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Luzerner Interventionsprojekt gegen häusliche Gewalt LIP wird um zwei Jahre verlängert

Luzern, (ots)

LIP, das Luzerner Interventionsprojekt gegen
häusliche Gewalt, legte per Ende Mai dem Regierungsrat einen
Zwischenbericht vor. In den anderthalb Jahren seit dem Start des
Projektes wurde die Lage im Kanton Luzern analysiert und erste
Massnahmen konnten umgesetzt werden. Vor allem in den Bereichen
Öffentlichkeitsarbeit, Sensibilisierung und Weiterbildung, aber auch
in Bezug auf den Schutz, die Betreuung und die Information der
betroffenen Frauen und Kinder besteht noch ein grosser
Handlungsbedarf. Der Regierungsrat hat deshalb beschlossen, das
ursprünglich auf zwei Jahre befristete Projekt LIP um zwei Jahre bis
Ende 2004 zu verlängern.
Nach dem Start des LIP wurde vorerst der Runde Tisch konstituiert.
Hier treffen sich neben der Projektleitung die Akteurinnen und
Akteure von 12 Behörden und Institutionen, die sich im Alltag konkret
mit gewaltbetroffenen Frauen und deren Kinder und/oder den Tätern
beschäftigen, unter der Leitung der Sicherheitsdirektorin,
Regierungsrätin Margrit Fischer-Willimann.
Die Situation im Kanton Luzern
Im Rahmen des Runden Tisches wurde eine Grobanalyse der Situation
im Kanton Luzern erstellt. Dabei zeigte sich in verschiedenen
Bereichen ein Handlungsbedarf. Vor allem musste festgestellt werden,
dass nach wie vor die betroffenen Frauen und Kinder bei einer
Gewalteskalation gezwungen sind, mit dem Täter in der Wohnung zu
bleiben oder aus der vertrauten Umgebung zu flüchten. Zudem versuchen
die Polizeibeamten und -beamtinnen in der Regel bei einer
Intervention, die Parteien wieder zu versöhnen, und nehmen den
Sachverhalt nur rudimentär auf.
Handlungsbedarf zeigt sich auch bei der Betreuung der betroffenen
Frauen während oder nach einem Polizeieinsatz. Die betroffenen Frauen
und Kinder sind zudem in der Regel nicht umfassend über ihre Rechte
und die Hilfsangebote informiert; dies gilt insbesondere auch für
Migrantinnen. Schliesslich erwies sich das Thema der häuslichen
Gewalt immer noch als ein Tabuthema; die Gewalt in Ehe und
Partnerschaft wird nach wie vor als Familienangelegenheit und
Privatsache angesehen.
Erste Massnahmen umgesetzt
Der Runde Tisch hat den Handlungsbedarf erkannt und verschiedene
Massnahme beschlossen und in die Wege geleitet. So wurden bereits im
Herbst 2001 die sogenannten „Nothilfekarten" herausgegeben. Die
Nothilfekarte für die Opfer beinhaltet eine Auflistung aller
Institutionen und Behörden, bei denen die betroffenen Frauen und
Kinder Hilfe erhalten. Mit der Nothilfekarte für die Täter wird zudem
auf das Angebot der Fachstelle gegen Männergewalt hingewiesen. Von
den Nothilfekarten wurden insgesamt 20'000 Exemplare gedruckt. Die
Nothilfekarten werden bei jedem Polizeieinsatz dem Opfer und dem
Täter abgegeben sowie grossflächig aufgelegt und verteilt. So wurden
unter anderem sämtliche Beratungsstellen, Arztpraxen und Amtsgerichte
im Kanton Luzern damit bedient.
Die grosse Nachfrage nach den Nothilfekarten hat aufgezeigt, dass
im Bereich der Information der betroffenen Frauen und Kinder eine
Lücke bestand, und dass diesbezüglich weitere Schritte in die Wege
geleitet werden müssen. Die Nothilfekarte für die Opfer wurde
