Schweizer Presserat - Conseil suisse de la presse - Consiglio svizzero della stampa
Media Service: Schweizer Presserat
Stellungnahme 22/2010
(www.presserat.ch/27370.htm)
Parteien: Waadtländischer Anwaltsverband c. «24 Heures»/«Le Matin»
Beschwerde teilweise gutgeheissen
Un document
Interlaken (ots)
- Hinweis: Hintergrundinformationen können kostenlos im pdf-Format unter http://presseportal.ch/de/pm/100018292 heruntergeladen werden -
Thema: Respektierung der Privatsphäre / Unschuldsvermutung
Zusammenfassung
Entbindet der Umstand, dass ein mutmasslicher Mörder ein bekannter Wissenschaftler ist, die Medien von ihren Pflicht, dessen Identität und Privatsphäre zu schützen? Diese vom Presserat verneinte Frage stellte sich im Zusammenhang mit einer Beschwerde der Waadtländischer Anwaltsverband gegen «24 Heures» und «Le Matin». Die beiden Tageszeitungen haben mit den Berichten «Le meurtrier présumeé est un chercheur de renom («24 Heures») und («Le suspect est un célèbre généticien» («Le Matin») in unverhältnismässiger Weise der Privatsphäre zuzuordnende Informationen über einen mutmasslichen Täter veröffentlicht und damit die Ziffer 7 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.
Der Presserat erinnert daran, dass Journalistinnen und Journalisten bei Gerichts- und Kriminalberichten in der Regel keine Informationselemente veröffentlichen, die eine Identifizierung der Beteiligten ermöglichen. Im konkreten Fall waren die Involvierten aufgrund der familiären Verbindung zwischen Opfer - einer regional bekannten Person des öffentlichen Lebens - und Angeschuldigtem (dem Schwiegersohn des Opfers) aber von vornherein über ihre engeres soziales und familiäres Umfeld hinaus erkennbar.
Trotzdem, findet der Presserat, durften die beiden Zeitungen aber nicht sämtliche ihnen bekannten, der Privatsphäre zuzuordnenden Informationen über den Angeschuldigten veröffentlichen. Denn mit jeder zusätzlichen Angabe vergrösserte sich der Kreis derjenigen, die einen Verdächtigten identifizieren können. Selbst wenn dessen Identifizierung bei einem Teil der Leserschaft unvermeidbar war, waren die beiden Zeitungen deshalb verpflichtet, bei jedem Informationselement sorgfältig zwischen dem öffentlichen Interesse an einer Publikation und der Schutz der Privatsphäre abzuwägen
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