Wohnen im "Baudenkmal" - 9. Europa-Tag des Denkmals im Fürstentum Liechtenstein
Vaduz (ots)
In 47 europäischen Staaten werden im September 2001 wieder die vom Europarat unterstützten Europa-Tage des Denkmals veranstaltet. Ziel dieser Veranstaltung ist es, Denkmäler einer breiteren Oeffentlichkeit zugänglich zu machen, historische und baugeschichtliche Hintergründe aufzuzeigen und auf Probleme der Nutzung und Erhaltung aufmerksam zu machen. Gleichzeitig bietet der Tag die Möglichkeit, die "Denkmalpflege", deren kulturpolitischer Auftrag sowie deren Arbeit und Angebot kennenzulernen.
Der Europa-Tag des Denkmals in Liechtenstein steht dieses Jahr unter dem Thema "Wohnen im Baudenkmal". Heute sind Sie eingeladen, geschützte Baudenkmäler und private Wohnräume zu besuchen und bei Begegnungen mit den gegenwärtigen Bewohnerinnen und Bewohnern Einblicke in die spezifischen Anforderungen und die besonderen Qualitäten des heutigen Lebens in historischer Bausubstanz zu erhalten.
Baudenkmäler sind Zeugen der Geschichte
Ein altes Haus besteht aus vielen unterschiedlichen gewachsenen Schichten, Ein- und Umbauten, die im Verlauf von Jahrzehnten ja sogar Jahrhunderten von verschiedenen Generationen zusammengefügt worden sind. Es hat eine Ausstrahlung und einen eigenen Charakter. Diese Fakten machten das Haus zu einem Träger unserer Geschichte, einem Zeitzeugen, den wir nicht leichtfertig verändern oder gar zerstören dürfen. Die Faszination, die von alten Häusern ausgeht, hat vor allem auch mit diesem Erzählen von Geschichte zu tun.
In den vergangenen Jahrzehnten wurde im ganzen Land viel neu erbaut aber auch vieles umgebaut. Ganze Dorfteile wurden dabei "durchrenoviert". Dies liegt einerseits im gestiegenen Nutzungsdruck auf die Siedlungsfläche und Altbauten sowie andererseits sicher auch in der wiederentdeckten Freude am Alten begründet. Der Wunsch nach einer schönen, heilen Umwelt, die von harmonisch-warmem Flair geprägt ist, beschränkt sich dabei oft aber auf die Erhaltung des äusseren Bildes eines Gebäudes. Viele schützenswerte Häuser werden auf diese Weise zwar vor dem Abbruchhammer gerettet. Betrachtet man sie aber genauer, so stellt man fest, dass von der renovierten Fassade nicht mehr viel vom ursprünglichen Gebäude erhalten ist. Das wachsende Unbehagen gegenüber diesem zerstörerischen Umgang mit unserem gebauten Erbe ist mitunter ein Grund für die Durchführung der Europa-Tage des Denkmals im Fürstentum Liechtenstein.
Die Denkmalpflege möchte anhand der geöffneten Denkmalobjekte zeigen, wie mit einer sorgfältigen und systematischen Vorgehensweise bereits in der Planungsphase eines Umbaus im Endeffekt Zeit, Geld und Nerven gespart und vor allem auch viel unersetzliche Altbausubstanz erhalten werden kann. So verzichtet man heute in der Regel auf kostspielige Wiederherstellungen eines älteren, oft hypothetischen Zustandes zu Gunsten der Erhaltung der vorhandenen Substanz. Die Geschichte und der Wandel eines Hauses sollen ablesbar bleiben. Es soll weder mit modernen Materialien "geschönt" noch seines Alterswertes oder seiner Geschichtsspuren beraubt werden, denn nur so behält es seine Aussagekraft für kommende Generation. Eine regelmässige Instandhaltung ist zudem das beste Mittel, um frühzeitige, durchgreifende Sanierungen oder Renovierungen zu vermeiden. Die Wahl der denkmalpflegerischen Mittel muss sich immer nach dem Objekt, seinem Zustand, der Nutzung und Funktion richten, nicht nach einer vermeintlichen richtigen aber dem Zeitgeschmack folgenden Ideologie. Der handwerkliche Charakter bzw. die Individualität jedes Hauses machen ein differenziertes Vorgehen unbedingt notwendig. Das oberste Prinzip der Denkmalpflege ist deshalb die Substanzerhaltung, das heisst, die integrale Erhaltung eines Gebäudes. Ihm haben sich alle konkrete Massnahmen unterzuordnen. Dass sich diese Ziele der Denkmalpflege wirklich umsetzen lassen, beweisen die anlässlich der diesjährigen Europa- Tage des Denkmals gezeigten Baudenkmäler.
Häuser sind direkte Hinterlassenschaften unserer Vorfahren und damit erstrangige, unverfälschte Träger reichhaltiger Geschichtszeugnisse. Dabei geben sie uns nebst Daten zur Bau- und Siedlungsgeschichte auch mannigfache Hinweise wirtschaftlicher und sozialer Umstände. Sie sind ein Spiegel der Gesellschaft in ihrer Zeit. So gilt es im Umgang mit historischer Bausubstanz zu bedenken, dass jeder Eingriff, jede Baumassnahme und jeder Abbruch einer Zerstörung von Geschichtszeugnissen gleichkommt.
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