zwischenzeitlich in neun Sprachen übersetzt.
Aufklären und sensibilisieren
Im Bereich der häuslichen Gewalt ist aber noch viel Aufklärungs-
und Sensibilisierungsarbeit zu leisten. Ein Schwergewicht wurden denn
auch im ersten Jahr des Projektes auf die Öffentlichkeitsarbeit
gelegt. Bei diversen Medienauftritten und an verschiedenen
Informations- und Präventionsveranstaltungen konnte auf das Thema der
häuslichen Gewalt aufmerksam und das Projekt bekannt gemacht werden.
Eine wichtige Massnahme im Hinblick auf die Ziele des LIP stellt auch
die Sensibilisierung und Ausbildung der Polizeibeamtinnen und
-beamten dar. In einem ersten Schritt wurde daher das gesamte
kantonale und städtische Polizeikorps - in Zusammenarbeit mit dem
Frauenhaus Luzern - über das LIP informiert und es wurden ihnen die
besonderen Gewaltformen, der Gewaltzyklus und die Auswirkungen der
häuslichen Gewalt aufgezeigt. Gleichzeitig wurden die Beamtinnen und
Beamten auch in der neuen Interventionsstrategie der Polizei
unterwiesen. Das Thema der häuslichen Gewalt fand auch Eingang in den
Lehrplan der Zentralschweizerischen Polizeischule in Sempach. Die
Polizeianwärterinnen und -anwärter werden entsprechend der neuen
Interventionsstrategie ausgebildet und für das Thema sensibilisiert.
Detaillierte Tatbestandaufnahme
Die Polizei ist in der Regel als Erste vor Ort. Es ist daher
wichtig, dass den zu Hilfe gerufenen Polizeikräfte wirkungsvolle
Instrumente für die Gefahrenabwehr und Hilfeleistung zur Verfügung
stehen, mit denen die Spirale der Gewalt gebrochen werden kann. Im
Herbst 2001 wurde bei der Kantons- und Stadtpolizei die
Interventionsstrategie bei häuslicher Gewalt einheitlich festgelegt.
Die gerufenen Beamtinnen und Beamten versuchen nicht mehr nur den
Streit zu schlichten, sondern nehmen den Tatbestand detailliert auf.
Zudem soll der Aggressor - wenn immer möglich - aus der Wohnung
entfernt und vorläufig festgenommen werden.
Gute Zwischenbilanz des LIP
Nach einem Jahr LIP konnte ein Teil der geplanten Massnahmen
verwirklicht werden. Vor allem in den Bereichen der
Öffentlichkeitsarbeit, Sensibilisierung und Weiterbildung, aber auch
bezüglich des Schutzes, der Betreuung und der Information von
gewaltbetroffenen Frauen und Kindern besteht nach wie vor ein grosser
Handlungsbedarf. Mit der Intervention in der Krisensituation, der
Betreuung der Opfer und der Verhinderung von weiterer Gewalt allein,
kann der Gewalt gegen Frauen aber längerfristig nicht
entgegengetreten und diese verhindert werden. Es gilt vielmehr, auch
den Ursachen der häuslichen Gewalt nachzugehen und diese zu
bekämpfen. Im Sinne der Prävention sind Veränderungsprozesse im
Bereich der strukturellen Verhältnisse, dem gesellschaftlichen
Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern, dem Rollenverständnis und
dem Umgang zwischen den Geschlechtern anzustreben und einzuleiten.
Der Regierungsrat hat das LIP ursprünglich bis Ende 2002
befristet. Er war sich aber bewusst, dass - wie Erfahrungen aus
anderen Kantonen zeigen - die Begleitung des angestrebten
Kulturwandels hin zu einem verbesserten Opferschutz voraussichtlich
mehr als zwei Jahre in Anspruch nehmen wird. Wichtige Massnahmen sind
sehr zeitaufwändig und können innerhalb von zwei Jahren nicht
