Tous Actualités
Suivre
Abonner Börsen-Zeitung

Börsen-Zeitung

Rettungs-Knirps, Kommentar zur Debatte um EU-Hilfen für Spanien und seine Banken, von Detlef Fechtner.

Frankfurt (ots)

In Euroland sind einmal mehr Marketing-Talente gefragt. Denn es geht bei der Debatte um Hilfen für Spanien und seine Banken mal wieder vor allem um die Frage, wie man eine Lösung am besten verkaufen kann. Die Regierung in Madrid soll etwas tun, was - wie die Alltagserfahrung an Regentagen lehrt - nicht einfach ist, nämlich erhobenen Hauptes unter einen Schirm zu schlüpfen. Da sich Spaniens Regierung bärbeißig weigert, einen Hilfsantrag zu stellen und ein Anpassungsprogramm zu akzeptieren, werden in Europas Hauptstädten allerhand Gedankenspiele getestet. Könnte man das Geld nicht an Spanien geben, ohne dass sich die Staatsschuld erhöht? Würde es nicht helfen, wenn man es direkt an den staatlichen Bankenrettungsfonds ausreicht? Wäre es denkbar, dass Madrid als Gegenleistung lediglich eine Reform der Bankenaufsicht zusagt? Könnte es gelingen, Investoren zu überzeugen, dass Spanien eigentlich nicht den Rettungsschirm anzapft, sondern allenfalls ein Rettungsschirmchen - quasi einen Rettungs-Knirps?

Fast möchte man drüber lachen, dass Eurolands Politiker nichts Vordringlicheres zu tun haben, als schönfärberisch zu verschleiern, dass Spanien Hilfe von außen gut brauchen könnte. Die Einschätzung, Spaniens Bürger würden einen Hilfsantrag als Offenbarungseid der Regierung werten und sich darum wünschen, dass sie noch lange herumeiert, ist mehr als fragwürdig. Zumal die Kommunikationsstrategie in Madrid - abwechselnd Alarmismus und Durchhalteparolen - äußerst erklärungsbedürftig ist.

Zwar ist die Sorge nachvollziehbar, dass Investoren ein Land, das um Hilfe bittet, misstrauisch beäugen. Aber es ist eine Illusion, dass sie erkennbar weniger argwöhnisch sein werden, sollte Spanien ein paar prozedurale Erleichterungen aushandeln. Euro-Hilfen sind Euro-Hilfen. Wer sie in Anspruch nehmen muss, tut gut daran, Anlegern und Wählern nicht vorzugaukeln, er wäre eigentlich in einer viel vorteilhafteren Situation als andere Krisenstaaten.

Spanien zeigt, und das nimmt die Öffentlichkeit durchaus wahr, einigen Sparwillen und Reformbereitschaft. Spanien hat weniger Schulden als andere Euro-Länder. Und Spaniens Probleme sind andere als in Portugal oder Zypern. Trotzdem ist es unklug und riskant, wenn Spaniens Regierung auf Sonderbehandlung bei der Euro-Rettung pocht. Denn eben damit läuft sie Gefahr, dass Wählern und Investoren die Debatten um Spanien immer griechischer vorkommen - und die Sorge um Griechenland immer spanischer.

(Börsen-Zeitung, 8.6.2012)

Kontakt:

Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de

Plus de actualités: Börsen-Zeitung
Plus de actualités: Börsen-Zeitung
  • 05.06.2012 – 20:45

    Regeln im Zwielicht, Kommentar zu Derivaten von Stefanie Schulte

    Frankfurt (ots) - An die zentrale Abrechnung (Clearing) von außerbörslichen Derivaten, die in der EU ab 2013 Pflicht wird, knüpfen Regulierer große Hoffnungen. Der Ausfall einer bedeutenden Investmentbank - wie 2008 der von Lehman Brothers - soll dadurch an Schrecken verlieren. Dies soll dadurch gewährleistet werden, dass sich die so genannten Zentralen Gegenparteien, die das Derivate-Clearing übernehmen, ...

  • 04.06.2012 – 19:52

    Trennung von Staat und Bank, Kommentar zur Schuldenkrise von Detlef Fechtner

    Frankfurt (ots) - Europas Spitzenbeamte haben ein neues Ziel erfunden, das endlich den Ausweg aus der Schuldenkrise ermöglichen soll - die Trennung von Staat und Bank. Nein, das hat dieses Mal überhaupt nichts mit der latenten Abneigung von Eurokraten gegenüber öffentlichen Kreditinstituten zu tun. Sondern mit der wachsenden Verzweiflung in der EU-Spitze darüber, ...

  • 01.06.2012 – 20:40

    Im Tunnel, Börsenkommentar "Marktplatz", von Georg Blaha.

    Frankfurt (ots) - Es war kein schöner Wochenausklang für die europäischen Märkte. Der Dax krachte um 3,4% auf 6050 Punkte ein und nahm schon Anlauf, die Schwelle von 6000 Zählern nach unten zu durchbrechen. Der Euro gab den achten Handelstag in Folge nach und rutschte unter 1,23 Dollar, den tiefsten Stand seit Mitte 2010. Fast im Wochenrhythmus erhöht sich die Unsicherheit, die die Märkte derzeit absorbieren ...