ILL, SEVA und STG haben mit Genugtuung Kenntnis genommen vom Urteil des Schiedsgerichts vom 18.4.2001 (Langfassung).
Basel (ots)
ILL, SEVA und STG haben mit Genugtuung Kenntnis genommen vom Urteil des Schiedsgerichts vom 18.4.2001. Das Urteil bestätigt den Standpunkt von ILL, SEVA und STG, wonach der seit 1969 geltende Vertrag für die Gesellschaft für das Schweizerische Zahlenlotto (GSZ) auch heute gültig und in Kraft ist. Der GSZ-Vertrag sieht den Betrieb des Zahlenlottos in der ganzen Schweiz auf einer einzigen, im Eigentum der STG stehenden Logistik-Plattform vor. Der gemeinschaftliche Betrieb besteht seit 1969, der online-Betrieb seit 1992. Es ist die Loterie Romande, die mit ihrer Kündigung vom 1.5.2001 nun aus dieser seit über 30 Jahren bewährten Betriebsform ausbricht; von Zentralisierungstendenzen der STG kann keine Rede sein.
Die Schweiz wird damit weltweit zum ersten Land, bei dem eine national ausgebreitete Lotterie-Logistik im Nachhinein regional aufgespaltet wird.
Die Loterie Romande sagt mit ihrem Separatismus allen nationalen Spielen, auch den Sportwetten, den Kampf an und zerstört damit wichtige Bande gesamtschweizerischer Identität.
Das beiliegende Informationsblatt gibt Aufschluss über Hintergründe und weitere Zusammenhänge der Sezessionsbestrebungen der Loterie Romande, über das von der Loterie Romande vom Zaun gebrochene Schiedsgerichtsverfahren und über die voraussichtlichen Konsequenzen der Sezession für die künftige Ordnung des Lotteriewesens in der Schweiz.
Hintergrundinformation zur heutigen Medienmitteilung
1. Historische Entwicklung der grossen Lotterien
Zwischen 1933 und 1938 wurden nacheinander drei regionale Lotteriegesellschaften geschaffen, nämlich die Lotteriegenossenschaft für Seeschutz, Verkehrswerbung und Arbeitsbeschaffung (SEVA, Kanton Bern; gesetzliche Grundlage), die Société de la Loterie de la Suisse Romande (LoRo; Westschweizer Kantone; Konkordat) und die Genossenschaft der Interkantonalen Landeslotterie (ILL; übrige Kantone; Konkordat). SEVA, LoRo und ILL subventionieren mit ihren regionalen Produkten gemeinnützige, wohltätige und kulturelle Projekte, nicht den Sport.
Als vierte Veranstalterin wurde 1938 durch sämtliche Kantone und gewisse Sportorganisationen die gesamtschweizerische Veranstalterin Sport-Toto-Gesellschaft (STG) geschaffen. Gemäss STG-Statuten wird der ganze Etrag der STG ausschliesslich zur Sportförderung verwendet. Statutarische Benefiziare der STG sind die Kantone (kantonale Sportförderung) sowie der Schweizerische Olympische Verband (SOV) und der Schweizerische Fussballverband (SFV).
Die STG lancierte ab 1938 als erstes gesamtschweizerisches Spiel das Sport-Toto. Das Toto blieb bis 1969 das wichtigste Produkt auf dem schweizerischen Lotterie-Markt (Gewinne 1969 in Mio CHF: STG ca. 20, ILL ca. 4, SEVA 1,5, LoRo ca. 2,5).
In den Sechzigerjahren eroberte das Zahlenlotto von Deutschland aus den Lotteriemarkt in ganz Europa. Es wird heute in allen westeuropäischen Ländern nach ähnlichen Regeln gespielt. 1969 schlossen sich LoRo, ILL, SEVA und STG zur Gesellschaft Schweizer Zahlenlotto (GSZ) zusammen und lancierten gemeinsam als zweites gesamtschweizerisches Spiel das Schweizerische Zahlenlotto. Innerhalb der GSZ waren die vier Veranstalter gleichberechtigte Partner. Die STG führt bis heute als geschäftsführender Gesellschafter das Lotto in der ganzen Schweiz auf Rechnung der GSZ auf STG-eigenen Anlagen durch und trägt die umfassende Verantwortung für die operationelle Abwicklung. Seit 1992 geschieht dies auf einer gesamtschweizerisch vernetzten Informatik-Plattform im on-line-Betrieb.
