ikr: Regierung verabschiedet Bericht und Antrag zur 20-jährigen EWR-Mitgliedschaft: Positive Gesamtbilanz - EWR als Erfolgsmodell
Vaduz (ots/ikr) -
Die Regierung verabschiedete am 24. März 2015 den Bericht und Antrag betreffend 20 Jahre Mitgliedschaft des Fürstentums Liechtenstein im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Damit möchte die Regierung den Landtag und die liechtensteinische Bevölkerung umfassend über die Erfahrungen der EWR-Mitgliedschaft informieren. Auch nach 20 Jahren EWR-Mitgliedschaft kann seitens der Regierung eine positive Gesamtbilanz gezogen werden. Diese Einschätzung wird durch die Ergebnisse der erstmals durchgeführten Befragungen der Bevölkerung, der Unternehmen und der Verwaltung sowie durch die Stellungnahmen verschiedener Wirtschafts- und Interessenverbände zur 20-Jährigen EWR-Mitgliedschaft bestätigt und wurde in den Bericht und Antrag aufgenommen. "Der EWR-Beitritt stellt einen Meilenstein der jüngeren Geschichte unseres Landes dar. Es ist bemerkenswert, dass die liechtensteinischen Landesbürgerinnen und Landesbürger bereits 1992 einen solchen Weitblick bewiesen haben und auch heute die damalige Entscheidung immer noch unterstützen," so Regierungschef Adrian Hasler.
Grosse Akzeptanz des EWR bei der Bevölkerung und bei den Unternehmen
Die verfolgte Europapolitik wird von der liechtensteinischen Bevölkerung nicht nur akzeptiert, sondern aktiv mitgetragen. Die Umfrage ergab, dass der EWR bei 85 % der befragten Bevölkerung ein positives Bild hervorruft, 74 % den EWR als Erfolgsmodell betrachten und der EWR für 81 % in der Zukunft die beste Option der liechtensteinischen Europapolitik ist.
Auch die Unternehmen bewerten mit 77 % die Auswirkungen des EWR auf den Wirtschafts-standort Liechtenstein als positiv. Der durch den EWR gegebene Zugang zum EU-Binnenmarkt ist für die Unternehmen ein grosser Vorteil und wichtiger Standortfaktor. Vor allem grosse Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern beurteilen den EWR als besonders positiv. Es ist in Erinnerung zu rufen, dass Industrieunternehmen den EWR-Beitritt von Anfang an tatkräftig unterschützt haben und diese Integrationslösung nach 20 Jahren EWR-Mitgliedschaft immer noch befürworten.
Eine ähnliche Einschätzung vertreten die Führungskräfte in der Verwaltung und die EWR-Experten, die sich in ihrem Arbeitsalltag mit EWR-Fragen beschäftigen.
Erfreuliche wirtschaftliche Entwicklung
Die im Grossen und Ganzen erfreuliche wirtschaftliche Entwicklung legt die Schlussfolgerung nahe, dass es gelungen ist, mit der EWR-Mitgliedschaft die guten Rahmenbedingungen Liechtensteins zu erhalten oder gar auszubauen. Der Konkurrenzdruck durch den EWR stellte für einzelne Branchen und Unternehmen eine grosse Herausforderung dar. Es zeigte sich allerdings, dass sich die liechtensteinische Wirtschaft den neuen Aufgaben stellt und die Öffnung des EU-Binnenmarktes zu ihren Gunsten nutzt. Der ungehinderte Zugang zum EU-Binnenmarkt für Waren und Dienstleistungen, der insgesamt 31 Staaten und ca. 500 Mio. Bürger umfasst, hat sich auch in den Exportstatistiken niedergeschlagen.
Stärkung der Eigenständigkeit
Der EWR-Beitritt hat einen wichtigen Beitrag zur eigenständigen liechtensteinischen Aussenpolitik geleistet. Die Wahrnehmung Liechtensteins als souveränes Mitglied der Staatengemeinschaft wurde erhöht. Gleichzeitig ist nicht zu übersehen, dass die Kosten für die Mitgliedschaft im EWR gestiegen sind.
Beziehungen zur Schweiz und zu Österreich
Trotz des Beitritts zum EWR konnten die engen Beziehungen zur Schweiz bewahrt werden. Im Bereich Warenverkehr funktioniert die so genannte Parallele Verkehrsfähigkeit problemlos. Es zeigt sich aber zunehmend, dass der unterschiedliche Integrationsweg von Liechtenstein und der Schweiz aufgrund der unterschiedlichen Regelungen beziehungsweise Regelungsansätze zu Problemen führen kann. Bis heute konnten, soweit erforderlich, immer Lösungen im beiderseitigen Interesse gefunden werden. Zukünftig dürfte dies aber eine noch grössere Herausforderung darstellen. Anders als die Schweiz ist Österreich Mitglied der EU. Durch die gemeinsame Mitgliedschaft im EWR haben die Beziehungen Liechtensteins zu Österreich an Intensität und Tiefe gewonnen.
Liechtenstein-spezifische Lösung für den Personenverkehr
Die bei EWR-Beitritt verhandelten und im Laufe der Mitgliedschaft angepassten Bestimmungen im Bereich des freien Personenverkehrs berücksichtigten die geographischen, demographischen und soziologischen Gegebenheiten in Liechtenstein. Es konnte eine massgeschneiderte Lösung verhandelt werden, die den EWR-Erweiterungen 2004, 2007 und 2014 nicht nur Stand hielt, sondern sogar verbessert werden konnte, da es kein automatisches Auslaufen mehr gibt.
