Leitplanken für das bundesrätliche Engagement im Abstimmungskampf
Bern (ots)
Bundesrat und Bundesverwaltung dürfen und sollen sich im Abstimmungskampf aktiv engagieren. Das Engagement ist aber an klare Regeln gebunden. Zu diesem Schluss gelangt der Bericht «Engagement von Bundesrat und Bundesverwaltung im Vorfeld von Abstimmungen», den eine von Bundesratssprecher Achille Casanova geleitete Arbeitsgruppe des Bundes verfasst hat. Der Bericht enthält Grundsätze für die Behördeninformation. Der Bundesrat hat davon Kenntnis genommen und sieht dessen Inhalte als grundsätzliche Leitplanken und als Beitrag zu mehr Transparenz in einer staatspolitisch wichtigen Frage.
Die Stellung von Bundesrat und Bundesverwaltung im Abstimmungskampf und der Umfang ihrer Aktivität haben sich im Laufe der Zeit stark verändert. Galt bis vor einigen Jahren im allgemeinen der Grundsatz, dass sich die Verwaltung aus dem Abstimmungskampf heraushalten soll, so haben sich Praxis und Lehre seither gewandelt. Vizekanzler und Bundesratssprecher Casanova hat die Arbeitsgruppe eingesetzt, da die Veränderungen der Praxis der Bundesverwaltung im Vorfeld eidgenössischer Abstimmungen noch nie umfassend studiert worden sind. Der Arbeitsgruppe gehörten Informationsbeauftragte sämtlicher Departemente und weitere Fachleute der Bundesverwaltung an. Der Bericht soll die bisher mangelhafte Transparenz beseitigen und zur politischen Diskussion beitragen.
Auf Grund der Veränderungen im politischen, rechtlichen, gesellschaftlichen und medialen Umfeld hat der Bundesrat den Schritt zu einer aktiven Rolle im Abstimmungskampf bereits vollzogen. Es wäre heute unverständlich, wenn eine Behörde die wichtigsten Geschäfte zwar vorbereiten, dann aber nicht oder nur defensiv begründen dürfte. Eine freie und unverfälschte Meinungsbildung ist nur dann möglich, wenn die Positionen aller relevanten Akteure bekannt sind. Die Auslegeordnung von Wissen, das Aufzeigen von Zusammenhängen, die Begründung des behördlichen Standpunkts sowie der Dialog zwischen BürgerInnen und Staat sind in einer modernen Demokratie zur Voraussetzung für eine möglichst rationale politische Entscheidfindung geworden. Das staatliche Engagement ist aber an strikte Regeln gebunden.
Bundesrat und Bundesverwaltung müssen für die Behördeninformation die Grundsätze «Kontinuität», «Transparenz», «Sachlichkeit» und «Verhältnismässigkeit» einhalten, damit die politische Willensbildung fair und korrekt verläuft.
Im Bericht werden verschiedene Kampagnen der Vergangenheit auf die Verträglichkeit mit den Grundsätzen der Behördeninformation hin analysiert und bewertet. Daraus sind 29 punktuelle und sehr praktische Folgerungen gezogen worden. So erfordert etwa das Transparenzgebot die Publikation aller Ergebnisse von Meinungsforschungen. Die Verwaltung darf auch keine Leserbriefe verfassen und diese Dritten zur Verfügung stellen. In Broschüren müssen die Themen ohne allzu starke Vereinfachungen umfassend erklärt werden. Emotionale und suggestive Wirkungen sind besonders in der Abstimmungsphase zu vermeiden.
Dürfen Bundesrat und Bundesverwaltung unter bestimmten Voraussetzungen auch den Einsatz von kommerziellen Kommunikationsmitteln in Erwägung ziehen (insbesondere Plakate und Inserate)? Die Arbeitsgruppe beschloss, dass auf Kommunikation im gekauften Raum im eigentlichen Abstimmungskampf auch in Zukunft zu verzichten sei. Kommerzielle Kommunikation der Behörden sei aus rechtlichen und staatspolitischen Bedenken in der Phase der Meinungsbildung nicht angezeigt, umso weniger, als der Bundesrat genügend andere Möglichkeiten zur Verfügung hat.
