Alle Storys
Folgen
Keine Story von Textilmuseum St.Gallen mehr verpassen.

Textilmuseum St.Gallen

"100 Shades of White. Eine Farbe in Mode" im Textilmuseum

"100 Shades of White. Eine Farbe in Mode" im Textilmuseum
  • Bild-Infos
  • Download

Alles andere als eintönig! Der Farbe Weiss kommt in der Mode eine besondere Rolle zu, die die Ausstellung «100 Shades of White» in ihren vielen Facetten beleuchtet. Die Schau ist vom 3. März bis einschliesslich 10. September 2023 im Textilmuseum St.Gallen zu sehen.

Die Farbe des Lichts, der Wolken, des Schnees: Weiss steht für Freude, Reinheit, Unschuld, für den Neubeginn, den Frieden, die Stille, für die Leere und den Tod. Kaum einer anderen Farbe wird ein ähnlicher Symbolgehalt beigemessen, der sich auch in unseren Kleidungsgewohnheiten spiegelt. Weiss wird bei religiösen Feierlichkeiten wie der Taufe, der Kommunion oder der Hochzeit getragen. Aber auch im Alltag lautet der Dresscode weiss – im Beruf, beim Sport oder bei gesellschaftlichen Anlässen.

Nicht immer ist die Bedeutung ausschlaggebend, denn Weiss ist alles andere als eintönig: Die Reduktion der Farbe verleiht weissen Stoffen besondere ästhetische Qualitäten. Das Spiel mit feinsten Nuancen, mit Transparenz, Texturen und raffinierten Schnitten inspiriert Designer:innen seit jeher zu edlen Kleidungsstücken – nicht nur für die Damen. Darüber hinaus ist weisse Wäsche eng mit der Geschichte der Hygiene verbunden und spielt als Unterkleidung eine nicht gering zu schätzende Rolle in der Mode.

Nicht im Dunkeln bleiben soll die besondere Bedeutung weisser Textilien für die Ostschweiz: Hier werfen wir einen Blick auf die kunstvoll in Handarbeit gefertigten Weissstickereien, die in Appenzell-Innerrhoden noch bis ins 20. Jahrhundert eine wichtige Einnahmequelle darstellten. Und wir unternehmen einen Streifzug durch die «weisse Stadt» St. Gallen, deren Aufstieg zum bedeutenden Textilstandort von Anfang an eng mit der Modefarbe verbunden war.

Dresscode: weiss

Weiss spielte in der Geschichte der Mode schon früh eine Rolle. Oft war die Wahl der Farbe der ihr beigemessenen Bedeutung geschuldet und sie wurde bei besonderen Anlässen getragen. Weisse Kleidung galt lange Zeit als Statussymbol, das auf gesellschaftliche Privilegien verwies, denn empfindlich-helle Stoffe konnten nur diejenigen tragen, die nicht körperlich arbeiten mussten wie die „white collar worker“.

Funktionale Gründe sprachen und sprechen ebenfalls für den Dresscode «weiss»: Einst konnten nur ungefärbte Stoffe hygienisch reingehalten werden. Wo immer erhöhte Anforderungen an Keimfreiheit bestanden, wie in der Medizin, kamen weisse Textilien zum Einsatz. Auch heute ist weisse Berufskleidung in Branchen, in denen unter sterilen Bedingungen gearbeitet wird, wie in der Lebensmittelproduktion, im Labor oder in der Chip-Herstellung, verbindlich.

Neben Symbolgehalt, Status und Funktionalität spielen gestalterische Kriterien eine grosse Rolle. Das unbunte Weiss verfügt über eine besondere Ästhetik, die Material, Textur und Schnitt eines Kleidungsstücks hervorhebt, und die Modedesigner:innen bis heute inspiriert. Dies verdeutlichen die Stickerei-Kleider des St.Galler Modelabels Akris ebenso schön wie die Looks des Schweizers Yannik Zamboni ( Maison Blanche). Aber auch der japanische Modedesigner Issey Miyake, der in der Ausstellung vertreten ist, spielt kongenial mit Licht und Schatten, um die dreidimensionalen Strukturen seines Entwurfes zu betonen.

Licht ist ihr Gewand

Weiss, die Farbe des Lichts, steht in der Tradition des Christentums für die Teilhabe am Göttlichen und ist die Farbe der Engel. Es symbolisiert Reinheit und Heiligkeit und erinnert daran, dass die Trägerin, der Träger ein Kind Gottes ist. Weiss ist das Taufkleid, das Chorgewand, das Kommunionskleid, das Brautkleid – und das Totenhemd.

Die Missale Romanum, das amtliche Messbuch von 1570, ordnete die Farben liturgischen Festen im Kirchenjahr zu. Weiss wird bis heute für die Feiern in der Oster- und Weihnachtszeit, für die Feste des Herrn, Marias, der Engel und für die Feste der Heiligen, die nicht Märtyrer sind, verwendet.