Komplexität und Umsetzungsaufwand
Das EWR-Abkommen enthält auch Rechtsvorschriften, die Probleme und teilweise einen erheblichen Aufwand in der Umsetzung in nationales Recht und in der Anwendung verursachen. Die fortlaufende Entwicklung im EU-Binnenmarkt und die Erweiterung des Rechtsrahmens des EWR-Abkommens stellen zudem eine besondere Herausforderung dar. Die EWR/EFTA-Staaten müssen sich darauf einstellen, dass für die Regulierung und Aufsichtstätigkeit - zur Wahrung der Homogenität und einer effektiven Rechtsüberwachung im EU-Binnenmarkt - zunehmend spezialisierte und von der EU-Kommission losgelöste EU-Behörden eingesetzt werden. Die Abbildung der Rolle solcher Behörden im EWR unter Berücksichtigung der vertraglich verankerten Zuständigkeit der EFTA-Überwachungsbehörde erfordert bislang anspruchsvolle Verhandlungen. Für Liechtenstein bedeutet die zunehmende Regulierungsdichte im EU-Binnenmarktrecht, dass es Einschränkungen in seiner gesetzgeberischen Autonomie in Kauf nehmen muss. Doch die Chancen und neuen Geschäftsmöglichkeiten, die das EWR-Abkommen für Liechtenstein bietet, wie zum Beispiel in den Bereichen Versicherungen, Anlagefonds, Telekommunikation und Zertifizierung, überwiegen.
Grössenverträglichkeit gegeben
Im Vorfeld des EWR-Beitritts wurden teilweise Bedenken geäussert, dass die EWR-Mitgliedschaft einen unverhältnismässigen Aufwand verursachen würde. Nach 20-jähriger Erfahrung kann hierzu eine grundsätzlich positive Bilanz gezogen werden, auch wenn mehr neue Stellen in der Landesverwaltung geschaffen werden mussten als ursprünglich prognostiziert. Es hat sich gezeigt, dass mit der Errichtung der Stabsstelle EWR als zentrale Anlauf- und Koordinationsstelle, der Stärkung der Mission in Brüssel, dem Aufbau von Fachwissen in den Generalsekretariaten und den Amtsstellen sowie dem Einbezug der Interessensverbände das EWR-Abkommen effizient zu administrieren und dabei die Interessen Liechtensteins optimal zu wahren sind. Die Umsetzungsstatistiken der EFTA-Überwachungsbehörde belegen, dass Liechtenstein die Umsetzungsverpflichtungen sehr gut erfüllt.
Kritik am EWR-Abkommen wurde aus den zur Stellungnahme eingeladenen Kreisen teilweise dahingehend geübt, dass der durch den EWR geforderte Wettbewerb gewohnte Praktiken und Abläufe tangiere (beispielsweise öffentliches Auftragswesen) beziehungsweise der staatliche Handlungsspielraum durch die staatlichen Beihilfenregelungen des EWR-Abkommens eingeschränkt werde. Manche Interessensverbände kritisierten zudem die mit dem EWR-Abkommen einhergehende Regelungsdichte.
Bildung und Jugend
Was die Programmteilnahmen, insbesondere im Bereich der Bildungs- und der Jugendpro-gramme betrifft, wurden die Erwartungen weit übertroffen. Gerade dieser Bestandteil des EWR-Abkommens ist für ein europäisches Bewusstsein der Menschen besonders hervorzuheben und als eine langfristige, friedensstiftende und die Lebensqualität erhöhende Investition zu betrachten.
Gute Ausgangslage für weitere Entwicklungen
Zum Abschluss dieser positiven Bilanz der zwanzigjährigen EWR-Mitgliedschaft Liechtensteins kann die Regierung festhalten, dass der Integrationsstatus Liechtensteins derzeit als angemessen bewertet wird. Es darf dennoch die Dynamik in- und ausserhalb des EWR, dabei insbesondere bezüglich der integrationspolitischen Entwicklungen in der EU, in den Ländern der EFTA-Partner und allen voran in der Schweiz, nicht unterschätzt werden. Die Regierung beobachtet die Entwicklungen sehr genau, um bei Bedarf die geeigneten Weichenstellungen vornehmen zu können. "Der EWR hat sich bis heute als geeignete Integrationslösung für Liechtenstein erwiesen und er stellt weiterhin den richtigen Weg für unser Land dar. Trotz dieser guten Ausgangslange müssen wir die Entwicklungen in Europa genau mitverfolgen, um die aussenpolitischen Interessen Liechtensteins auch künftig bestmöglich wahren zu können" so Aussenministern Dr. Aurelia Frick.
Bezug des Berichts
Der Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein betreffend 20 Jahre Mitgliedschaft des Fürstentums Liechtenstein im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) (Nr. 18/2015) kann bei der Stabsstelle Regierungskanzlei (Tel. +423/236 60 35) oder im Internet unter http://www.bua.llv.li/ bezogen werden.
Kontakt:
Ministerium für Präsidiales und Finanzen
Markus Biedermann, Generalsekretär
T +423 236 60 09