Discours Suisse: Energieversorgung Kohle erhitzt die Gemüter im Tessin
Lugano (sda/ots) -
Im Tessin erhitzen nicht die Pläne für neue AKWs in der Schweiz die Gemüter, sondern der Bau eines Kohlenkraftwerkes im Ruhrgebiet. Das kantonale Elektrizitätswerk AET möchte sich mit bis zu 56 Mio. Euro an dieser Anlage beteiligen.
Die Tessiner Regierung hat in diesem Sommer eine entsprechende Botschaft verabschiedet. Die AET, die sich vollständig im Besitz des Kantons befindet, müsse sich breit abstützen und sich den Zugang zu Bandenergie langfristig sichern, lautet der Tenor.
Der Grosse Rat wird sich voraussichtlich noch in diesem Jahr mit dem Thema befassen. Doch bis auf die Grünen, die sich klar gegen das Projekt aussprechen, hat bisher noch keine Partei Stellung bezogen.
Raffaele De Rosa (CVP), der Präsident der grossrätlichen Energiekommission, bringt das Dilemma folgendermassen auf den Punkt: "Als Politiker gefällt mir die fossile Energie nicht. Aber aus ökonomischer Sicht kann ich die Pläne der AET nachvollziehen."
Die 1958 gegründete Azienda Elettrica Ticinese möchte sich nicht nur an dem Kohlenkraftwerk in Lünen im Ruhrgebiet beteiligen, sondern auch die Wasserresourcen im Tessin besser nutzen. Zu diesem Zweck ist der Bau einer neuen Staumauer im Val d'Ambra geplant.
Doch auch dagegen regt sich Widerstand. Obwohl das Projekt noch nicht offiziell vorgestellt wurde, haben bereits mehrere Tausend Personen eine Petition unterschrieben. Darin wird der Staatsrat aufgefordert, den Bau eines Stausees in dem wild-romantischen Tal zu verhindern.
Kraftwerk sichert die Zukunft
Gross in Mode sind dafür kleine Wasserkraftwerke, die vor allem von Gemeinden in den Berggebieten forciert werden. Den Anfang machte das 165-Einwohner-Dorf Dalpe in der Leventina, das vor zehn Jahren unterhalb der Piumogna-Wasserfälle eine so genannte "Microcentrale" baute.
"Dieses Kraftwerk sichert unsere Zukunft", ist Gemeindepräsident Marzio Eusebio (CVP) überzeugt. Er geht davon aus, dass die Anlage dereinst eine Dividende von 200'000 bis 300'000 Franken abwerfen wird. Zum Vergleich: Dies entspricht den heutigen Steuereinnahmen der Gemeinde.
Wasser ist im übrigen der einzige Energieträger, der auf der Alpensüdseite voll ausgeschöpft wird. Bei den übrigen sauberen Energien gibt es hingegen grossen Nachholbedarf - obwohl viel Potential vorhanden wäre.
So gibt es beispielsweise in der Leventina, im Blenio-Tal und auf der Magadino-Ebene Projekte für Biomasse-Kraftwerke. Doch diese existieren ebenso bloss auf dem Papier wie etwa ein Windpark auf dem Gotthard.
Kaum Solarenergie in der Sonnenstube
Schlechte Noten erhält die Sonnenstube auch bei der Solarenergie. Einer im September veröffentlichten Studie des WWF Schweiz zufolge gehört das Tessin in Sachen Förderung von Solarenergie zu den nationalen Schlusslichtern.
Das kantonale Umweltdepartement liess diese Kritik jedoch nicht auf sich sitzen. Das Tessin befände sich unter den Top Ten, konterte es in einem Communiqué.
Die Wahrheit liege in der Mitte, sagt Grünen-Grossrat und WWF-Mann Francesco Maggi. Fakt sei, dass das Tessin mehr machen könnte. "Die vorhandenen Kredite sind ausgeschöpft", sagt Maggi, der besorgt ist, "dass im Finanzplan für die nächsten Jahre keine Ausgaben für Solarinstallationen vorgesehen sind".
Kultureller und politischer Rückstand
Ins selbe Horn stösst sein Parteikollege Sergio Savoia. Der Chef der Tessiner Grünen attestiert seinem Heimatkanton "einen bemerkenswerten politischen und kulturellen Rückstand in Sachen Ökologie".
Für Savoia gibt es dafür zwei Gründe. Einerseits ziehe es der Kanton vor, in traditionelle Sektoren wie etwa den Strassenbau zu investieren. Andererseits seien erneuerbare Energien ein Steckenpferd der Linken. Deshalb würde die Rechte entsprechende Projekte instinktiv bekämpfen.
Vor diesem Hintergrund seien die Kohlenpläne der AET im Ruhrgebiet ein Schlag ins Gesicht für die Umweltaktivisten, sagt Savoia, "zumal wir seit Jahren verlangen, dass die AET in erneuerbare Energien investieren soll".
Mit dem Erschliessen von ständig neuen Quellen allein ist es laut Savoia allerdings nicht getan. Vielmehr müsse der Energiekonsum reduziert werden. "Sonst ist es so, als ob wir ständig frisches Wasser in ein Sieb füllen würden."
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