Hochfrequenz-Unfug, Kommentar zu den Regulierungsvorschlägen für den Hochfrequenzhandel des Europäischen Parlaments, von Christopher Kalbhenn.
Frankfurt (ots)
Über die Märkte und Finanzdienstleister bricht derzeit ein Regulierungs-Tsunami herein. Doch es ist nicht nur die kaum noch zu bewältigende Masse an neuen Regeln und Vorschriften, die Rechts- und Compliance-Abteilungen an den Rand des Wahnsinns treibt. Hinzu kommen noch übereilte und daher unausgegorene, in einigen Fällen ausgesprochen unsinnige Regulierungsansätze. Ein Beispiel für nicht genügend überdachte Schnellschüsse bieten gerade die Initiativen zur Regulierung des Hochfrequenzhandels. Ein Fehler ist bereits, dass hier der Plural verwendet werden muss. Welchen Sinn macht der deutsche Alleingang, wenn doch eine koordinierte europaweite Regulierung zwingend notwendig ist und zudem auch gerade auf den Weg gebracht wird?
Dem deutschen Gesetztentwurf kann immerhin zugutegehalten werden, dass er durchaus sinnvolle Elemente enthält, die helfen können, die vom Blitzhandel ausgehenden Risiken für Systeme und Anleger zu reduzieren. Dazu zählen unter anderem die erhöhten Anforderungen an die Hochfrequenzhändler und die Börsen, darunter die - allerdings bereits bestehenden - Volatilitätsunterbrechungen und Gebührenbelastungen für Marktteilnehmer, bei denen der Anteil nicht ausgeführter Orders festgelegte Größenordnungen überschreitet.
Zu begrüßen ist auch der Verzicht auf eine Mindestverweildauer für in die Systeme gestellte Orders. Jedoch wird dieser Unfug leider im Europäischen Parlament als Regulierungslösung orchestriert. Die Mindestverweildauer von 0,5 Sekunden, die den Handel "entschleunigen" soll, ist ein Paradebeispiel für haarsträubende Initiativen, bei denen Regeln entworfen werden, ohne sich den zu regulierenden Gegenstand auch nur annähernd hinreichend genau anzuschauen. Genauso gut könnte ein Arzt einem blau anlaufenden Patienten eine Spritze geben, ohne ihn zu untersuchen und zu ermitteln, welches Präparat ihm helfen (oder ihn umbringen) könnte.
Die Vorstellung, dass die Mindestverweildauer den Handel verlangsamt, ist absurd. Erstens bleiben die superschnellen Computer superschnell. Zweitens werden im Handel nicht nur Orders eingestellt, sondern es wird auch auf eingestellte Orders zugegriffen. Mit anderen Worten: Die Hochfrequenzhändler werden mit ihren Algorithmen die mit Zwangsverweildauer eingestellten Orders in den Systemen aufspüren und mühelos profitabel abgreifen. Das Nachsehen haben die Marktteilnehmer, die Orders einstellen.
(Börsen-Zeitung, 27.9.2012)
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