Stiftung Menschen für Menschen Schweiz
Alleinerziehend, ohne Schulbildung - und Geschäftsfrau
Kaufmännische Grundlagen und minimale Kredite: So funktioniert "Hilfe zur Selbstentwicklung" für arme Mütter in Afrika
Zürich/Debre Berhan (ots)
Keine Schulbildung, kein Mann und mehrere Kinder: Das ist meistens die Situation der ärmsten Mütter in Afrika. Hoffnungslose Fälle für Entwicklung und Arbeitsmarkt? Nicht unbedingt: Die Frauen können sich in Selbsthilfegruppen organisieren. Wenn sie dort Schulungen und Mikrokredite erhalten, schaffen sie es, ihr bisheriges Einkommen zu vervielfachen und unabhängig zu werden.
Welche Eigenschaften braucht jede gute Leiterin, jede gute Vorsitzende? "Sie darf nicht ängstlich sein. Und die Leute dürfen keine Angst vor ihr haben", sagt Sozialarbeiterin Etalemahu Wogayehu am Flipchart. "Und sie muss geduldig sein, ehrlich und offen in der Kommunikation." Im Halbdunkel einer Wellblechhalle sitzen zwölf Frauen und hören aufmerksam zu. Für manche ist die Zusammenkunft in der Gemeindehalle der erste Unterricht ihres Lebens, denn in einer Schule waren sie nie. Vier der Frauen sind HIV-positiv. Sie haben sich auf Initiative von Menschen für Menschen (www.mfm.ch) in einer neuen Selbsthilfegruppe zusammengeschlossen, jetzt wählen sie die Leiterin ihrer Gruppe. Gemeinsam wollen sie für sich und ihre Kinder ein besseres Leben erarbeiten.
In der Stadt Debre Berhan setzt sich Karlheinz Böhms Äthiopienhilfe für bessere Lebenschancen der 1000 ärmsten Kinder ein. Wer den Kindern helfen will, muss den Müttern helfen: Die Sozialarbeiterinnen von Menschen für Menschen ermuntern die Frauen, sich in Gruppen zu organisieren. Fast immer sind die Teilnehmerinnen alleinerziehend. Die Männer haben Frau und Kinder im Stich gelassen oder sie sind tot, gestorben an Aids.
Die Kinder erhalten vor allem Schulbedarf und Lebensmittel. "Aber diese Hilfen reichen nicht", erklärt Sozialarbeiterin Etalemahu, die täglich für die Äthiopienhilfe in den Slums der Stadt unterwegs ist. "Was unsere Hilfe wirklich nachhaltig und erfolgreich macht, sind die Selbsthilfegruppen." Sie selbst betreut sechs der Mütter-Gruppen. "Es geht dort nicht nur um fachliches Wissen und Mikrokredite. Vor allem ist auch wichtig, das Selbstwertgefühl der Frauen zu wecken."
In den Gruppen bekommen die Mütter verschiedene Schulungen. Vor allem vermittelt Menschen für Menschen kaufmännische Grundlagen und wie man ein Kleinstunternehmen führt. Wenn die Frauen eine kleine Summe angespart und so ihren Willen zum eigenen Einsatz nachgewiesen haben, erhalten sie einen Mikrokredit, um ein Geschäft starten zu können. In der Regel beträgt der erste Kredit umgerechnet 60 bis 90 Franken.
Eine der ersten Kreditnehmerinnen im Projekt ist die ehemalige Wäscherin Mekoya Chirotaw. Früher wusch sie die Kleidung ihrer Auftraggeber von Hand für einen Tagelohn von rund einem Franken. Damit konnte sie ihren beiden Kindern keinen Schulbesuch ermöglichen. "Oft schliefen wir abends mit leerem Magen ein", erinnert sich Mekoya Chirotaw.
Das änderte sich mit dem ersten Mikrokredit über 60 Franken. "Zunächst nehmen viele Frauen einen eher kleinen Kredit auf", erklärt Sozialarbeiterin Etalemahu. "Denn sie haben Angst, dass sie das Geld nicht zurückzahlen können." Mekoya Chirotaw erwarb drei junge Schafe. Nach einigen Monaten verkaufte sie die gemästeten Tiere wieder mit Gewinn und zahlte den Kredit zurück. Dann nahm sie umgerechnet rund 250 Franken auf und kaufte damit zwei weibliche Kälber. "In der zweiten Runde sind die Frauen durch ihren Erfolg mutiger und selbstbewusster geworden und fragen höhere Summen nach", berichtet Sozialarbeiterin Etalemahu.
Inzwischen sind die beiden Kälber herangewachsen. "Jede der beiden Kühe gibt täglich elf Liter Milch", freut sich Viehhalterin Mekoya. Den Liter kann sie für umgerechnet 60 Rappen verkaufen, sie macht also einen Umsatz von rund 13 Franken pro Tag. Damit verdient sie ein Vielfaches im Vergleich zu ihrem Lohn als Wäscherin. "Jetzt können meine beiden Kinder zur Schule gehen", sagt die Kleinunternehmerin. "Wir können sogar auf den Bau eines Lehmhauses sparen, das ein Blechdach haben soll."
Andere Frauen halten Hühner und verkaufen Eier, arbeiten als selbständige Gemüsehändlerinnen oder bereiten am eigenen Imbissstand lokale Speisen zu. Bislang konnten in Debre Berhan rund 200 Mütter dank Ausbildung und Mikrokrediten von Menschen für Menschen ein Gewerbe beginnen.
Menschen für Menschen setzt sich gegen Armut und Hunger ein. Die Stiftung wurde von dem Schauspieler Karlheinz Böhm (1928 - 2014) gegründet. Im Geiste des Gründers schafft das Schweizer Hilfswerk Lebensperspektiven für die ärmsten Familien in Äthiopien. Ziel der Arbeit ist es, dass sie in ihrer Heimat menschenwürdig leben können. Schwerpunkte der einzelnen Projekte sind Frauenförderung, Berufsbildung, Mikrokredite, Kinderhilfe, Familienplanung und landwirtschaftliche Entwicklung. Die Komponenten werden nach den lokalen Bedürfnissen kombiniert und mit sorgfältig ausgewählten einheimischen Partnern umgesetzt.
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