Allianz Global Wealth Report 2023: Die Party ist vorbei
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Wallisellen (ots)
- Das globale Geldvermögen der privaten Haushalte sank 2022 um -2,7%, der stärkste Rückgang seit der Globalen Finanzkrise (GFC) 2008.
- Das Brutto-Geldvermögen der Schweizer Haushalte sank 2022 um -2,1%.
- Schweizer Sparerinnen und Sparer haben den Kapitalmarkt (wieder)entdeckt und in den letzten drei Jahren mehr Geld in Wertpapiere investiert als in Bankeinlagen.
- Das Wachstum der Verbindlichkeiten der Schweizer Haushalte verlangsamte sich 2022 auf 2,9%.
- Die Schweiz liegt mit einem Netto-Geldvermögen von EUR 238.780 pro Kopf unverändert auf Platz 2 in der Rangliste der 20 reichsten Länder.
Das globale Geldvermögen reduzierte sich Ende 2022 um -2.7% auf insgesamt EUR 233 Billionen, was dem stärksten Rückgang seit der Globalen Finanzkrise 2008 entspricht. Auch das Wachstum der Verbindlichkeiten der Haushalte schwächte sich 2022 mit 5,7% deutlich ab. Das zeigt die 14. Ausgabe des "Global Wealth Report" der Allianz, welcher das Geldvermögen und die Verschuldung der privaten Haushalte in fast 60 Ländern analysiert. Auch in der Schweiz sank das Brutto-Geldvermögen der schweizerischen Haushalte 2022 mit einer Rate von -2.1% deutlich.
Das Jahr 2022 war für die Sparer ein Jahr des Schreckens. Die Vermögenspreise fielen auf breiter Front. Das Ergebnis war ein kräftiger Rückgang des globalen Geldvermögens[1] der privaten Haushalte um -2,7%, der stärkste Rückgang seit der Globalen Finanzkrise (GFC) 2008. Die Wachstumsraten der drei grossen Anlageklassen unterschieden sich jedoch deutlich. Während Wertpapiere (-7,3%) und Versicherungen/Pensionen (-4,6%) starke Rückgänge verzeichneten, zeigten Bankeinlagen mit +6,0% ein robustes Wachstum. Insgesamt gingen Finanzanlagen im Wert von EUR 6,6 Billionen verloren, das gesamte Geldvermögen belief sich Ende 2022 auf EUR 233 Billionen. Am stärksten war der Rückgang in Nordamerika (-6,2 %), gefolgt von Westeuropa (-4,8%). Asien hingegen verzeichnete - mit Ausnahme Japans - noch relativ starke Wachstumsraten. Auch in China wuchs das Geldvermögen mit einem Plus von 6,9% kräftig. Verglichen mit dem Vorjahr (+13,3%) und dem langfristigen Durchschnitt der letzten 20 Jahre (+15,9%) war dies jedoch eine eher enttäuschende Entwicklung - die wiederholten Lockdowns forderten ihren Tribut.
[1] Zum Brutto-Geldvermögen zählen Bargeld und Bankeinlagen, Ansprüche gegenüber Versicherungen & Pensionsfonds, Wertpapiere (Aktien, Anleihen und Anteile an Investmentfonds) sowie sonstige finanzielle Forderungen.
Die Inflation ist ein schwer zu besiegendes Biest
Trotz der herben Verluste lag das weltweite Geldvermögen der privaten Haushalte Ende letzten Jahres nominal immer noch um fast 19% über dem Stand von 2019 vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Inflationsbereinigt reduziert sich dieser Zuwachs allerdings auf magere 6,6% in drei Jahren, d.h. zwei Drittel des (nominalen) Wachstums fielen den Preissteigerungen zum Opfer. Während die meisten Regionen zumindest ein gewisses reales Wachstum bewahren konnten, ist die Situation in Westeuropa anders: Alle nominalen Zuwächse wurden ausradiert, das reale Geldvermögen sank gegenüber dem Jahr 2019 um -2,6%. "Jahrelang haben sich die Sparer über Nullzinsen beschwert", sagt Ludovic Subran, Chefvolkswirt der Allianz. "Doch der wahre Feind der Sparer ist die Inflation. Und das nicht erst seit dem Inflationsschub nach Covid-19. In der Schweiz zum Beispiel ist das nominale Vermögen pro Kopf in den letzten 20 Jahren um 171% gestiegen. Inflationsbereinigt liegt der Zuwachs nur noch bei weniger beeindruckenden 56%. Dies unterstreicht die Notwendigkeit intelligenten Sparens und grösserer finanzieller Kompetenz. Aber die Inflation ist ein schwer zu besiegendes Biest. Ohne Anreize und Subventionen für langfristiges Sparen werden es die meisten Sparer schwer haben."
Sparverhalten der Schweizer Haushalte hat sich grundlegend geändert
Das Brutto-Geldvermögen der schweizerischen Haushalte sank 2022 um -2,1%; nur die Verluste während der Finanzkrise (-7,2%) lagen deutlich höher. Hauptursache war die Anlageklasse der Wertpapiere, die -12,3% an Wert verlor. Die beiden anderen grossen Vermögensklassen konnten dagegen (leichte) Zuwächse von 2,1% (Bankeinlagen) bzw. 2,9% (Versicherungen/Pensionen) verzeichnen.
