Gemeinde Turbenthal: Asylantenunterkunft Schmidrüti, Angriff auf die Gemeindeautonomie und die fortgesetzt einseitige Belastung ländlicher Gebiete
Turbenthal (ots)
Gestern war eine Sitzung zwischen dem Gemeinderat Turbenthal und dem Bundesamt für Migration geplant. Vorgesehen war eine gemeinsame Begehung der Armeeanlage Schmidrüti, deren Eignung als Asylantenunterkunft vom Gemeinderat bezweifelt wird. Wie schon eine Sitzung vor zwei Wochen wurde die Zusammenkunft kurzfristig vom Bundesamt für Migration abgesagt. Der Gemeinderat Turbenthal hofft, dass sich in diesem Verhalten nicht die prinzipielle Haltung der Bundesgremien gegenüber den Gemeindebehörden widerspiegelt.
Im Verlauf des Monats Januar wurde der Gemeinderat von dritter Seite darauf hingewiesen, dass das Bundesamt für Migration mit Wissen der zuständigen kantonalen Behörden auf dem Gemeindegebiet eine Asylantenunterkunft plant. Der Gemeinderat empfand es als stossend, dass er und die Einwohner von Turbenthal auf diese Weise vom Unterfangen Kenntnis erhalten mussten. Die Gemeindeautonomie ist eine zentrale Qualität des Staatswesens, ein wichtiger Faktor der Stabilität. Dem Gemeinderat scheint, dass dies gegenwärtig auf kantonaler und nationaler Ebene immer mehr in Frage gestellt wird.
Die Umgehung der Gemeindeautonomie könnte als erster Schritt in ihrer Beschneidung in Sachen temporärer Unterbringung von Asylanten in militärischen Anlagen verstanden werden. Dagegen wehrt sich der Gemeinderat.
Hungerstreiks und Demonstrationen
Der gleiche Grad an Unsensibilität zeigt sich in der Tatsache, dass als Standort die Militäranlage Schmidrüti gewählt werden soll. Schmidrüti hat eine Vorgeschichte, die bei vielen Einwohnerinnen und Einwohner ungute Erinnerungen wecken. Bereits während der Kosovo- Krise vor 13 Jahren erwies sich die ausgediente Lenkwaffenbasis als ungeeignet für die temporäre oder dauernde Unterbringung von Flüchtlingen. Es kam zu Hungerstreiks und Demonstrationen der Betroffenen. Bei den Bundesbehörden ist die Erinnerung daran verblasst, bei der Bevölkerung ist sie hellwach. Fehler sollte man nicht allzu oft wiederholen.
Schon damals ergaben sich Probleme nicht nur aufgrund völlig ungeeigneter Infrastrukturen. Schmidrüti ist auch wegen seiner abgelegenen Lage und der nur rudimentären Anbindung an den öffentlichen Verkehr unzumutbar, denn dadurch stehen rund 30 Einwohner im Kern des Weilers 110 beschäftigungslosen Asylanten gegenüber. Das ist ein problematisches Verhältnis, auch wenn der Gemeinderat ohne weiteres akzeptiert, dass es sich dabei in ihrer grossen Mehrzahl um harmlose Menschen in einer aussergewöhnlichen Situation handelt. Die direktbetroffenen Anwohner wehren sich denn auch vehement gegen eine allfällige Umnutzung der militärischen Anlage. So wurden innert weniger Wochen 1'935 Unterschriften gesammelt, welche am 5. März 2012 dem Turbenthaler Gemeindepräsidenten übergeben wurden.
St.-Floriansprinzip
Im Tösstal bestehen bereits zwei Durchgangszentren für Asylbewerber (Kollbrunn/Bauma), was zusammen mit den normalen Kontingenten, welche die Gemeinden übernehmen, zu einer starken Belastung führt. Die Politik, Asylanten dort zu konzentrieren, wo die Bevölkerungsdichte geringer ist, ist für die Einwohner dieser Regionen unzumutbar. Schwächer besiedelte Gegenden werden zunehmend und gezielt benachteiligt. Das betrifft die Korridore des Fluglärms, den Abbau des Service public und neuerdings eben auch die versuchte Verschiebung der Asylantenströme in diese Gebiete. Man lenkt sie dorthin, wo man am wenigsten Widerstand erwartet. Die Flüchtlingstradition der Schweiz ist eine andere. Sie orientierte sich einst an Augenmass und gerechter Verteilung der Lasten. Das Solidaritätsprinzip wird gegenwärtig ausser Kraft gesetzt.
Der Gemeinderat wird sich deshalb anlässlich seiner nächsten ordentlichen Sitzung mit der Asylantenunterkunft Schmidrüti vor allem als aktuelles kantonales und nationales Phänomen der bequemen Auslagerung heikler Probleme in ländliche Gebiete befassen. Stichworte: Asylantenunterkünfte, Fluglärm, Service public.
Mit diesen Sorgen ist der Gemeinderat nicht allein. Es ist auch die Sorge der Nachbargemeinden von Turbenthal und vieler ländlicher Gemeinden in unterschiedlichen Kantonen. Deshalb fliesst in die Entscheidungsfindung auch die Ansicht der Nachbargemeinden, der Tösstaler Gemeinden und vieler anderer ländlicher Gemeinden ein. Der Gemeinderat wird sich entsprechend vernetzen.
Für die Vernetzung mit anderen ländlichen Gemeinden gibt sich der Gemeinderat einen Zeitraum von einem Monat. Der Gemeinderat plant anschliessend eine Medienkonferenz, in welcher die Entscheide sowohl zur Asylantenunterkunft Schmidrüti als auch zu allfälligen koordinierten Massnahmen in Bezug auf die zunehmende Benachteiligung ländlicher Gebiete durch kantonale und nationale Gremien thematisiert werden.
Bis zu dieser Medienkonferenz wird der Gemeinderat keine weiteren Auskünfte erteilen. Der Gemeinderat bittet die Medien, dies zu akzeptieren. Zur Medienkonferenz wird Sie der Gemeinderat rechtzeitig einladen.
Kontakt:
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Werner Suter
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