Schweizer Presserat - Conseil suisse de la presse - Consiglio svizzero della stampa
Pointierte Kritik an Politiker verletzt nicht die Wahrheitspflicht (Stellungnahme 10/2021)
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Bern (ots)
Parteien: Weibel c. "Basellandschaftliche Zeitung"
Thema: Wahrheit / Trennung von Fakten und Kommentar / Anhören bei schweren Vorwürfen
Beschwerde abgewiesen
Zusammenfassung
Der Presserat bezeichnet einen scharf kritischen Bericht über die Tätigkeiten des Chefs der Basellandschaftlichen Geschäftsprüfungskommission als noch zulässig.
Die "Basellandschaftliche Zeitung" veröffentlichte im Juli 2020 einen längeren Artikel mit dem Titel "Der gescheiterte Fall von Kommissar Weibel". Darin wird sehr kritisch geschildert, wie der Präsident der Geschäftsprüfungskommission des Basellandschaftlichen Kantonsparlamentes eigenmächtig und erfolglos agiert habe im Nachgang zu Enthüllungen über den Verkauf von Fahrzeugen an MitarbeiterInnen der Verwaltung. So habe er im Laufe der Untersuchung der fraglichen Vorgänge die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, wozu er nicht berechtigt gewesen sei. Zudem sei ein interner Bericht mit vertraulichen Details an die Presse weitergegeben worden, der in dieser Form nur ihm vorgelegen habe. Und es wird erwähnt, dass der Präsident der GPK auch ein weiteres Geschäft habe untersuchen wollen, was die Kommissionsmehrheit dann gestoppt habe.
Der betroffene Präsident der GPK wandte sich an den Presserat und machte geltend, er hätte angesichts der erhobenen schweren Vorwürfe ("Oberaufseher, der auf eigene Faust ermittelt", Weitergabe von vertraulichem Material) angehört werden müssen. Es sei nicht wahr, dass er "auf eigene Faust" gehandelt habe, das sei immer im Auftrag der Mehrheit seiner Kommission geschehen. Zudem würden im Artikel abwertende Kommentare und Fakten miteinander vermischt, es liege somit ein Verstoss gegen die Pflicht zur Trennung von Fakten und Kommentar vor.
Der Presserat kam zum Schluss, dass kein Verstoss gegen die Pflicht zur Anhörung vorliege, da keiner der erhobenen Vorwürfe den Grad von illegalem oder damit vergleichbarem Handeln erreicht habe, welcher Voraussetzung für das zwingende Einholen einer Stellungnahme sei.
Was die Wahrheitspflicht angeht, erklärt der Presserat, es "hätte das Verständnis der Vorgänge erhöht", wenn die Rolle und Verantwortung der gesamten Kommission nicht nur in einem Kasten neben dem Text, sondern auch im Artikel selber angesprochen worden wäre. Einen eigentlichen Verstoss gegen die Wahrheitspflicht sieht er mit der starken Akzentuierung auf den Kommissionspräsidenten aber nicht als gegeben.
Auch der Pflicht zur Trennung von Fakten und Kommentar sieht der Presserat im Artikel Genüge getan. Für die Leserschaft sei klar, dass und wo der Berichterstatter kommentiere.
Insgesamt beurteilt der Presserat den Artikel als "alles andere als wohlwollend und durchaus geeignet, den GPK-Präsidenten in ein ungünstiges Licht zu rücken". Ein profilierter Parlamentarier müsse aber mit der Kritik an seiner Person und Amtsführung rechnen, auch wenn diese bisweilen polemisch ausfalle.
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