Botschafter Josef Wolf vor dem Kongress der Gemeinden und Regionen Europas
Vaduz (ots)
Zum ersten Mal in der Geschichte des Europarats hatte Liechtensteins Botschafter Josef Wolf die Gelegenheit, am 31. Mai im Namen des Ministerkomitees, des höchsten Gremiums der Organisation, in dem derzeit Liechtenstein den Vorsitz führt, zum Kongress der Gemeinden und Regionen Europas zu sprechen. Dieser aus einer Kammer der Gemeinden und einer Kammer der Regionen bestehende Kongress ergänzt die Parlamentarische Versammlung des Europarats und bringt die Belange der Gemeinden und Regionen zu Gehör, also derjenigen Körperschaften, die dem Bürger am nächsten stehen. Der Kongress gestattet es daher, den Erwartungen der Menschen in Stadt und Land noch besser zu entsprechen. Liechtenstein ist im Kongress durch die Gemeindevorsteher von Schaan, Hansjakob Falk, und Gamprin, Donath Oehri, vertreten.
Die Tagesordnung der diesjährigen Sitzung (29. - 31. Mai) umfasste unter anderem folgende Themen:
Berichte und Empfehlungen über den Stand der kommunalen und regionalen Selbstverwaltung in Frankreich, Irland, Litauen, der Slowakei, Slowenien und Zypern;
Gaststatus für Vertreter aus Jugoslawien, das die Mitgliedschaft im Europarat beantragt hat;
Partnerschaften in und mit Städten und Regionen in Südosteuropa;
kommunale Zuständigkeiten im Kulturbereich;
die Auswirkung der Globalisierung auf die Regionen;
grenzüberschreitende Wasserbewirtschaftung;
Vergabe des Europapreises (Prix Europe) für gute regionale Radio- und Fernsehprogramme;
die haushaltsmässigen Beziehungen zwischen Gesamtstaat, Region und Gemeinde in Bundesstaaten;
Stellungnahme zum Entwurf einer UN-Charta der kommunalen Selbstverwaltung.
In seiner Ansprache betonte Botschafter Josef Wolf die guten Arbeitsbeziehungen zwischen dem Kongress und dem Ministerkomitee. Er wies unter anderem auf die Bedeutung folgender Arbeiten des Kongresses hin:
Die Überwachung der Fortschritte bei der kommunalen und regionalen Selbstverwaltung in Albanien, Bosnien-Herzegowina, dem Kosovo, Kroatien, Mazedonien, Montenegro und Serbien (etwa durch Wahlbeobachtung und Prüfung der Organisation der Selbstverwaltung und der Stellung und Rolle der Kommunalpolitiker); das Anfang Mai in Riga abgehaltene Seminar zum Thema "Die kommunale Demokratie an der Schwelle des 21. Jahrhunderts".
Zugleich bat er die Delegierten des Kongresses um Unterstützung der Bemühungen des liechtensteinischen Vorsitzes um besserte finanzielle Ausstattung des Europarats.
Was das politische Tagesgeschehen betrifft, erwähnte Botschafter Wolf die verschiedenen Bemühungen um eine Lösung der - durch die Aufnahme Armeniens und Aserbaidschans näher gerückten - Konflikte im Kaukasus, etwa das Schicksal der armenisch besiedelten Region Berg Karabach in Aserbaidschan und die Probleme Georgiens mit seinen nach Unabhängigkeit strebenden Regionen Südossetien und Abchasien. Weitere Konflikte, die dem Ministerkomitee Sorge bereiten, betreffen die Lage in Tschetschenien und die Unruhen in Mazedonien.
Besorgnis erregt derzeit auch die mangelhafte Einhaltung der durch die Ukraine eingegangenen Verpflichtungen. Erfolge zeichnen sich jedoch in Bosnien-Herzegowina und Jugoslawien ab. Auch im Kosovo wird der Europarat weiterhin bei der Beobachtung von Wahlen mitwirken.
Abschliessend trug Botschafter Josef Wolf allgemeine Überlegungen zur Rolle des Europarats aus der Sicht Liechtensteins vor: Die ethische Dimension des Europarats als Wertegemeinschaft müsse stärker betont werden. Zwar sei der Europarat eine Instanz für den politischen Dialog, doch trage er durch seine zwischenstaatlichen Arbeiten auch direkt zum Auf- und Ausbau einer demokratischen Gesellschaft und Kultur bei. Wichtig sei auch, von der Vielfalt kultureller Identität zu einer gemeinsamen politischen Identität Europas zu gelangen sowie die Toleranz und den Dialog unter den Religionen zu fördern.
Fragen in der anschliessenden Debatte betrafen folgende Probleme:
Die ungenügende kommunale Selbstverwaltung und Finanzausstattung der albanischsprachigen Gemeinden in Mazedonien als eine der Ursachen des Konflikts dort;
das Bemühen um bessere Vertretung der Albaner in den Gemeinden Südserbiens und finanzielle Hilfen des Europarats beim Aufbau der örtlichen Demokratie im Balkan;
unzureichende Geldmittel für die Unterstützung der Gemeinden im Kosovo;
eine eventuelle finanzielle Unterstützung Liechtensteins zur Entwicklung von Städtepartnerschaften in Südosteuropa;
die Notwendigkeit, die Fortbildung kommunaler und regionaler Beamten und Politiker in Osteuropa finanziell zu fördern;
Möglichkeiten partnerschaftlicher Beziehungen zu Städten und Regionen in Weissrussland, das derzeit nicht Mitglied im Europarat ist;
Überlegungen zur Erstellung eines Katalogs abgestufter Massnahmen gegenüber Ländern, welche die beim Beitritt eingegangenen Verpflichtungen nicht einhalten;
die Möglichkeit einer Übertragung der Überwachung der Fortschritte beim Aufbau der kommunalen und regionalen Selbstverwaltung vom Ministerkomitee auf den Kongress;
die Aussichten, zu einem Europäischen Übereinkommen über die regionale Selbstverwaltung zu kommen.
Botschafter Wolf sicherte dem Kongress zu, diese Anliegen im Ministerkomitee wohlwollend, allerdings im Rahmen der gegebenen finanziellen Mittel, zu prüfen.
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