TARMED-Eingriff vergrössert Defizit im spitalambulanten Bereich - Pauschalen an den Schnittstellen bringen mehr Effizienz und Qualität
Bern (ots)
Mit dem drohenden Tarifeingriff des Bundes in die ambulante Tarifstruktur TARMED wird sich das Defizit in den Spitälern und Kliniken im spitalambulanten Bereich weiter vergrössern. Die Tarifeinschränkungen bei Kindern, Notfällen, chronisch Kranken und in der Psychiatrie sind problematisch. H+ Die Spitäler der Schweiz zeigt an der Jahresmedienkonferenz Möglichkeiten auf, wie mit Pauschalen für Leistungen an den Schnittstellen zwischen dem stationären und ambulanten Bereich die Effizienz und die Behandlungsqualität verbessert werden können.
Die Spitäler und Kliniken nehmen neben den Hausärzten und Spezialisten eine tragende Rolle in der Grundversorgung ein. Rund 40 Prozent der ambulanten Leistungen werden in Spitälern und Kliniken erbracht. Doch die ambulante Tarifstruktur TARMED hinkt den reellen Kosten in den Spitälern und Kliniken sowie in den Arztpraxen schon seit Jahren hinterher. Grund dafür ist die seit über zehn Jahre dauernde Blockadesituation zwischen Leistungserbringern und Versicherern, die eine Gesamtrevision des TARMED durch alle Tarifpartner verunmöglichte. Mit dem im März angekündigten Eingriff des Bundesrats in den aktuellen TARMED wird die Situation nicht verbessert. H+ Präsidentin Isabelle Moret betont an der H+ Jahresmedienkonferenz: "Der Tarifeingriff des Bundes raubt den Tarifpartnern jegliches Interesse, partnerschaftliche Lösungen für einen neuen ambulanten Tarif zu finden." Besser wäre von der stationären Tarifstruktur und der professionellen Organisation SwissDRG zu lernen. Dort klappt die Tarifpartnerschaft seit Einführung des Fallpauschalensystems 2012 gut. Moret unterstreicht, dass H+ auch weiterhin alles daran setzen wird, eine sachgerechte und kostendeckende ambulante Tarifstruktur zusammen mit den Tarifpartnern zu erarbeiten.
H+ Direktor Bernhard Wegmüller hebt an der Konferenz hervor, dass mit dem Tarifeingriff des Bundes sich das Defizit im ambulanten Bereich der Spitäler und Kliniken von derzeit rund CHF 600 Mio. pro Jahr auf rund CHF 900 Mio. erhöhen wird. Kritisch ist der vorgesehene Eingriff besonders in der Notfall-, Alters- und Kindermedizin sowie in der Psychiatrie, da aufgrund der vorgesehenen zeitlichen Limitationen die Ärzte weniger Zeit aufwenden können. H+ befürchtet deshalb auch Einbussen bei der Behandlungsqualität. Bernhard Wegmüller betont, dass die Spitäler und Kliniken für die Aufrechterhaltung der Notfallversorgung auch die Notfallpauschale abrechnen dürfen sollen. Die Spitäler und Kliniken erbringen mit ihren Notfallstationen und ambulanten Notfallpraxen rund um die Uhr, an 365 Tagen so genannte Vorhalteleistungen, indem Pflegepersonal, Ärzte und andere Fachpersonen immer zur Verfügung stehen. Diese Leistung kostet und muss abgegolten werden. Die von H+ eingereichte datenbasierte Totalrevision würde alle diese offenen Punkte klären.
Für Leistungen an der Schnittstelle zwischen stationärem und ambulantem Bereich schlägt H+ spitalambulante Pauschalen vor, welche die Effizienz und Behandlungsqualität steigern. Im Bereich Akutsomatik können One-Day-DRG diesen Zweck erfüllen, für die Psychiatrie leistungsbezogene tagesklinische Pauschalen und in der Rehabilitation Pauschalen für ambulante Behandlungsprogramme. Mit sachgerechten und kostenbasierten Pauschalen würde der Trend der Verschiebung von stationären Leistungen in den ambulanten Sektor unterstützt. Zudem sieht H+ die Chance, mit spitalspezifischen Pauschalen für Leistungen an den Schnittstellen von stationär zu ambulant die Tarifpartnerschaft wiederzubeleben.
Werner Kübler, Direktor des Universitätsspitals Basel und H+ Vizepräsident, zeigt anhand von konkreten Beispielen auf, in welchen Bereichen spitalambulante Pauschalen möglich sind und führt an der H+ Jahresmedienkonferenz aus: "In der Schweiz könnten mehr Eingriffe ambulant statt stationär durchgeführt werden, wie beispielsweise das Entfernen von Krampfadern oder die OP eines Leistenbruchs. Im internationalen Vergleich hinkt die Schweiz hinterher. Der aktuelle TARMED setzt wegen der nicht kostendeckenden und unsachgerechten Vergütung zu grosse Fehlanreize. So werden die Eingriffe teilweise stationär statt ambulant durchgeführt." Weiter weist er darauf hin, dass für die Verschiebung von stationären Leistungen in den ambulanten Bereich bestimmte Spielregeln gelten müssen. Wichtig für die betroffenen Patientinnen und Patienten ist, dass medizinische Kriterien und nicht finanzielle oder politische Erwägungen über die Wahl der stationären oder ambulanten Behandlung entscheiden. Zudem darf es keine bürokratischen Kostengutsprache-Verfahren geben. Dies ist weder im Sinne der Patienten noch verbessert es die Qualität.
Matthias Mühlheim, Administrativer Direktor der Reha Rheinfelden und H+ Vizepräsident, stellt an der Medienkonferenz bereits umgesetzte Pauschalen in der ambulanten Rehabilitation vor. Diese kommen vor allem bei intensiven, multidisziplinären Reha-Programmen sowie bei Tageszentren zum Einsatz, jedoch noch nicht flächendeckend. Matthias Mühlheim weist auf die Problematik der Finanzierung hin: "Aufgrund der unterschiedlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen kann ein stationärer Aufenthalt eines Patienten für die Krankenkassen attraktiver sein als ein ambulantes Behandlungsprogramm, da bei stationären Aufenthalten der Kanton mitfinanziert. Das ist auch volkswirtschaftlich problematisch und führt zu Fehlanreizen."
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