BFS: Dritter Bericht zur Gleichstellung von Frau und Mann
(ots)Dritter Bericht zur Gleichstellung von Frau und Mann Stillstand auf dem Weg zur Gleichstellung
Zwar konnte in den neunziger Jahren eine eindeutige Verbesserung der Situation von Frauen im Vergleich zu derjenigen von Männern festgestellt werden, seit der Jahrtausendwende deutet Vieles aber auf eine Verlangsamung oder gar einen Stillstand dieser Entwicklung hin. Vor allem im Bereich der Lohnunterschiede und der politischen Vertretung, aber auch bei der Aufteilung der Haus- und Familienarbeit, bei der Erwerbssituation und sogar im Bildungsbereich scheint sich kaum etwas zu bewegen. In seinem dritten ausführlichen Bericht zur Gleichstellung von Frau und Mann zieht das Bundesamt für Statistik (BFS) Bilanz in Sachen Gleichstellung. Über die betrachteten Lebensbereiche hinweg können nur gerade zwei eindeutige Vorteile für die Frauen gegenüber den Männern ausgemacht werden: Frauen werden im Durchschnitt älter als Männer und Frauen kommen deutlich weniger häufig mit dem Strafrecht in Konflikt. In den meisten Lebensbereichen zeigen sich aber klare Vorteile für die Männer. Im Bildungsbereich bestehen für Frauen immer noch wichtige Defizite Frauen verfügen häufiger als Männer über keine nachobligatorische Bildung (2002: 23% der 25-64-jährigen Frauen und 14% der Männer) und höhere Abschlüsse werden mehrheitlich von Männern erworben. Die Bildungsunterschiede haben im Laufe der Zeit abgenommen. Vor allem auf der Tertiärstufe bestehen sie nach wie vor, obwohl der Frauenanteil zumindest bei den Studienanfängern und anfängerinnen zugenommen hat. Für beide Geschlechter nehmen die Abschlussquoten zwar kontinuierlich zu, ohne dass sich jedoch der Abstand zwischen ihnen verringern würde. Seit 1991 bleibt dieser bei rund 16 Prozentpunkten. Zudem ist die Berufs - sowie die Studienfächerwahl in der Schweiz immer noch stark geprägt von geschlechtlich fixierten Zuschreibungen. Bei der Erwerbsarbeit sind Frauen schlechter gestellt als Männer Seit den sechziger und noch deutlicher seit Anfang der neunziger Jahre ist die Erwerbsquote der Frauen zwischen 15 und 64 Jahren gestiegen (2003 beträgt sie 74%; für Männer 88%). Mehr als die Hälfte der erwerbstätigen Frauen arbeiten jedoch Teilzeit, gegenüber jedem zehnten Mann. Vor allem Mütter mit Kindern unter 15 Jahren sind heute viel häufiger erwerbstätig als noch vor 10 Jahren. 7 von 10 Frauen sind Angestellte ohne Führungsfunktion; bei Männern sind es 5 von 10. Frauen müssen sich öfter mit atypischen und entsprechend prekären Arbeitsbedingungen auseinander setzen wie kurze Vertragsdauer, Minimalarbeit oder Arbeit in Privathaushalten. Zudem sind Frauen im Verhältnis stärker von Erwerbslosigkeit betroffen als Männer (Erwerbslosenquote 2003: Frauen 4,5%; Männer 3,8%). Die Lohnunterschiede stagnieren Die Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern sind zwischen 1994 und 1998 stetig zurückgegangen: In der Privatwirtschaft von 24% auf 21%; in der öffentlichen Verwaltung von 13% auf 10%. Zwischen 1998 und 2002 verharren sie aber praktisch auf demselben Niveau (21% bzw. 11%). Sie bleiben durch alle Branchen und für alle Anforderungsniveaus des Arbeitsplatzes, aber auch bei gleicher Ausbildung und gleicher beruflicher Stellung sowie gleich langer Betriebszugehörigkeit bestehen. Der Anteil Frauen an den Niedriglohnbezügern/innen ist viel höher als derjenige der Männer: Im Jahr 2002 haben 11% der Vollzeit erwerbstätigen Frauen, aber nur 2% der Männer einen Lohn bis maximal 3000 Franken netto im Monat bezogen. Familienfrauen sind finanziell oft stark abhängig von ihrem Partner Die Erwerbsarbeit wird in Familienhaushalten meist ungleich verteilt. Nur gerade gut jeder zehnte Paarhaushalt mit Kindern unter 15 Jahren kennt ein ausgeglichenes Verhältnis. In 33% arbeitet die Partnerin neben der Vollzeit-Erwerbstätigkeit des Partners mit einem kleinen Teilzeitpensum unter 50% und in 15% mit einem grösseren Pensum zwischen 50 und 89%. Gut ein Drittel (36%) wählen das so genannte «Ernährermodell». In Paarhaushalten mit Kindern leistet die Partnerin je nach Anzahl Kinder einen Beitrag von 12% bis 19% des Haushaltseinkommens. Obwohl in den Haushalten meist ein gewisser Ausgleich der geschlechtsspezifischen Einkommensdifferenzen statt findet, hat die ungleiche Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit eine weitgehende Abhängigkeit der Familienfrauen vom Einkommen ihrer Partner zur Folge. Neben den niedrigen Löhnen, sind Frauen nicht zuletzt deshalb bezüglich sozialer Sicherheit in allen drei Säulen unterdotiert; sie vermögen ihre Benachteiligung in den beiden ersten Säulen - in Folge der unterschiedlichen Integration in die Arbeitswelt auch nicht durch die 3. Säule auszugleichen. Die Haus- und Familienarbeit bleibt weiterhin ungleich verteilt Seit 