Mit der AfD reden, nicht schmollen/ Ein Leitartikel von Hajo Schumacher
Berlin (ots)
Es wäre kein Verlust für die Talkshows, wenn Volker Kauder nicht mehr mitmachte. Der Unions-Fraktionschef hat den Unterhaltungswert einer Phrasendreschmaschine. Dass Kauder sich allerdings weigert, mit AfD-Vertretern zu streiten, offenbart ein höchst fragwürdiges Demokratieverständnis. Wir alle haben in der Schule gelernt, dass Demokratie ein Wettstreit von Meinungen ist, auch von seltsamen, die sind nämlich durch Artikel 5 GG gedeckt. Das Verweigern einer Debatte bedeutet politische Feigheit, die auf mangelndes Selbstbewusstsein schließen lässt. Man wird den Verdacht nicht los, Kauder hat Angst vor der eigenen argumentativen Schwäche.
Ärgerlich an Kauders Hasenfüßigkeit ist vor allem das fundamentale Missverständnis der AfD. Gerade das Ausgrenzen macht die Neuen stark. Das Selbstverständnis der AfD gründet ja auf dem erhabenen Gefühl, unliebsame Positionen zu vertreten, vor denen sich das politisch korrekte Parteien-Establishment drückt. Wer das Gespräch mit der AfD verweigert, der stärkt dieses Robin-Hood-Gefühl noch. Beispiel: Die AfD will den Euro abschaffen. Bürger wollen aber wissen, warum Herr Kauder den Euro behalten will. Wer diese Debatte verweigert, stärkt die Verschwörungstheoretiker. Paradox aber wahr: Ignorieren stärkt den politischen Gegner.
Natürlich ist diese AfD ein komischer Haufen, eher Sekte als Partei. Fakt ist auch: Luckes Leute sind überwiegend keine Neonazis, sondern Bürgerlich-Konservative, sicher auch National- oder Rechts-Konservative, jedenfalls Fleisch vom Fleische der Union. Diese Jägerzaun-Fraktion wurde früher von Eisenfüßen wie Dregger, Kanther, Koch, Merz oder Schönbohm bedient, frei nach der Strauß-Parole: "Rechts von der Union ist nur noch die Wand". Eine bürgerliche Volkspartei muss eben alles anbieten, von Stahlhelm bis Fahrradhelm.
Kauder könnte eine Menge von der SPD lernen, die sich seit Jahren mit der Linkspartei herumschlägt. Spiegelbildlich ist ja rechts nur passiert, was vor zehn Jahren links im Parteienspektrum geschah: Außen am Rand hat sich zusammengerottet, was einen Teil der eigenen Wähler anspricht. Die SPD war gegen die Linkspartei immer dann erfolgreich, wenn sie selbstbewusst aufgetreten ist und nicht einfach nur geschmollt hat.
Eine Regel gilt rechts wie links: Die Wahrheit kommt ans Licht, wenn eine Partei, die nur Opposition kann, in die politische Pflicht genommen wird, wie einst der rot-rote Berliner Senat zeigte. Die Entzauberung des einstigen Wirtschaftssenators Gregor Gysi ging ganz schnell. Ob einst die Grünen, derzeit die Piraten oder immer wieder die Rechtsradikalen - die grausame Realität des Alltags ist der sicherste Weg, Flausenköppe zur Ruhe zu bringen. Wer den politischen Kampf mit Lucke und Co. verweigert, tut der AfD den Gefallen, sich zum Opfer zu stilisieren. Hoffentlich gibt es in der Union ein paar Recken, die diesen Kampfesmut aufbringen. Die Wähler haben ein Recht darauf und die AfD hat es verdient.
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