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SNF: Bild des Monats Oktober 2008: Sexuelle Differenzierung

SNF: Bild des Monats Oktober 2008: Sexuelle Differenzierung
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Bern (ots)

- Hinweis: Bildmaterial steht zum kostenlosen Download bereit  
     unter: http://www.presseportal.ch/de/pm/100002863 -
Wie beim Laubfrosch die beiden Geschlechter entstehen
Ein Forschungsteam der Universität Lausanne hat herausgefunden, 
dass der Europäische Laubfrosch (Hyla arborea) ein genetisches System
zur Geschlechtsbestimmung besitzt, das sich erst vor zwei oder drei 
Millionen Jahren entwickelt hat. Die vom Schweizerischen 
Nationalfonds unterstützte Studie wirft ein neues erstaunliches Licht
auf die Theorie der für die Entstehung der beiden Geschlechter 
verantwortlichen Gene.
Das Sexualleben des Europäischen Laubfrosches (Hyla arborea) ist 
bei Biologen ein begehrtes Forschungsthema geworden. Ihre Neugierde 
geweckt haben die genetischen Mechanismen, aufgrund derer beim 
kleinen grünen Frosch weibliche oder männliche Individuen entstehen. 
Die sexuelle Differenzierung in ihrer gegenwärtigen Ausprägung ist 
bei dieser Art nämlich erst vor zwei oder drei Millionen Jahren 
entstanden - im Zeitmassstab der Evolution also quasi gestern. Noch 
erstaunlicher: In seinem kürzlich in der Fachzeitschrift «Proceedings
of the Royal Society B» veröffentlichten Artikel zeigt Nicolas 
Perrin, Professor an der Abteilung für Ökologie und Evolution der 
Universität Lausanne, dass die Analyse der Laubfroschgene der 
anerkannten Theorie der Entstehung der für die sexuelle 
Differenzierung verantwortlichen Gene und Chromosome widerspricht.
Eine zu revidierende Theorie
Nach dieser Theorie waren die X- und Y-Chromosomen der Säugetiere vor
fast 300 Millionen Jahren identisch, ein Chromosomenpaar wie alle 
anderen. Dann entstand durch eine Mutation auf dem zukünftigen 
Y-Chromosom ein neues Gen, das SRY-Gen, das für die sexuelle 
Differenzierung verantwortlich wurde und einen früheren, völlig 
unbekannten Mechanismus ersetzte. Die Träger der neuen Mutation 
differenzierten sich zum männlichen, die anderen zum weiblichen 
Geschlecht.
Die Theorie geht weiter davon aus, dass andere Mutationen in 
unmittelbarer Nähe des SRY-Gens die Struktur des zukünftigen 
Y-Chromosoms schrittweise so veränderten, dass keine Rekombination 
mit seinem Zwilling, dem X-Chromosom, stattfinden konnte. Wenn sich 
das SRY-Gen nämlich gleichzeitig auf beiden Chromosomen befindet, 
macht dies jeden Vorteil des Gens zunichte. Im Gegensatz zu den 
anderen Chromosomenpaaren, die von Generation zu Generation ständig 
Gene austauschen, schläft das XY-Paar in getrennten Zimmern.
Da dem Y-Chromosom eine regelmässige Erneuerung versagt blieb, war
seine Degeneration unausweichlich, und nur die an der sexuellen 
Differenzierung beteiligten Gene blieben erhalten. Bei allen anderen 
Genen sammelten sich die Mutationen an, bis sie schliesslich - 
abgesehen von der Kopie auf dem X-Chromosom - verschwanden. «Dasselbe
Szenario wird im Allgemeinen auch für alle anderen Organismen mit 
differenzierten Geschlechtschromosomen, wie Vögel, Schlangen oder 
bestimmte Pflanzen, angenommen», sagt Nicolas Perrin. «Der 
Europäische Laubfrosch kümmert sich aber in keiner Weise um diesen 
Fahrplan.»
Junge Gene
Die Forscher haben bei diesem Lurch Geschlechtsgene gefunden, wissen 
aber noch nicht, auf welchem Chromosom sie sich befinden. Diese 
Aufgabe wird durch den Umstand erschwert, dass das Genom dieser Art 
noch nicht entschlüsselt ist. Ausserdem sind die Gene noch so jung, 
dass unter dem Mikroskop noch keine Degenerationen der Chromosomen 
erkennbar sind. Überraschend ist allerdings, dass die erforderliche 
Rekombination nicht nur in der Nähe der geschlechtsbestimmenden Gene 
oder auf dem betroffenen Chromosom unterbunden ist, wie es die 
etablierte Theorie erwarten lässt. Die Forscher haben eine allgemeine
Hemmung der Rekombination im gesamten männlichen Genom festgestellt. 
Bei Männchen mischen sich die von der Mutter geerbten Chromosomen 
nicht mit denen des Vaters.
«Möglicherweise ist dies darauf zurückzuführen, dass die 
geschlechtsbestimmenden Gene so jung sind», sagt Nicolas Perrin. «Die
Rekombinationsvorgänge bei Männchen einfach ohne Unterschied 
vollständig zu blockieren, könnte zu Beginn die sicherste Lösung der 
Natur gewesen sein, um den neuen Mechanismus zu erhalten. Im Verlaufe
der Zeit kann diese Blockierung nach und nach gelockert werden, bis 
sie sich nur noch auf das betroffene Chromosom beschränkt.» Es ist 
erstaunlich, dass die Natur den Lösungsansatz für ein scheinbar so 
einfaches Problem variiert: Individuen zweierlei Geschlechts zu 
produzieren.
Anpassung an Veränderungen der Umwelt?
Die Antwort könnte in der Anpassung an veränderte Umweltbedingungen 
liegen. Bei Fischen, Reptilien und Amphibien ist die Bruttemperatur 
ein wichtiger Faktor der Geschlechtsbestimmung der Nachkommen. Da 
diese Tiere wechselwarm sind, reagieren sie sehr empfindlich auf 
klimatische Veränderungen, die ihre Entwicklungsgeschichte prägten 
(und auch in Zukunft prägen werden). Vielleicht muss deshalb ihr 
genetisches System der Geschlechtsbestimmung anpassungsfähig bleiben.
Im Gegensatz dazu besitzen die Warmblüter, die Vögel und Säugetiere, 
die eine konstante Bruttemperatur aufrecht erhalten können, ein 
System, das sich seit langer Zeit nicht mehr verändert hat.
Texte und Bilder dieses Berichts können auf der Website des 
Schweizerischen Nationalfonds heruntergeladen werden unter: 
www.snf.ch > Medien > Bild des Monats

Kontakt:

Prof. Nicolas Perrin
Abteilung für Ökologie und Evolution
Universität Lausanne
Le Biophore
CH-1015 Lausanne
Tel.: 021 692 41 84
E-Mail: nicolas.perrin@unil.ch

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