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Presserat mahnt Sorgfalt bei Zuschreibung von Zitaten an und heisst eine Beschwerde gegen Tamedia teilweise gut (Stellungnahme 70/2020)
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Bern (ots)
Parteien: X. c. "Tages-Anzeiger" online
Themen: Quellenbearbeitung / Umgang mit Zitaten
Beschwerde teilweise gutgeheissen
Zusammenfassung
Der Schweizer Presserat heisst eine Beschwerde gegen die Redaktion von Tamedia teilweise gut, weil sie einem von ihr Porträtierten ein Zitat unterschob, das dieser so nie gesagt hatte. Konkret handelt es sich um Ken Jebsen, der als einer der Drahtzieher hinter den im Frühjahr 2020 unter anderem in Berlin stattfindenden Demonstrationen gegen die Corona-Massnahmen der deutschen Regierung präsentiert wird.
Jebsen "bediene antisemitische Ressentiments gegen den angeblichen 'Juden-Kapitalismus'", heisst es im sowohl online als auch im Print publizierten Artikel. Der Begriff Juden-Kapitalismus ist in Anführungszeichen gesetzt, obgleich kein Beleg präsentiert wird, dass Jebsen ihn je verwendet hat. Tatsächlich attestiert Tamedia in ihrer Antwort auf die Beschwerde einer Schweizer Privatperson, Jebsen verwende diesen Begriff so wohl tatsächlich nicht. "Juden-Kapitalismus" habe allerdings gar nicht als Zitat Jebsens, sondern bloss als Beispiel für die von Jebsen bedienten antisemitischen Ressentiments dienen sollen.
Dazu hält der Presserat fest: Wer einen Begriff in einem Satz, der die Denkweise einer Person beschreibt, in Anführungszeichen setzt, schreibt ihn dieser Person zu; dies gilt umso mehr, wenn die betreffende Person im Satz grammatikalisch betrachtet Subjekt ist. Mit der Zuschreibung des Zitats hat Tamedia die von Jebsen geäusserte Meinung entstellt und somit gegen Ziffer 3 der "Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten" verstossen.
Nicht verletzt hat Tamedia die Standesregeln hingegen mit der Aussage, auf Jebsens Onlineplattform KenFM sei im Vorfeld einer Demonstration in Berlin "kaum verhüllt zu Gewalt gegen ein TV-Team der satirischen 'heute-show' aufgerufen" worden.
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