Für Kampagnen, die vor dem eigentlichen Abstimmungskampf stattfinden, können hingegen unter bestimmten Voraussetzungen und ausnahmsweise kommerzielle Kommunikationsmittel eingesetzt werden. Bei diesen so genannten Themenkampagnen geht es einzig darum, Basisinformationen zu vermitteln und einen «Informationsteppich» zu legen, sofern der Aufbau von Sachkenntnissen bei komplexen Inhalten angezeigt ist. Themenkampagnen dürfen nicht unmittelbar in den Meinungsbildungsprozess eingreifen. Sie müssen spätestens dann abgeschlossen sein, wenn der Bundesrat den Abstimmungstermin für eine Vorlage bekanntgibt.
Der Bundesrat hat den Bericht an der Sitzung vom 21. November zur Kenntnis genommen. Er sieht die Inhalte als grundsätzliche Leitplanken und als Beitrag zu mehr Transparenz in einer staatspolitisch wichtigen Frage.
Die Grundsätze für die Behördeninformation
Kontinuität
Die öffentliche Diskussion über eine Vorlage beginnt schon in den Vorbereitungsphasen. Argumente, welche in der parlamentarischen Debatte geltend gemacht wurden, zählen auch im Abstimmungskampf. Die öffentliche Diskussion wird im Abstimmungskampf lediglich weitergeführt. Die Behörden sollen ihre Argumente so früh wie möglich vorbringen, um eine kontinuierliche Meinungs- und Willensbildung zu ermöglichen. Sie dürfen wichtige Informationen nicht zurückhalten. Es ist aber zulässig, das Schwergewicht auf Informationen zu legen, die noch nicht ausreichend vermittelt und nicht genügend wahrgenommen worden sind.
Transparenz
Die Stimmberechtigten müssen erkennen können, wer der Absender einer Information ist. Die Quelle muss immer offengelegt werden. Unzulässig sind verdeckte Behördeninformationen. Der Anschein einer privaten Meinungsäusserung darf nicht erweckt werden, wenn es sich in Wirklichkeit um eine behördliche Stellungnahme handelt.
Falls Abstimmungsunterlagen (z.B. Referate) Dritten zur Verfügung gestellt werden, so müssen die Dokumentationen allen interessierten Personen und Organisationen zugänglich gemacht werden.
Sachlichkeit
Die Stimmberechtigten dürfen mit sachlichen Argumenten überzeugt, nicht aber überredet werden. Unzulässig sind Auftritte, die sich ausschliesslich gegen Personen oder undifferenziert gegen andere Meinungen und Werthaltungen richten.
Die Behörden sollen nicht nur Fakten vermitteln, sondern auch ihren eigenen Standpunkt sachlich vertreten. Negative Auswirkungen einer Vorlage dürfen sie aber nicht verschweigen. Ihre Informationen und Stellungnahmen müssen nach dem Wissensstand der Behörde richtig und vollständig sein. Unsachlich wäre es, gewisse Informationen oder Argumente zurückzuhalten, «falsch» zu gewichten oder nicht im richtigen Zusammenhang vorzubringen.
Verhältnismässigkeit
Die Behörden müssen im Abstimmungskampf verhältnismässig informieren. Das bedeutet einerseits, dass die Information dazu beitragen muss, das Oberziel zu erreichen, nämlich die freie und unverfälschte Meinungsbildung der Stimmberechtigten. Unverhältnismässig sind demnach behördliche Informationen, die nicht zur Verbesserung der Entscheidfindung der Stimmberechtigten beitragen. Anderseits sollten alle Parteien über gleich lange Spiesse respektive gleiche Chancen verfügen. Einseitige Machtausübung, die zur Verfälschung der Ergebnisse führen könnte, ist zu verhindern.
Der Bericht kann bestellt werden bei: Bundeskanzlei, Informationsdienst, Bundeshaus West, 3003 Bern
Der Bericht kann online abgerufen werden unter: www.admin.ch
Kontakt:
Bundesratssprecher Achille Casanova
Tel. +41 31 322 37 03
Schweizerische Bundeskanzlei
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