Sucht Schweiz / Addiction Suisse / Dipendenze Svizzera
Sucht Schweiz Uneinheitliche Umsetzung des Ordnungsbussenverfahrens für Cannabiskonsum
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Lausanne (ots)
Seit dem 1. Oktober 2013 sollte der Cannabiskonsum und -besitz bis zu 10 Gramm durch Erwachsene (BetmG Art. 28b) nicht mehr mit einer Verzeigung geahndet, sondern mit einer Ordnungsbusse bestraft werden. Damit wollte der Gesetzgeber die Grundlage für die Gleichbehandlung aller Cannabiskonsumierenden in der Schweiz schaffen und die Kosten für Verwaltung und Justiz reduzieren. Sucht Schweiz hat in einer neuen Studie im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit erstmals untersucht, ob diese Ziele erreicht wurden. Die Analyse hat grosse Unterschiede im Vollzug zu Tage gefördert.
Die Studie beruht auf der Analyse des neuen Gesetzestextes, der Befragung der Polizei- und Justizdepartemente der 26 Schweizer Kantone sowie der Analyse der Daten zu den Ordnungsbussen und Verzeigungen. Unsicherheiten bestehen bei der Auslegung der Gesetzestexte, die in verschiedenen Bereichen Handlungsspielräume aufweisen. So ist nicht eindeutig, ob das Ordnungsbussenverfahren (OBV) ausschliesslich den Konsum oder auch den Besitz von Cannabis erfasst. Weiter gibt es einen Interpretationsspielraum bei der Frage, welche Polizistinnen und Polizisten zur Ausstellung von Ordnungsbussen befugt sind und welche Rolle zusätzliche Widerhandlungen spielen. In allen drei Bereichen gibt es unterschiedliche Auslegungen, was zu einer uneinheitlichen Praxis im Umgang mit Cannabiskonsumierenden führt. In einigen Kantonen bestehen zudem noch spezielle Kriterien für die Anwendung des OBV wie beispielsweise die Pflicht zur sofortigen Bezahlung oder die Bedingung, in letzter Zeit ansonsten kein Cannabis konsumiert zu haben, was bedeuten kann, dass nur der Erstkonsum mit einer Ordnungsbusse geahndet wird. So macht es weiterhin einen wesentlichen Unterschied, wo man in der Schweiz beim Kiffen erwischt wird.
Ziele nur teilweise erreicht
Das Ziel, den Verwaltungsaufwand und die Kosten zu reduzieren, scheint teilweise erreicht worden zu sein. Seit der Einführung des Verfahrens werden etwa 70% der Fälle mit einer Ordnungsbusse geahndet. Allerdings führt etwa ein Viertel dieser Fälle dennoch zu einem ordentlichen Verfahren, da die Bussen nicht bezahlt werden. Bei diesen Fällen dürften die Kosten für Polizei und Justiz höher ausfallen als früher.
Die Daten zeigen, dass es von Kanton zu Kanton grosse Unterschiede in der Anzahl geahndeter Fälle und in der Bestrafungspraxis (Ordnungsbussen oder ordentliches Verfahren) gibt. Wenn man die Zahlen anschaut, ist es bisweilen schwer vorstellbar, dass alle Kantone dieselben rechtlichen Vorgaben anwenden.
So wird ein freiburgischer Cannabiskonsumierender oft nicht gleich behandelt wie einer im Kanton Bern, vor allem wenn er nur im Besitz von Cannabis ist. Ein Einwohner des Kantons Baselland läuft deutlich weniger Gefahr, für den Konsum von Cannabis bestraft zu werden, als sein Nachbar im Kanton Aargau, und im Wallis hat sich die Anzahl geahndeter Widerhandlungen seit der Einführung des OBV verdoppelt, wogegen die Zunahme in der ganzen Schweiz viel gemässigter ausfällt.
Uneinheitliche Anwendung des vereinfachten Verfahrens Die Ergebnisse der Studie zeichnen also ein zwiespältiges Bild. Die Ordnungsbussen stellen zwar ein vereinfachtes Verfahren zur Ahndung des Cannabiskonsums und -besitzes dar, allerdings führt die uneinheitliche Anwendung dazu, dass die Ungleichbehandlung von Cannabiskonsumierenden teilweise sogar verstärkt wird. Es braucht weitere Untersuchungen, um zu verstehen, welche Faktoren zu einer solch heterogenen Anwendung desselben Gesetzes führen.
Der Schlussbericht mit einer Zusammenfassung auf Deutsch : http://tiny.cc/28gwiy
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