Agrarpolitik 2011: Zu wenig Geld, Tempo zu hoch
Brugg (ots)
Der Schweizerische Bauernverband (SBV) kann die heute vom Bundesrat beschlossene Kürzung der in der Vorlage des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement (EVD) ursprünglich beantragten Finanzmittel für die Agrarpolitik 2011 nicht nachvollziehen. Unbesehen davon fordert der SBV für 2008 bis 2011 die Beibehaltung der ursprünglichen Höhe des laufenden Zahlungsrahmens und den Teuerungsausgleich. Ein vorschneller Umbau des agrarpolitischen Instrumentariums über die zu erwartenden WTO-Verpflichtungen hinaus ist nicht im Sinne eines kontinuierlichen und verlässlichen Reformprozesses. Die teilweise Finanzierung der Familienzulagen in der Landwirtschaft zu Lasten des Agrarbudgets ist eine Haurückübung. Insgesamt muss die AP 2011 zu einer Vorlage im Sinne einer wirtschaftlich starken produzierenden Landwirtschaft werden. Die Reformen müssen zudem über die Agrarpolitik im engeren Sinne hinaus auf die der Landwirtschaft vor- und nachgelagerten Stufen angelegt werden.
Zahlungsrahmen
Zentrales Element der AP 2011 ist der finanzielle Rahmen für die Zeitperiode 2008 bis 2011. Entsprechend kann der der SBV die Kürzung der in der Vorlage des EVD ursprünglich beantragten Finanzmittel um 374 Millionen Franken nicht nachvollziehen und wird sich im weiteren politischen Prozess dagegen vehement zur Wehr setzen. Der SBV fordert für die AP 2011 einen Zahlungsrahmen auf dem Niveau des ursprünglich gesprochenen Betrags für 2004 bis 2007 aufgestockt um eine Teuerungszulage. Der Teuerungsausgleich ist angezeigt, da die realen Einkommen in der Landwirtschaft seit Beginn der neunziger Jahre um über 11 Prozent gesunken sind und die Diskrepanz zwischen dem Arbeitsverdienst in der Landwirtschaft und den Vergleichslöhnen der übrigen Wirtschaft im vergangenen Jahrzehnt weiter zugenommen hat. Letztere beträgt gegenwärtig zwischen 40 bis 60 Prozent.
Zu hohes Tempo
Kernelement der Vorschläge des EVD ist die weitgehende Umlagerung der Marktstützungsmittel in Direktzahlungen. Der SBV unterstützt vor dem Hintergrund der absehbaren WTO-Verpflichtungen grundsätzlich die Stossrichtung des Umbaus. Dessen Geschwindigkeit ist jedoch zu hoch und dessen Ausmass zu gross. Das Instrument der Marktstützung ist im Sinne des im «Leitbild der Bäuerinnen und Bauern für die Schweizer Landwirtschaft» verankerten Ansatzes einer produzierenden Landwirtschaft. Die Marktstützung ist zudem überproportional einkommenswirksam. Eine weitgehende und rasche Umlagerung der Marktstützung zu Direktzahlungen würde die landwirtschaftlichen Einkommen weiter verschlechtern. Der SBV kann einem über die zu erwartenden WTO-Verpflichtungen hinausgehenden Umbau der Marktstützung nicht zustimmen. Ein solcher ist nicht im Sinne einer sozialverträglichen Landwirtschaftspolitik.
Keine Finanzierung der Familienzulagen aus dem Agrarbudget
Die Pläne des Bundesrats, die Finanzierung der Familienzulagen in der Landwirtschaft teilweise zu Lasten des Agrarbudgets vorzunehmen, sind eine Hauruckübung. Dem bereits strapazierten Agrarbudget sollen so zusätzliche Aufgaben mit eindeutig sozialpolitischem Charakter aufgehalst werden. Mit einer solchen Lösung blieben einerseits weniger Mittel für agrarpolitische Massnahmen und zweitens würden für die Bauernfamilien wichtige Massnahmen im Bereich des Sozialversicherungswesens in Zukunft dauernd der agrarpolitischen Diskussion unterworfen. Der SBV setzt sich gegen diese Verlagerung entschieden zur Wehr. Dies umso mehr, als im Zusammenhang mit der Volksinitiative «Für fairere Kinderzulagen!» bzw. einem Bundesgesetz über die Familienzulagen im Parlament demnächst eine entsprechende Grundsatzdebatte ansteht.
Reformen über die Agrarpolitik im engeren Sinne hinaus
Die Reformen der AP 2011 müssen über die Agrarpolitik im engeren Sinne auf die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen der vor- und nachgelagerten Stufen der Landwirtschaft angelegt werden. Die Bilanz nach einem Jahrzehnt des grundlegenden Umbaus der Agrarpolitik zeigt, dass heute insbesondere bei den der Landwirtschaft vor- und nachgelagerten Stufen innerhalb der Wertschöpfungskette grosser Handlungsbedarf besteht. Der SBV fordert, dass griffige Konzepte vorgelegt werden, mit denen die Problematik der divergierenden Entwicklung von Produzenten- und Konsumentenpreisen angegangen werden kann. Preissenkungen auf Stufe der Produzentenpreise müssen künftig an die Konsumenten weitergegeben werden.
Wirtschaftlichkeit stärken
Die AP 2011 muss die Wirtschaftlichkeit des Agrarsektors insgesamt stärken. Nur so kann die Umsetzung des Verfassungsartikels gesichert und der Anspruch einer nachhaltigen Landwirtschaft mittel- und langfristig erfüllt werden. Dazu müssen insbesondere Kostensenkungsmassnahmen ergriffen werden. Um dies zu erreichen müssen die technischen Vorschriften, Normen und Zulassungsverfahren für Maschinen, Einrichtungen und Produktionsmittel gelockert und gegenüber der EU harmonisiert und gegenseitig anerkannt werden. Für Auflagen im Bereich des Tier- und Umweltschutzgesetzes ist ein Moratorium rechtlich zu verankern und in Teilbereichen sind Vereinfachungen vorzunehmen. Die Raumplanungsvorschriften sind zu lockern und die Landwirtschaft ist punktuell von fiskalischen Abgaben zu entlasten.
Auswirkungen analysieren und Varianten vorlegen
Der SBV fordert vom EVD eine detaillierte Analyse der wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen des vorgelegten Vorschlages zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik. Die Effekte auf den Sektor sowie die einzelnen Regionen und Produktionszweige sind aufzuzeigen. Dies umso mehr, als der Bundesrat gegenüber den ursprünglichen Plänen des EVD bereits erhebliche finanzielle Kürzungen beschlossen hat. Der SBV erwartet zudem, dass bezüglich der Weiterentwicklung des agrarpolitischen Instrumentariums der Marktstützung, der Direktzahlungen und der Strukturpolitik verschiedene Varianten vorgelegt und deren Vor- und Nachteile aufgezeigt werden. Ein solches Vorgehen würde eine glaubwürdige und transparente Diskussion und Entscheidungsfindung ermöglichen.
Rückfragen:
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