abgeschlossen werden.
Die Weiterführung des Projektes LIP wird als sinnvoll und
zweckmässig erachtet. Das LIP hat einen Veränderungsprozess in Gang
gesetzt, der weiter geführt werden soll. Der Regierungsrat des
Kantons Luzern hat daher beschlossen, das LIP um zwei Jahre bis Ende
2004 zu verlängern.
Kastenmeldung zu LIP Luzerner Interventionsprojekt:
Polizeiliche Festnahme bei häuslicher Gewalt
Durchschnittlich interveniert die Luzerner Polizei jeden Monat 15
mal wegen häuslicher Gewalt. Bis anhin war die Interventionsstrategie
der Polizei bei häuslicher Gewalt auf Vermitteln und Deeskalation
ausgerichtet. Der Täter verblieb in der Wohnung, und die betroffene
Frau verzichtete in der Regel - unter dem Eindruck des Ereignisses
und aus Angst - auf das Einreichen einer Strafanzeige. Somit blieb es
beim Schlichtungsversuch der Polizei, welcher gleichsam als
Ersatzhandlung zum Zweck der Deeskalation die noch einzige
Reaktionsmöglichkeit seitens der Polizei darstellte. Diese bisherige
Praxis der Polizei führte aber dazu, dass sich das Opfer nicht
ernstgenommen und sich der Täter in seinem Verhalten bestätigt
fühlte.
Bereits im Herbst 2001 bei Kantons- und Stadtpolizei eine neue
einheitliche Interventionsstrategie eingeführt, die weg vom reinen
Vermitteln zu einem klaren Ermitteln führt. Der Sachverhalt wird
umfassend dokumentiert und die Sach- und Personalbeweise gesichert.
Es wird zudem in jedem Fall ein Interventionsbericht erstellt. Damit
konnte bereits ein erstes wichtiges Ziel des LIP gegen häusliche
Gewalt erreicht werden: Sowohl das Opfer wie auch der Täter werden
ernstgenommen.
Zum Schutz der betroffenen Frauen und Kinder geht der Kanton
Luzern nun noch einen Schritt weiter: Der Täter soll - gestützt auf
die bestehenden gesetzlichen Grundlagen und unter Beizug des
Amtsstatthalters bzw. der Amtsstatthalterin - in der Regel von der
Polizei vorläufig festgenommen werden. Innert 24 Stunden wird der
Täter in der Folge dem Amtsstatthalter bzw. der Amtsstatthalterin
zugeführt. Diese werden jeweils im Einzelfall prüfen, ob der Täter
entlassen werden kann oder in Untersuchungshaft gesetzt wird.
Mit dieser Massnahme wird dem Täter klar aufgezeigt, dass sein
Verhalten nicht toleriert und von den Behörden entsprechend geahndet
wird. Damit wird der Täter in die Verantwortung genommen, was sowohl
im Einzelfall wie auch generell präventive Wirkung hat. Durch die
Entfernung des Täters hat die betroffene Frau zudem Zeit, einen
Strafantrag zu stellen, eine Trennung zu organisieren oder bei einer
Beratungsstelle Hilfe zu suchen.
Diese neue polizeiliche Interventionsstrategie wird in der Stadt
Zürich bereits seit 1998 erfolgreich eingesetzt. Im Jahr 2001 nahm
die Stadtpolizei Zürich 101 Täter in Gewahrsam, nur bei zweien von
ihnen musste die Polizei danach nochmals intervenieren. Diese
Erfahrungen in Zürich zeigen auf, dass es offenbar für die meisten
Täter eine eindringliche Warnung ist, wenn sie mindestens eine Nacht
in Polizeihaft verbringen müssen.

Kontakt:

Rita Gettkowski
Leiterin des LIP Luzerner Interventionsprojekt
gegen häusliche Gewalt
Tel. +41/41/228'59'29

Medienstelle der
Kantonspolizei Luzern
Tel. +41/41/248'80'11

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