In den letzten drei Jahren hat sich das Sparverhalten der Schweizer Haushalte grundlegend gewandelt. Auch wenn die Bankeinlagen im letzten Jahr wieder kräftig zulegen konnten (Zuflüsse in Höhe von EUR 23,5 Mrd.), bleibt die einst beliebte Anlageform damit noch immer hinter Wertpapieren (EUR 40,6 Mrd.) und Versicherungen/Pensionen (EUR 26,6 Mrd.) zurück. In Summe der letzten drei Jahre werden die Veränderungen noch augenfälliger: Während sich die Zuführungen von frischem Geld zu den Bankeinlagen auf EUR 60,4 Mrd. beliefen, lagen die Wertpapierkäufe mit EUR 135,6 Mrd. mehr als doppelt so hoch: Die schweizerischen Sparer haben den Kapitalmarkt (wieder)entdeckt. Versicherungen/Pensionen flossen im selben Zeitraum EUR 85,7 Mrd. zu. Im Gegensatz zu ihren Nachbarn können die Schweizer Haushalte auch auf real gestiegene Vermögen seit der Pandemie zurückblicken: Im Vergleich zu 2019 liegt das Geldvermögen inflationsbereinigt um immerhin 5,6% höher.
Das Wachstum der Verbindlichkeiten verlangsamte sich auf 2,9%, nach 3,2% im Jahr 2021. Das Netto-Finanzvermögen schliesslich ging um -4,4% zurück; nur 2008 war der Einbruch (-11,4%) noch stärker. Mit einem Netto-Geldvermögen pro Kopf von 238.780 Euro liegt die Schweiz unverändert auf Platz 2 in der Rangliste der 20 reichsten Länder (Geldvermögen pro Kopf, siehe Tabelle).
Mittelfristige Aussichten sind eher gemischt
Nach dem Rückgang im Jahr 2022 dürfte das globale Finanzvermögen im Jahr 2023 wieder ansteigen. Dafür spricht vor allem die (bisher) positive Entwicklung an den Aktienmärkten. Insgesamt erwarten wir einen Anstieg des globalen Geldvermögens um rund 6%, auch unter Berücksichtigung einer weiteren "Normalisierung" des Sparverhaltens. Bei einer globalen Inflationsrate von rund 6% im Jahr 2023 sollte den Sparern ein weiteres Jahr mit realen Verlusten auf ihren Geldvermögen erspart bleiben.
"Die mittelfristigen Aussichten sind jedoch eher gemischt", so Kathrin Stoffel, Mitautorin des Berichts. "Es wird kein geldpolitischer oder wirtschaftlicher Rückenwind zu spüren sein. Das durchschnittliche Wachstum der Geldvermögen dürfte sich in den nächsten drei Jahren zwischen 4 und 5% einpendeln, wenn man von durchschnittlichen Aktienmarktrenditen ausgeht. Doch wie das Wetter, das im Zuge des Klimawandels immer extremer wird, sind in der neuen geopolitischen und wirtschaftlichen Landschaft mehr Marktschwankungen zu erwarten. 'Normale' Jahre könnten eher die Ausnahme werden."
Globale Schuldenquote wieder auf dem Niveau wie zu Beginn des Jahrtausends
Die Zinswende war auch auf der Passivseite der Bilanzen der privaten Haushalte deutlich zu spüren. Nachdem die globale Privatverschuldung 2021 noch um 7,8% gestiegen war, schwächte sich das Wachstum im vergangenen Jahr deutlich auf 5,7% ab. Der stärkste Rückgang war in China zu verzeichnen: Das Schuldenwachstum von +5,4% 2022 war das niedrigste Wachstum seit Beginn der Aufzeichnungen. Insgesamt beliefen sich die Verbindlichkeiten der privaten Haushalte weltweit Ende 2022 auf EUR 55,8 Billionen. Da sich der Abstand zwischen Schulden- und Wirtschaftswachstum auf 3,9 Prozentpunkte vergrössert hat, ist die globale Schuldenquote (Verbindlichkeiten in Prozent des BIP) um mehr als 2 Prozentpunkte auf 66,1% gesunken. Damit liegt die globale Schuldenquote der privaten Haushalte wieder ungefähr auf dem gleichen Niveau wie zu Beginn des Jahrtausends - ein bemerkenswertes Mass an Stabilität, das kaum zu dem weit verbreiteten Narrativ einer in Schulden ertrinkenden Welt passt. Allerdings haben sich die Verhältnisse auf der Weltschuldenkarte stark verändert. In erster Linie ist die Entwicklung in den Industrieländern durch Stabilität gekennzeichnet. In den meisten Schwellenländern hingegen sind die Schuldenquoten in den letzten zwei Jahrzehnten stark gestiegen. An der Spitze der Liste steht China, wo sich die Quote auf gut 61% mehr als verdreifacht hat.
Für weitere Auskünfte
Lorenz Weimann, Economic Research
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