Medienmitteilung: Vom Bund unterstützte Vorsorgeeinrichtung schränkt stillschweigend Angebot ein
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Medieninfo
Expertenkommentar zur Stiftung Auffangeinrichtung BVG
Vom Bund unterstützte Vorsorgeeinrichtung schränkt stillschweigend Angebot ein
Die Stiftung Auffangeinrichtung BVG ist die letzte Anlaufstelle für Personen ohne Vorsorgelösung. Anfang dieses Jahres hat die von den Gewerkschaften und Arbeitgebern gemeinsam getragene Stiftung still und von den Medien unbemerkt die geltenden Regeln geändert. Neu zahlt sie wie alle anderen Freizügigkeitsstiftungen das Alterskapital in Form einer einmaligen Kapitalleistung und nicht als Rente aus. Das Covid19-Gesetz hebelt diese umstrittene Änderung allerdings aus.
Zürich, 18. Dezember 2020 - Wer bisher den Anschluss an eine Pensionskasse verlor und nicht ohne Rentenanspruch dastehen wollte, konnte seine Pensionskassenersparnisse an die Stiftung Auffangeinrichtung BVG überweisen lassen. Sie gilt als letzte Anlaufstelle für Personen ohne Versicherung durch eine Pensionskasse. Die soziale Einrichtung verdient besonderen Schutz. Darum hat das Parlament im vergangenen September beschlossen, der Stiftung in den nächsten drei Jahren ein Depot ohne Negativzinsen beim Bund zu gewähren. Doch trotz der privilegierten Behandlung seitens öffentlicher Hand kommunizierte die Stiftung ungenügend. So verschlechterte sie zum Jahresbeginn stillschweigend ihr Angebot.
Abschaffung des Rentenangebots für ältere Arbeitslose
Bis Ende 2019 konnten arbeitslose Personen ihr Pensionskassenvermögen an die Stiftung Auffangvorrichtung BVG überweisen und weitere Einzahlungen leisten. Falls bis zur Pensionierung keine Anstellung mit Pensionskassenaufnahme erfolgte, durften Sie das Vermögen in Form einer Rente beziehen. Alternativmöglichkeiten wie Freizügigkeitsstiftungen zahlen das Alterskapital nur in Form einer einmaligen Kapitalleistung und nicht als Rente aus.
Anfang 2020 hat die Stiftung Auffangeinrichtung BVG ihre Praxis geändert. Neu werden Personen, die zum Entlassungszeitpunkt ein von der bestehenden Pensionskasse vorgegebenes Mindestalter für eine Frühpensionierung erreicht haben, aus dem Rentenangebot ausgeschlossen. Bei vielen Pensionskassen liegt das Mindestalter bei 58 Jahren.
Der Comparis-Vorsorgeexperte Leo Hug kritisiert die Praxisänderung: "Wer die Schwelle zur möglichen Frühpensionierung überschritten hat, ist zu einem frühzeitigen Bezug einer gekürzten Rente gezwungen." Alternativ könnten Arbeitslose das Geld an eine Freizügigkeitsstiftung überweisen, so Hug. "Doch damit riskieren kurz vor dem Pensionsalter entlassene Arbeitnehmende eine Kapitalauszahlung beim Erreichen des Rentenalters, sollten sie keine neue Anstellung finden."
Einschränkungen sind rechtlich umstritten
Die von der Stiftung eingeführte Neuerung ist gemäss der Branchenzeitschrift "Schweizer Personalvorsorge" (Ausgabe 09/20) rechtlich umstritten. Gemäss BVG-Verordnung (Art. 60 Abs. 2 lit.c) ist die Stiftung verpflichtet, alle Arbeitnehmenden auf deren Begehren aufzunehmen.
Comparis hat den Leiter Direktaufsicht der Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge um eine Stellungnahme zu diesem Vorwurf gebeten. Ob die neue Praxis dem BVG widerspräche, "müsste letztlich von einem Gericht beantwortet werden", räumt er in seinem Antwortschreiben ein.
Covid19-Gesetz hebelt Änderungen der Stiftung aus
Die geänderte Praxis der Vorsorgestiftung hielt sich aufgrund der Corona-Pandemie nicht lange: Der Bundesrat hat die Regelung per 31. Juli 2020 mit dem Covid19-Gesetz entschärft. Seit August können über 58-Jährige, die ihre Stelle auf Initiative des Arbeitgebers verlieren, im bisherigen Umfang bei der bestehenden Vorsorgeeinrichtung bleiben und erst bei Erreichen des ordentlichen Pensionsalters mit dem Rentenbezug beginnen. Die Regelung wird ab 1. Januar 2021 in die neuen BVG-Bestimmungen (Art. 47 a) aufgenommen.
Stiftung wird neu rechtlich zur BVG-Einrichtung
Neben dem Ausschluss älterer Arbeitnehmender hat die Stiftung Auffangeinrichtung BVG mit Jahresbeginn weitere Änderungen eingeführt. Sie versichert neu auch überobligatorische Löhne und baut damit die Auffangeinrichtung rechtlich in eine umhüllende BVG-Einrichtung um. Dies erlaubt der Stiftung, überobligatorische Guthaben für die Finanzierung der Renten im obligatorischen Bereich heranzuziehen.
"Solche Änderungen bedeuten einschneidende Verschlechterungen der Vorsorgebedingungen", kommentiert der Comparis-Vorsorgeexperte. Diese träfen ausgerechnet Personen, die sich durch eine Entlassung im höheren Alter ohnehin in einer schwierigen Situation befänden, so Hug. "Dass man solche Schritte in aller Stille auszusitzen versucht, ist inakzeptabel!"
Über die Stiftung Auffangeinrichtung BVG
Die Stiftung Auffangeinrichtung BVG versichert im Auftrag des Bundes alle anschlusswilligen Arbeitgeber und Einzelpersonen in der zweiten Säule. Selbständigerwerbende, Angestellte mit mehreren Teilpensen oder Arbeitslose, die aus der beruflichen Vorsorge ausscheiden, diese aber weiterführen möchten, können sich ihr anschliessen. Die Stiftung wird von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden getragen.
Weitere Informationen Leo Hug Vorsorge-Experte Telefon: 044 360 53 91 E-Mail: media@comparis.ch comparis.ch Über comparis.ch Mit über 100 Millionen Besuchen im Jahr zählt comparis.ch zu den meistgenutzten Schweizer Webseiten. Das Unternehmen vergleicht Tarife und Leistungen von Krankenkassen, Versicherungen, Banken sowie Telecom-Anbietern und bietet das grösste Schweizer Online-Angebot für Autos und Immobilien. Dank umfassender Vergleiche und Bewertungen bringt das Unternehmen Transparenz in den Markt. Dadurch stärkt comparis.ch die Entscheidungskompetenz der Konsumenten. Gegründet 1996 vom Ökonomen Richard Eisler beschäftigt das Unternehmen heute rund 180 Mitarbeiter in Zürich.