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Die Wunschliste der Märkte, Kommentar von Georg Blaha

Frankfurt (ots)

Noch ist Weihnachten zwei Monate entfernt, doch viele Marktteilnehmer haben ihre Wunschliste für Geschenke schon zusammengestellt. Sie schicken sie jedoch nicht zum Weihnachtsmann an den Nordpol, sondern richten ihre Liste mit Vorschlägen, wie die Euroland-Schuldenkrise zu lösen sei, an die Politik, in der Hoffnung, möglichst schon vor dem 24. Dezember reich beschenkt zu werden. Die Ungeduldigeren unter ihnen setzen bereits auf den EU-Gipfel, den die Politiker aus Verlegenheitsgründen auf zwei Termine verteilen mussten. Schließlich gibt es noch geduldige Naturen - vielleicht wollen sie auch nur weise wirken -, die auf das Treffen der G 20-Regierungschefs am 3. und 4. November in Cannes verweisen, das ebenfalls die europäischen Banken- und Schuldenkrise als Agenda hat. Bis dahin dürfe sich die Politik Zeit lassen, Lösungen zu verkünden und mit der Umsetzung zu beginnen. Aber wehe, es würde länger dauern. Dann ginge die Christbaumbeleuchtung in Euroland schnell aus, lautet die Warnung.

Große Einigkeit

Erstaunlich ist dabei, dass eine große Einigkeit bei den Marktteilnehmern herrscht, wie die Schuldenkrise angegangen werden soll. Auf dem Zettel stehen eine Rekapitalisierung der europäischen Banken, ein größerer Schuldenschnitt für Griechenland und eine - wie auch immer geartete - Ausweitung oder Hebelung des vorläufigen Euro-Rettungsschirms EFSF. Zusammen ergibt sich aus diesen Maßnahmen der "große Wurf" der Politik, auf den die Marktteilnehmer setzen. Wann immer in den vergangenen zwei Wochen ein Entscheidungsträger aus einer der europäischen Hauptstädte einen der genannten Punkte ansprach, reagierten die Aktienmärkte und der Euro mit deutlichen Kursgewinnen. Folgte ein Dementi oder eine andere Dämpfung der Erwartungen, ging es wieder nach unten. Man mag es hierbei amüsant oder bezeichnend für die gegenwärtige Phase der Krise finden, wenn die Aussicht auf eine näher rückende Pleite in Griechenland den Notierungen Auftrieb gibt.

Festzustellen ist aber in jedem Fall, dass die Märkte eine relativ klare und konsistente Erwartungshaltung aufgebaut haben. Unsicher ist, ob die Politik diese Haltung befriedigen kann und ob es ihr in dem von den Märkten angepeilten Zeitfenster gelingt. Gleichfalls unsicher ist - sollte es den europäischen Regierungschefs wirklich gelingen, ein so umfassendes Maßnahmenpaket zeitnah umzusetzen -, ob die Folgen für die Märkte wirklich so positiv wären, wie es sich einige Anleger offenbar erhoffen. Es herrscht also doppeltes Enttäuschungspotenzial. Sollte die Politik kurzfristig keine große Lösung in dem oben beschriebenen Sinne liefern, würde dies die Märkte belasten. Sollte sie liefern, sind damit andere Risiken verbunden.

Im Zentrum der Debatten steht die Hebelung oder Ausweitung des vorläufigen Rettungsschirms EFSF. Eine am Markt herumgereichte Variante ist, dass das EFSF-Volumen von 441 Mrd. Euro dazu benutzt wird, um bei der Ausgabe neuer Anleihen der Euroländer mit 20% bis 30% des Emissionsvolumens zu haften. Die Bundesbank schlug jüngst vor, dass die EFSF auf ihr "AAA"-Rating verzichtet, um ihr Ausleihevolumen zu vergrößern. Frankreich schließlich möchte, dass die EFSF mit einer Banklizenz ausgestattet wird und sich so über die Europäische Zentralbank (EZB) refinanzieren kann. Die Notenbank und auch Deutschland lehnen dieses Vorhaben bislang ab.

Ein nicht unwahrscheinliches Szenario ist, dass, wenn auch der "große Wurf" vorerst ausbleibt, die Kapazität des Rettungsschirms ausgeweitet wird. Bis die anderen Maßnahmen, zu denen auch Strukturreformen in den Euro-Mitgliedstaaten zählen, greifen, dürfte abermals die EZB in die Pflicht genommen werden. Ihre Bereitstellung von langfristiger Liquidität für die gestressten Euroland-Banken und die Käufe von Staatsanleihen haben einige Marktverwerfungen beruhigen bzw. diesen vorbeugen können.

Liquiditätsflut

Ein Szenario eines gehebelten Rettungsschirms und einer mit Liquiditätsspritzen hantierenden EZB dürfte vor allem die Aktienmärkte zumindest kurzfristig beflügeln. Der Euro dagegen wird stärker unter Druck kommen, zumal auch eine Zinssenkung durch die Notenbank längst wieder auf dem Tisch ist. Angesichts der sich eintrübenden Konjunkturperspektiven und der fehlenden Strukturreformen könnte solch eine doppelte Liquiditätsflut den Märkten ein eher ungewolltes Weihnachtsgeschenk bescheren, nämlich eine weiter zunehmende Inflation.

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