1997 sind keine grossen Veränderungen bei der Verteilung der Haus- und Familienarbeit fest zu stellen. Frauen übernehmen mit durchschnittlich 31 Stunden pro Woche den weitaus grösseren Teil der Haus- und Familienarbeit als Männer mit 17 Stunden. Je nach Lebenssituation ändert sich dieser Aufwand beträchtlich. In Familienhaushalten mit Kindern unter 15 Jahren wendet die Partnerin durchschnittlich 54 Stunden pro Woche für Hausarbeit und Kinderbetreuung auf; Partner in solchen Familienhaushalten investieren 24 Stunden. Trotz einseitiger Aufgabenverteilung arbeiten Männer und Frauen in vergleichbaren Lebenssituationen unter dem Strich (bezahlt und unbezahlt) etwa gleich viel. Die Gesamtbelastung durch Erwerbs-, Haus- und Familienarbeit liegt für Frauen und Männer in Familienhaushalten bei rund 67 Stunden pro Woche, für allein erziehende Frauen mit Kindern unter 15 Jahren ist sie mit 68 Stunden pro Woche am höchsten. Politische Vertretung der Frauenanteil auf kantonaler Ebene wächst nur noch wenig In den letzten Jahren hat sich die Frauenvertretung nur noch gering verbessert. Bei den jüngsten Nationalratswahlen stieg der Frauenanteil um 2,5 Prozentpunkte auf 26%; im Ständerat beträgt er 24%. In den kantonalen Parlamenten liegt er gegenwärtig bei 24% und in den kantonalen Regierungen bei 22%. Der Frauenanteil im Nationalrat und in den kantonalen Parlamenten ist je nach Partei sehr unterschiedlich. Bei den Nationalratswahlen 2003 erreichten die SPS einen Frauenanteil von 46% und die Grünen einen Anteil von 50%. Ebenfalls verbessert hat sich der Frauenanteil bei der CVP (32%). Demgegenüber stagniert er bei der FDP (19%) und geht bei der SVP gar auf 5,5% zurück. Frauen sind in mehrfacher Hinsicht benachteiligt Frauen sind stärker als Männer von schwierigen Lebenssituationen betroffen, sei es in Bezug auf die Rollenteilung im Haushalt und die damit zusammenhängende Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder sei es bezüglich der Betroffenheit von Armut. Sie sind ebenfalls öfter mehrfach benachteiligt als Männer. Unter den Problemgruppen, die von einer Häufung schlechter Lebensbedingungen und Unzufriedenheit in verschiedenen Lebensbereichen betroffen sind, stechen die Alleinerziehenden am deutlichsten heraus. Frauen auf Arbeitssuche, ausländische Staatsangehörige beider Geschlechter, Frauen in Dienstleistungs- und Verkaufsberufen, Männer ohne nachobligatorische Ausbildung, solche aus der italienischen Schweiz sowie Väter und Mütter in Familienhaushalten mit Kindern sind ebenfalls mehrfach benachteiligte Gruppen.
Welches sind heute in der Schweiz die wesentlichen Unterschiede der Lebensbedingungen von Frau und Mann? Haben sich diese seit unserem ersten Bericht von 1993 und dem zweiten von 1996 verändert? Wie weit ist die seit gut zwanzig Jahren verfassungsmässig garantierte Gleichberechtigung der Geschlechter in den verschiedenen Lebensbereichen verwirklicht? Der vorliegende dritte Bericht zu den Lebensbedingungen von Frauen und Männern in der Schweiz liefert Ansätze zur Beantwortung solcher Fragen. Der erste, deskriptive Teil gibt eine nach Geschlecht differenzierte Übersicht über die Eckdaten in den 12 Bereichen Demografie, Bildung, Wissenschaft und Technologie, Erwerbsarbeit, materielle Ressourcen und Erwerbseinkommen, soziale Sicherheit, Haushalt und Familie, Gesundheit, Freizeit, politische Vertretung, soziale Partizipation, persönliche Sicherheit und Kriminalität. Einige Indikatoren im internationalen Vergleich und Resultate zu Einstellungsfragen bezüglich Gleichstellung von Frau und Mann respektive Diskriminierung von Frauen in der Gesellschaft schliessen den ersten Teil ab. Im zweiten Teil der Publikation werden vier Themen vertieft behandelt, welche in der aktuellen Diskussion um Gleichstellungsfragen besonders interessant sind: Die Rollenteilung zwischen Partnerin und Partner im Haushalt, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Mehrfachbenachteiligung von Frauen und Männern und die Armutsdynamik unter spezieller Berücksichtigung der Gleichstellungsperspektive.
Die Reihe «Sozialberichterstattung Schweiz» hat zum Ziel, den Zustand und die Veränderungen der Lebensbedingungen und der Lebensqualität der Bevölkerung zu messen, zu beschreiben und zu analysieren. Das Augenmerk richtet sich in den Publikationen dieser Reihe insbesondere auf die ungleichen Lebensbedingungen von Bevölkerungsgruppen. Mit einem regelmässigen und umfassenden «Monitoring» der Gesellschaft durch die Sozialberichterstattung wird ein Beitrag zur Orientierung der interessierten Öffentlichkeit geleistet und zugleich entscheidungsrelevante Information für die Gesellschaftspolitik bereitgestellt.
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Weiterführende Informationen finden Sie auf der Homepage des BFS http://www.statistik.admin.ch
27.11.03