Die Lotto-Ziehungen werden seit Jahrzehnten wöchentlich über die schweizerischen TV-Kanäle in allen Landesteilen ausgestrahlt und sind, wie das Schweizerische Zahlenlotto insgesamt, zu einem Element gesamtschweizerischer Identität und Verbundenheit geworden. Im GSZ-Vertrag von 1969, der von den zuständigen Instanzen aller Kantone genehmigt worden war, sind die Mechanismen der Verteilung der Lotto-Erträge an die verschiedenen Benefiziare festgelegt. Da bereits bei der Einführung des Lottos im Jahre 1969 feststand, dass das neue Spiel wesentliche Marktanteile des bisher marktbeherrschenden Totos absorbieren würde, erhielt die STG vertraglich einen Teil der Lotto-Erträge im Sinne einer Besitzstandsgarantie, d.h. als Entschädigung für die freiwillig ans Lotto abgegebenen Marktanteile des Totos zugesichert. Die von der STG in der ganzen Schweiz vertriebenen Sportwetten wären seit der Einführung des Lottos nicht mehr lebensfähig gewesen, wenn sie nicht zu Grenzkosten am Lottovertrieb der STG angehängt geblieben wären. Aufgrund der historischen Besitzstandsgarantie fliessen auch heute namhafte Anteile des Lotto-Ertrags an die statutarischen Benefiziare der STG (kantonale Sportförderung, SOV, SFV). Der Separatismus der Loterie Romande setzt dem gesamtschweizerisch einheitlichen Marktauftritt des Lottos und damit auch der Sportwetten ein vorläufiges Ende. Das ist bedauerlich. Gleich wie der Sport selbst waren auch die Sportwetten bisher ein wichtiger Faktor gesamtschweizerischer Identität über alle Kantons- und Sprachgrenzen hinweg.
2. Die Sezession der LoRo
Im Zuge der Umrüstung der on-line-Logistik für das Schweizerische Zahlenlotto (Lotto) und das Sport-Toto (Toto) forderten die Loterie Romande (LoRo) und deren 6 Bewilligungskantone Freiburg, Waadt, Wallis, Neuenburg, Genf und Jura seit 1999 ultimativ die Spaltung der bisher gesamtschweizerisch geführten Informatik-Logistik für das Lotto. Hinter der Forderung stand das Streben der LoRo nach mehr unternehmerischer Selbständigkeit.
3. Der Schiedsgerichtsprozess (1999-2001)
Zur Durchsetzung ihrer Sezessionsbestrebungen hatte die LoRo im Sommer 1999 eine Schiedsklage gegen die drei Partnergesellschaften ILL, SEVA und STG hängig gemacht und sinngemäss gefordert, durch eine gerichtlich angeordnete Vertragsänderung sei der STG die Durchführung des Lottos in der Welschschweiz zu entziehen und es sei festzustellen, dass die LoRo in Abweichung vom geltenden Vertrag hiezu allein berechtigt sei.
Die drei Partnergesellschaften ILL, SEVA und STG gingen davon aus, dass die Betriebsspaltung weder im Interesse der Kantone noch in demjenigen der Sporförderung liegt. Sie haben sich der Auslösung eines solchen Schrittes innerhalb eines Schiedsgerichtsverfahrens widersetzt, weil in diesem Verfahren die Benefiziare (Kantone, Sportverbände) nicht als Parteien zu Worte kommen konnten. Der von der Loterie Romande vom Zaun gebrochene Prozess bezog sich zudem nur auf den Lotto-Betrieb und konnte keine verbindliche Neuregelung der mit dem Lotto eng zusammenhängenden Sportwetten herbeiführen. Im Schiedsgerichtsprozess haben die beklagten ILL, SEVA und STG demgemäss darauf hingewiesen, dass die LoRo den Gesellschaftsvertrag jederzeit auf das Ende des folgenden Kalenderjahres künden und auf diese Weise die Neuordnung des Lotto-Betriebs konfliktfrei herbeiführen kann. Das war von Anfang an eine Selbstverständlichkeit, zu deren gerichtlicher Bestätigung der mittlerweile ergangene Prozessaufwand von 1,6 Mio Franken nicht erforderlich gewesen wäre.
Dessenungeachtet hat die LoRo ihre Sezession hinter den verschlossenen Türen eines Schiedsgerichtsprozesses unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchsetzen wollen. Sie hat den von Anfang an aussichtslosen Prozess in der Hoffnung geführt, auf diesem Weg der politischen Auseinandersetzung mit den betroffenen Benefiziaren und der politischen Diskussion zur Frage auszuweichen, ob die Verdoppelung der Infrastrukturen für den Lotto-Betrieb wirtschaftlich sinnvoll ist und ob die damit verbundene Beendigung gesamtschweizerisch einheitlicher Sportwetten im Gesamtinteresse des Landes liegt.