Der Farbe Weiss wird auch in vielen nichtchristlichen Religionen eine besondere Bedeutung zuteil, die allerdings je nach Glaubenslehre variiert. Häufig taucht Weiss in Zusammenhang mit der Vorstellung von Reinheit auf, worauf ein kimonoförmiges Gewand aus Washi-Papier verweist, das bei buddhistischen Tempelzeremonien zum Einsatz kommt.

reinweiss

Die Farbe Weiss ist nicht nur mit der Vorstellung von geistiger Reinheit, sondern auch mit der körperlichen Hygiene verbunden. Erfreuten sich die Römer noch einer hochentwickelten Badekultur, so mied man im europäischen Kulturraum Wasser in späteren Jahrhunderten. Reinigende Wirkung versprach man sich von feinen, weissen Leinenhemden, die, wer immer sie sich leisten konnte, unter der Oberbekleidung trug.

Die Vorstellungen von Hygiene und das Wissen um Krankheiten änderten sich im Laufe der Zeit. Man erkannte die gesundheitlichen Vorteile, die ein regelmässiges Bad und saubere Leibwäsche mit sich brachten.

Weiss war lange Zeit die bevorzugte Farbe für Unterwäsche, denn nur ungefärbter Stoff konnte mit chemischen oder mechanischen Verfahren fleckenfrei reingehalten werden. Darüber hinaus war weisse Wäsche, die aufwändig gebleicht und häufig gewechselt wurde, ein Statussymbol wohlhabender Gesellschaftsschichten wie Unterhose, Beinkleid und Mieder aus den kaiserlichen Haushalten von Wilhelm II und Kaiserin Sisi belegen.

Die Gewohnheit, Unterwäsche zu tragen, setzte sich allerdings erst im 20. Jahrhundert allgemein durch. Dazu trugen auf Trikotwaren spezialisierte Textilunternehmen wie Hanro oder Schiesser bei, deren Modelle einen höheren Tragekomfort aufwiesen und die den Anforderungen des modernen Lebens besser entsprachen als die voluminösen, gestärkten Unterkleider früherer Jahrzehnte.

Dunkle Schatten

Weiss wird in vielen Kulturen positiv gedeutet. Die Farbe steht aber auch für Privilegien und die vermeintliche kulturelle oder religiöse Überlegenheit bestimmter Gruppen. Und so ist Weiss auch ein Symbol für Diskriminierung, Rassismus und Gewalt, wie sie die Kutte des Ku-Klux-Klans in einer ihrer schlimmsten Formen signalisiert. Die Vorstellung von der Überlegenheit des «weissen Mannes» rechtfertigte missionarische und koloniale Bestrebungen. Diese prägen unsere Weltordnung bis heute und beeinflussen das gesellschaftliche Miteinander von Menschen unterschiedlicher Hautfarbe.

Weisswaren «made in Switzerland»

Die Stadt St.Gallen und die angrenzenden Regionen waren über Jahrhunderte ein bedeutender Textilstandort. Früh schon war die Erfolgsgeschichte der hiesigen Industrie mit den modischen Vorlieben für weisse Textilien verknüpft. Ab dem späten Mittelalter begünstigte die Popularität feinster Leinenwäsche den wirtschaftlichen Aufstieg der Stadt St.Gallen, die für ihre hochwertige Leinwand bekannt war und diese grossräumig exportierte. Eine weitere Blütezeit erlebte die Ostschweizer Textilindustrie im 19. Jahrhundert, als Weisswaren in grossem Stil nachgefragt wurden. Die Einführung der Stickmaschine ab 1850 erlaubte die Massenproduktion der «St.Galler Spitze», die in der Modewelt ausgesprochen populär war.

Weiss auf Weiss

Im Ostschweizer Kanton Appenzell Innerrhoden verzichtete man weitgehend auf die Einführung der Maschine und spezialisierte sich auf kunstvoll in Handarbeit gefertigte Weissstickereien. Feinste Taschentücher, zarte Krägen und andere textile Schmuckstücke wurden als teures Luxusgut gehandelt, wobei die Appenzellerinnen, die die Kostbarkeiten in langen Stunden mühevoller Heimarbeit schufen, kaum davon profitierten. Nichtdestotrotz trug der schmale Lohn der Frauen und Mädchen massgeblich zum Haushalteinkommen bei. «D Fraue ond Saue ehaltid s Land» hiess es lange Zeit in dem Kanton, dessen Bewohnerinnen erst 1990 das Stimmrecht auf kantonaler Ebene erhielten.

100 Shades of White

In der Ausstellung sind Kostüme, Accessoires, Modefotografien und Werbeplakate zu sehen, darunter prominente Stücke wie der Tennisdress, den Roger Federer 2008 in Wimbledon trug. Anhand von mehr als 100 Objekten gewährt «100 Shades of White» Einblicke in die Mode- und Kulturgeschichte einer lichten Farbe, die auch schwarze Schatten wirft.

Ergänzend zur Ausstellung «100 Shades of White. Eine Farbe in Mode» ist in der Lounge des Textilmuseums die Installation GOLD _ Zimmer #0 der Künstlerin Alessandra Beltrame zu sehen. Weitere Informationen zur Ausstellung «100 Shades of White. Eine Farbe in Mode» und zu den Begleitveranstaltungen finden Sie auf unserer Website.

Textilmuseum St. Gallen
Vadianstrasse 2
9000 St. Gallen
Schweiz
 
info@textilmuseum.ch
www.textilmuseum.ch