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Media Service: Schweizer Presserat: Das Arztgeheimnis rechtfertigt keine mangelhafte Recherche (Stellungnahme 13/2017)
Un document
Bern (ots)
Parteien: Centre Hospitalier Universitaire Vaudois c. «Le Matin»
Themen: Wahrheitspflicht / Privatsphäre
Beschwerde teilweise gutgeheissen
Zusammenfassung
Das Arztgeheimnis rechtfertigt keine mangelhafte Recherche
Der Presserat gesteht Journalisten zu, über Informationen, die sie bei einer Recherche verwenden, nach ihrer Wahl zu verfügen, ausser wenn Auslassungen die Wahrheit verfälschen. Das Lausanner Universitätsspital CHUV hatte gegenüber einem Journalisten von «Le Matin» erklärt, sich aus Gründen der ärztlichen Schweigepflicht nicht zum Fall einer fürsorgerisch im psychiatrischen Spital von Cery untergebrachten Person äussern zu können. Die betroffene Person war gegen ihren Willen eingewiesen worden und daraufhin an die Zeitung gelangt. Diese widmete dem Fall zwei Artikel. Das Spital hatte dem Journalisten nahegelegt, sich an das Friedensrichteramt zu wenden, welches die Einweisung verfügt hatte, um die für eine Einweisung massgeblichen Kriterien in Erfahrung zu bringen. Der Journalist beherzigte jedoch weder diese Empfehlung, noch suchte er im Internet nach den entsprechenden - leicht auffindbaren - Informationen. Die Kriterien, nach denen eine Einweisung zulässig ist, fehlen demzufolge im Artikel. Genau so wenig findet das Arztgeheimnis Erwähnung, an welches das Universitätsspital gebunden war, noch dessen Hinweis, dass die Weigerung der internierten Person, ihren eigenen Zustand zu akzeptieren, Teil des Krankheitsbildes sein könnte.
Der Presserat gelangte zum Schluss, dass diese Elemente es dem Leser ermöglicht hätten, sich eine differenziertere Meinung zu bilden. Er erkannte auf eine mangelhafte Recherche und eine Verletzung von Ziffer 1 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (Wahrheitspflicht). Das Spital hatte «Le Matin» ausserdem vorgeworfen, die Identität der internierten Person - eines früheren Arztes und Politikers im Kanton Waadt - sowie deren Diagnose preisgegeben zu haben. Diesen Vorwurf erachtete der Presserat hingegen für nicht gerechtfertigt, da die betroffene Person ihre Einwilligung gegeben hatte und überdies anwaltlich vertreten war.
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