Entgegen den Behauptungen der LoRo trifft es nicht zu, dass der gemeinsame Betrieb einer modernen Informatik-Plattform die individuelle Entwicklung der beteiligten Partnergesellschaften hemmt. Die heutige Lotterie-Informatik ist derart leistungsfähig, dass jede solche Plattform problemlos sämtliche regionalen und nationalen online-Spiele auch grosser Länder wie England zu bewältigen vermag. Entsprechend hoch sind aber auch die mit den modernen Anlagen verbundenen Fixkosten. Der Separatismus der LoRo bedingt, dass der schweizerische Lotteriemarkt künftig durch zwei solche Anlagen versorgt wird, während beispielsweise der englische Markt mit einer einzigen Anlage auskommt.
Heute versucht die LoRo, dem Odium des Separatismus durch die Behauptung zu entgehen, das Schiedsgericht habe die Kündigung empfohlen. Eine solche Empfehlung ist dem Urteil jedoch nicht zu entnehmen. Sie hätte dem Schiedsgericht auch nicht angestanden.
4. Die nicht zustande gekommene Mediation
Die LoRo wirft ihren Partnergesellschaften vor, sie hätten die schiedsgerichtliche Mediation torpediert. Die Fakten sind folgende: Am 10.5.2000 erklärte der Schiedsgerichtspräsident, das Schiedsgericht fasse sein Mandat auch politisch auf und wolle die Kantone im Rahmen der Sachverhaltsermittlung anhören. ILL/SEVA/STG haben hierauf positiv reagiert und dem Schiedsgericht eine umfassende Mediation vorgeschlagen.
Die LoRo hat mit Schreiben vom 31.8.2000 die Zustimmung zur Mediation von der ultimativen Bedingung abhängig gemacht, dass die Betriebsspaltung als solche vorweg akzeptiert und sogleich ein Zeitplan für deren Implementierung unter schiedsgerichtlicher Aufsicht verabschiedet werde. Die Mediation müsse eingeschränkt werden auf die Regelung der Modalitäten der Betriebsspaltung. Angesichts dieser Haltung der LoRo verlangten die Beklagten, dass nacheinander die Grundsatzfrage der Betriebsspaltung, allenfalls anschliessend die Modalitäten der Spaltung und ihrer Implementierung behandelt werden sollten.
Die LoRo hat diese Strukturierung der Fragestellung kategorisch abgelehnt und vor Schiedsgericht erklärt, die Spaltung als solche sei nicht verhandelbar; sie sei "un fait". Die Mediation kam hierauf nicht mehr zustande.
Angesichts dieses Ablaufs lassen sich ILL/SEVA/STG den Vorwurf nicht gefallen, sie hätten die Mediation torpediert.
5.Auswirkungen der Betriebsspaltung infolge der Vertragskündigung seitens der Loterie Romande vom 1.5.2001
a) Ende der einheitlichen Führung des Zahlenlottos
Die Regionalisierung hat zur Folge, dass die in Zukunft gesamtschweizerisch angebotenen Spiele nicht mehr wie bisher aus einer einzigen Hand heraus geführt werden können. Bei getrennter Logistik wird jede Änderung wie etwa die Einführung des Abonnement- oder des Internetverkaufs, erst recht aber die Einführung neuer Spiele auf gesamtschweizerischer Ebene, langwierige Verhandlungen sowie koordinierte Testläufe auf getrennten Test-Anlagen für zwei technologisch unterschiedliche Systeme erheischen. Die Erfahrungen in Deutschland, wo das Zahlenlotto aus historischen Gründen in länderweise getrennten Strukturen herangewachsen und später zu einem nationalen Gewinnpool verbunden worden ist, zeigen, dass dort auch kleine betriebliche Änderungen einen zeitlichen Vorlauf von mehreren Jahren erheischen. Eine solche Stagnation ist fortab auch für das Schweizerische Zahlenlotto vorauszusehen.
b) Höhere Fixkosten
Die Betriebsspaltung wird für alle Parteien höhere Fixkosten und Betriebsrisiken sowie geringere Erträge zur Folge haben.
c) STG wird zur regionalen Logistik-Dienstleisterin
Mit dem Aufbau einer eigenen Lotto-Logistik durch die Loterie Romande und dem entsprechenden Hinauswurf der STG aus der Romandie wird die STG im Wesentlichen zur regionalen Logistik-Dienstleisterin zugunsten von ILL und SEVA als den Inhabern der Lotto-Bewilligungen in der Deutschschweiz und im Tessin.
