der Regierung, also vollkommen unabhängig - aber er ist auch keine Strafverfolgungsbehörde. Das heißt, der Rechnungshof kann nicht mehr unternehmen, als Appelle zu versenden. Lassen die Kritisierten die Rechnungsprüfer abblitzen, dann bleibt das Fehlverhalten folgenlos. Wenn es Berlin mit der Einrichtung eines unabhängigen Kontrollgremiums ernst meint, dann müsste der Rechnungshof auch mit entsprechendem Druckpotenzial ausgestattet werden, sodass sich die Betroffenen nicht davonstehlen können. Es steckt häufig ja gar kein böser Wille hinter den Verschwendungen, oft stammen sie aus lange geübter Praxis, die sich irgendwann verselbstständigt hat und sich in der Trägheit, die Verwaltungen eigen ist, nicht wirksam ändern lässt.
Gerade die große Koalition, die mit ihrer satten Mehrheit das Berliner Abgeordnetenhaus beherrscht, ist aufgefordert, die demokratische Kontrolle des eigenen Handelns zu unterstützen. Dazu braucht es nicht viel, nur ein wenig Willen der politisch Verantwortlichen.
Der Leitartikel im Internet: www.morgenpost.de/127657868
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