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Media Service: Schweizer Presserat 17/2013 (http://presserat.ch/_17_2013_htm) Werdegang eines Angeschuldigten
Un document
Interlaken (ots)
Parteien: Waadtländer Anwaltsverband c. «L'illustré»
Themen: Unschuldsvermutung, Identifizierung
Beschwerde teilweise gutgeheissen
Zusammenfassung
Werdegang eines Angeschuldigten
Die Zeitschrift «L'illustré» hat die Unschuldsvermutung nicht verletzt, indem sie die persönlichen Hintergründe eines Angeschuldigten ausleuchtete. Aber sie hat seine Privatsphäre verletzt, indem sie unwesentliche Einzelheiten veröffentlichte und so die Identifizierung über den Kreis der bereits eingeweihten Personen hinaus ermöglichte.
Kurz nach der Verhaftung des mutmasslichen «Pädophilen von Gland» veröffentlichte «L'illustré» eine umfassende Recherche über den Werdegang des Angeschuldigten. Für den Waadtländer Anwaltsverband verletzt der im Ton anklägerische Artikel die Unschuldsvermutung und erleichtert die Identifizierung des Betroffenen, der trotz Geständnis vorerst als unschuldig zu gelten habe.
Der Presserat erinnert daran, dass die Angaben über einen Angeschuldigten auf das für das Verständnis der Leserschaft Notwendige zu beschränken sind. In Kombination mit dem (zwar durch einen schmalen Balken abgedeckten) veröffentlichten Passfoto geht «L'illustré» mit einem Teil der publizierten Details zu weit: Geburtsdatum, Vorname, ehemalige Wohnadresse, Zahl und Alter der Kinder sowie Autofarbe und -marke sind für das Verständnis nicht notwendig. Hingegen ermöglichen sie eine über das familiäre Umfeld hinausgehende Identifizierung (Richtlinie 7.2 zur «Erklärung»).
Die Unschuldsvermutung sieht der Presserat dagegen nicht verletzt. Man mag zwar den anklagenden Ton des Artikels bedauern. Die Unschuldsvermutung verbietet Medienschaffenden aber keineswegs, parteiergreifend zu berichten. Zudem weist «L'illustré» an zwei Stellen des Berichts darauf hin, dass der Strafprozess noch bevorsteht. Ebenso legt dies der enge zeitliche Zusammenhang zwischen der Verhaftung des Betroffenen und der Veröffentlichung des Berichts nahe. Laut Presserat genügen diese Elemente, um der Leserschaft klarzumachen, dass noch kein Urteil ergangen ist.
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