d) Ungeklärte Zukunft der Sportwetten
Die Zukunft der gesamtschweizerisch gespielten Sportwetten ist bislang ungeklärt. In der Schiedsklage vom 22.11.1999 schlug die LoRo vor, anstelle der bisherigen Besitzstandsgarantie solle die STG von ILL, SEVA und LoRo künftig 14,1% von deren jeweiligen Lotto-Bruttoerträgen erhalten. Inwiefern dieser Vorschlag für die kantonale Sportförderung sowie für SOV und SFV finanziell gleichwertig gewesen wäre, war nicht ersichtlich. Im Kündigungsschreiben vom 1.5.2001 schlägt die LoRo vor, von den Bruttoerträgen ihrer sämtlichen Spiele (exklusive Pferdewetten PMUR) 9% der kantonalen Sportförderung und dem SOV zukommen zu lassen. Der SFV scheint nicht als Benefiziar vorgesehen zu sein. Ungeklärt bleibt die Bedeutung der von der LoRo im Kündigungsschreiben abgegebenen Zusicherung angesichts des Umstandes, dass die von der LoRo erwirtschafteten Erträge durch kantonale Verteilungsbehörden ("Organes de répartition") in völliger Unabhängigkeit von der LoRo an die jeweiligen Benefiziare jährlich zugewiesen werden. Statt auf statutarische Quoten zählen zu können, werden die bisherigen Benefiziare der STG in der Westschweiz fortab jährlich bei den kantonalen Verteilungsbehörden ihre Gelder in Konkurrenz zu anderen Ansprechern beantragen müssen. Die von der LoRo angekündigte Gewinnbeteiligung des Sportes von 9% sämtlicher Spiele (exklusive PMUR) ist rechtlich also vorerst nicht abgesichert und bezüglich ihrer finanziellen Tragweite unklar. Ohne langfristig verbindliche Zusagen seitens der "Organes de répartition" bzw. der Westschweizer Kantone und klarer Definition der Bemessungsgrundlagen ist anzunehmen, dass der Sport nach Ausschaltung der STG als national tätiger Unternehmung künftig weniger Lotteriegeld erhält als bisher.
e) Implementierung der Betriebsspaltung
Die Implementierung der Betriebsspaltung ist bis heute weder geplant noch budgetiert.
6. Unzutreffender Performance-Vergleich der LoRo
Die LoRo rühmt sich höherer betriebswirtschaftlicher Effizienz und einer intensiveren Marktdurchdringung als ihre Partnergesellschaften. Dem ist folgendes entgegenzuhalten:
Die Rechnungslegung der LoRo ist nicht transparent. Bedeutende Quersubventionierungen von regionalen Spielen und Unternehmensgemeinkosten durch die Lotto-Erträge werden von der LoRo nicht offen gelegt. Bei betriebswirtschaftlich objektiver Zuordnung der Kosten zu den einzelnen Spielen sähe das Lotto entsprechend besser aus.
ILL und SEVA haben sich bei der Vermarktung ihrer eigenen Spiele sodann nie von der Maximierung der Umsätze, sondern stets auch vom Ziel leiten lassen, der Spielsucht keinen Vorschub zu leisten. Entgegen der Darstellung der LoRo belegen die kleineren Umsätze pro Kopf der Bevölkerung nicht das unternehmerische Ungenügen von ILL und SEVA, sondern deren zurückhaltende Unternehmenspolitik in einem aus polizeilichen Gründen staatlich regulierten Markt.
Hinzu kommt die zurückhaltendere Bewilligungspraxis einzelner Deutschschweizer Kantone bezüglich neuer elektronischer Spiele. Der von der LoRo eingeführte LotoExpress ist ein Zahlenlotto mit fest vorgegebenen Preissummen und also keine Lotterie im Rechtssinne. Das Spiel wird in den USA "Keno" genannt und dort den Spielbankenspielen zugeordnet. TACTILO ist eine zum Losverkaufsautomaten umfunktionierte Slot-Machine, die jederzeit als reines Spielbankenterminal verwendet werden kann. Eine einheitliche Bewilligungspraxis in den verschiedenen Landesteilen mag in Zukunft zu einer Annäherung der betrieblichen Kennzahlen führen.
Kontakt:
Präsident ILL: Regierungsrat Rolf Ritschard, Solothurn,
Tel. +41 32 627 28 22 / Fax +41 32 627 29 82
Präsident SEVA: Peter Schmid, Münchenbuchsee,
Tel. +41 31 869 11 80 / Fax +41 31 869 55 08
Präsident STG: Regierungsrat Jörg Schild, Basel,
Tel. +41 61 267 71 71 / Fax +41 61 267 61 30